O‘zapft is!

Erlebnisse einer TA (118)

Annette Tietz


Editorial

Die TA

Ein großer Vorteil an einem wissenschaftlichen Forschungslabor ist die multikulturelle Mischung. Mittlerweile habe ich sicher schon mit Menschen aus über zwanzig verschiedenen europäischen und nicht-europäischen Nationen zusammengearbeitet. Und ich stelle fest: Es gibt für alle immer was Neues zu entdecken.

Das dachte sich vor etlichen Jahren auch meine damalige Arbeitskollegin Karin. Sie kam damals nämlich auf die Idee, wir könnten doch mal so eine Art Oktoberfest für unsere Abteilung organisieren. „Dann könnten wir unseren Kollegen die deutsche Kultur etwas näher bringen.“ Gemeint war allerdings eher die bayerische Kultur...

Karin war jedenfalls nicht zu bremsen: „Wir machen ein Weißwurst-Frühstück und kommen alle im Dirndl,,,!“ Mir fiel fast die Pipette aus der Hand. Denn erstens mag ich keine Weißwürste, schon gar nicht zum Frühstück. Und zweitens: Wo sollte ich denn bitte ein Dirndl herzaubern?

Editorial
„What‘s a Dirndl?“

„Das wär‘ doch der Hammer!“

Ja, so ähnlich sah ich das auch – konnte jedoch Karins Euphorie nicht wirklich teilen, da ich mir nicht sicher war, ob wir unsere nicht-deutschen Kollegen mit Dirndl, Lederhose, Weißwurst und Weißbier begeistern können.

Karin war jedoch schon voll am Organisieren. In Gedanken tanzten wir bereits alle in Dirndl und Lederhose mit einem Weißbier in der Hand durch den Seminarraum, um zur kollektiven Weiterbildung über die deutschen Grenzen hinaus beizutragen.

Unser indischer Kollege Hari, der mitten in Karins bajuwarische Begeisterungsstürme platzte, fragte, wovon Karin denn so erfreut erzählte. Sie erklärte überschwänglich von kurzen Lederhosen und Wollsocken, hübsch gekleideten Frauen im Dirndl, bayerischer Blasmusik und zünftigem Essen. Haris Augen wurden größer und größer, sichtlich rang er mit der Entscheidung, ob das, was er gerade hörte, Realität war oder nicht.

In einer kurzen Verschnaufpause nahm Hari schließlich allen Mut zusammen und fragte: „What‘s a Dirndl?“

Karin verfiel postwendend in ausgeschmückte Erklärungen zu Schuhplatteln, Dirndlarten, Blusen, Push-Ups (mit eindeutiger Geste zum Hervorheben des Push-Up-Ergebnisses) – und zur berühmten Schleife, die den jungen Männern sofort verriet, ob die Dame ihres Herzens nun schon vergeben oder noch zu haben sei. Mit etwas Abstand betrachtet klang das sogar für mich eher nach einer Verkupplungs-Show unter Alkoholeinfluss.

Hari suchte in meinem Gesicht nach einem Anzeichen dafür, ob er sich schleunigst eine neue Doktorandenstelle suchen sollte, oder ob ich nicht endlich in ein befreiendes Lachen verfiel, das ihn aus seiner misslichen Lage befreien würde. Jedoch war ich dank der ausschmückenden Schilderungen von Karin so sprachlos, dass ich ebenfalls auf eine Wendung in dieser Geschichte wartete.

Karin stand indessen mit funkelnden Augen im Labor und schien schon in Planungsphase zwei des bajuwarischen Spektakels zu stecken. An mich gewandt jubilierte sie: „Ein Dirndl kann ich Dir leihen.“ Ich Glückspilz!

In dem Moment kam unsere amerikanische Mitarbeiterin Shirley rein und fragte, was denn hier los sei, man höre Karin ja über den ganzen Flur. Darauf antwortete Hari unter leichtem Fluchtreflex: „She is planning a special party, with push ups, short trousers, fancy kinds of beer and small sausages – and the opportunity to find a lady to marry.”



Letzte Änderungen: 01.08.2018