Editorial

Die Brustkrebs-Gene BRCA1 und BRCA2

von Thomas Jabusch (Laborjournal-Ausgabe 02, 1996)


Brustkrebs betrifft etwa 10 Prozent aller Frauen. Bei etwa 95 Prozent entsteht die Krankheit sporadisch, bei fünf Prozent ist sie erblich. Die Gene, die für die erblichen Fälle verantwortlich sind, die also schon in den Zellen der Keimbahn Mutationen aufweisen, werden gerade kloniert. Es sind die Brustkrebsgene BRCA-1 und BRCA-2.

Das Brustkrebsgen BRCA-1 (Breast Cancer Gene) ist in einer gut definierten Region des langen Armes von Chromosom 17 lokalisiert. Das wußten Krebsforscher schon Ende 1993. Sie erwarteten deshalb, daß das Gen innerhalb kürzester Zeit gefunden würde. Doch erst im September 1994 hatte eine internationale Forschergruppe um Mark Skolnick und Yoshio Miki das Gen kloniert und sequenziert (Science 1994 Vol. 266, 66 - 71). Es kodiert für ein Protein, das zwei Zinkfinger-Motive nahe dem N-Terminus besitzt. Das BRCA1-Protein weist somit ein typisches Merkmal eines DNA-bindenden Proteins auf Normalerweise findet man es im Zellkern. In aktiver Form ist es phosphoryliert. Man vermutet, daß es sich um einen Transkriptionsfaktor handelt.



Zunächst ging man davon aus, daß mutierte BRCA1-Gene sowohl bei erblichen Brustkrebserkrankungen als auch bei den spontan entstehenden Formen beteiligt sind. Die Arbeitsgruppe von Andrew Futreal aus North Carolina überprüfte diese Hypothese. Ihre Ergebnisse bestätigten die Bedeutung von BRCA1 bei erblich bedingtem Brustkrebs (Cell 1994 Vol. 79, 1 3). Sie fanden aber auch, daß Krebs in einigen wenigen Fällen durch zwei somatische Mutationen in BRCA1 entsteht. Bei den allermeisten Brustkrebserkrankungen ist das Gen allerdings nicht mutiert. Denn nur 5 Prozent sind genetisch bedingt. Jedoch erkranken vier von fünf Trägerinnen eines defekten BRCA1-Genes auch tatsächlich an Brustkrebs.

Yumay Chen und Wen-Hwa Lee vom University of Texas Health Science Center in San Antonio entdeckten, daß sich in fast allen Brustkrebserkrankungen das BRCA1-Protein nicht im Kern der Tumorzellen, sondern im Zytoplasma akkumulierte (Science 1995 Vol. 270, 789 - 791). Warum der vermeintliche Transkriptionsfaktor nicht in den Zellkern transportiert wird, ist aber bis jetzt noch unklar. Die Entdeckung von BRCA1 begeisterte die Fachwelt. Es gab aber auch besorgte Stimmen, die fürchteten, daß ein Test zur Indikation der Trägerinnen des defekten Genes auf den Markt gebracht wird, ohne die sozialen Konsequenzen zu berücksichtigen. Schließlich gibt es noch keine zuverlässige Therapie, Brustkrebs zu heilen, auch dann nicht, wenn der Tumor sehr früh entdeckt wird.

Eine internationale Forschergruppe um den Briten Richard Wooster hat kürzlich das BRCA2-Gen gefunden, und zwar auf Chromosom 13 (Nature 1995 Vol. 378, 789 - 792). Das BRCA2-Gen soll für etwa ein Drittel aller erblichen Mammakarzinome verantwortlich sein. Im Vorfeld dieser Studie durchgeführte Untersuchungen zeigten, daß Mutationen in BRCA2 für betroffene Frauen ein ähnliches Risiko bergen wie solche in BRCA1. Das Risiko für männliche Träger ist sogar noch höher.



Letzte Änderungen: 19.10.2004