Editorial

Wissenschaftler und die anderen

Erlebnisse einer TA (1)

Annette Tietz


Die TA

Sätze wie „Das klingt ja interessant“, oder „Super, da kann ich mich gleich mal mit dem unterhalten“, dringen an mein Ohr. Mit DEM meinen meine Kollegen den Gast, seines Zeichens Wissenschaftler, der heute in unserer Abteilung einen Vortrag hält. Ich schlendere unauffällig an dem Aushang vorbei, um mich zu informieren, wer kommt und über welche interessanten Themen er reden wird. Wie so oft verstehe ich nicht viel vom Titel des Vortrags: Signaltransduktion – das hat schon gleich gar nichts mit dem zu tun, was ich mache. Ist das nicht das mit den vielen Kürzeln, meist aus 3-4 aneinander gereihten Buchstaben, die doch kein Mensch zuordnen kann? Nun ja, ist zumindest mein Eindruck.

Später wird es ruhig im Labor, nach und nach wandert alles in den Seminarraum. Hier kann man ganz klar Wissenschaftler von TAs unterscheiden: Die Wissenschaftler sind die, die sich mit einem Block und einem Kuli bewaffnen, eine wissbegierige Miene aufsetzen, in freudiger Erwartung in den Seminarraum pilgern und sich möglichst den besten Platz in der ersten Reihe suchen. Ich für meinen Teil bevorzuge den eher unbeobachteten Bereich im hinteren Teil. Ich will nicht sagen, dass mich Forschung nicht interessiert; im Gegenteil, ich will schon wissen, was ich mache – und vor allem, warum ich es mache. Nur leider musste ich im Laufe der Jahre feststellen, dass Forschung doch ein sehr weites Feld ist, von dem ich nur einen Bruchteil verstehe. Und zwar nur den Teil, mit dem ich mich gerade beschäftige.

Der Gast wird vorgestellt: Studium in Heidelberg und Oxford, Diplomarbeit in einem renommierten Labor, Doktorarbeit in Amerika. Postdoc in England und Australien. Jetzt wieder zurück in Deutschland. Was würde denn mein Chef sagen, wenn er mich vorstellen müsste? Immerhin habe ich schon in zwei verschiedenen Labors gearbeitet. Und die Stadt habe ich auch schon gewechselt. Klingt nicht wirklich spannend.

Ich konzentriere mich also auf den Vortrag und versuche schon mal den Titel des ersten Dias zu verstehen. Schließlich will ich mir ja Mühe geben. Aber auch an diesem Tag muss ich kapitulieren. Spätestens nach all dem Buchstabenwirrwarr, das mir erklären soll, wer was aktiviert und was dann passiert, klinke ich mich aus. Manchmal schaffe ich noch nicht mal den Text auf dem Dia zu übersetzen, bevor es schon wieder weitergeht zum nächsten Aktivierungsschema.

Meine Kollegen sind mit Eifer bei der Sache und stellen Fragen. Als TA stellt man sich während solch eines Vortrags höchstens die Frage, ob die den Southern nicht hätten besser hinbekommen können. Die Antworten scheinen meine Kollegen voll zufrieden zu stellen, sie nicken und machen sich Notizen. Der Vortragende wedelt weiter wild mit seinem Laserpointer über die vielen unterschiedlichen Signaltransduktionswege auf der Leinwand. Ich sehe nur noch Pfeile und unaussprechliche Wörter. Das Ganze erinnert mich eher an moderne Kunst als an Wissenschaft.

Gerade als ich mir überlege, ob ich wohl auch einen grünen Hintergrund für dieses Dia gewählt hätte, rückt mein Kollege näher an mich heran und flüstert mir ins Ohr: „Er hat völlig recht mit seiner Theorie, das werde ich mir bei meinem nächsten Experiment auch mal überlegen!“. Hilfe! Ich weiß überhaupt nicht, wovon er redet! Ach, mache ich es doch einfach meinen Kollegen gleich: Ich nicke. War doch gar nicht so schwer...



Letzte Änderungen: 01.08.2018