Editorial

Miss Panic

Erlebnisse einer TA (7)

Annette Tietz


Die TA

Immer wieder nett sind ja die neuen Mitarbeiter – also Diplomanden oder Praktikanten, die im Labor neu anfangen. Sozusagen Grünschnäbel auf Laborbasis. Meistens kennen sie aus ihrem Studium nur Kurssäle oder haben vielleicht schon mal ein Labor von innen gesehen, aber so richtig vertraut sind sie meist doch noch nicht mit den unzähligen Geräten, Flaschen, Glasgefäßen und Chemikaliendosen.

Einfühlsame Lehrmeisterinnen

Vorsichtig versucht man als TA alles einigermaßen verständlich zu erklären, macht tausende Schränke auf und wieder zu, mit den Worten: „Die großen Flaschen bitte nicht in der Zellkultur verwenden, die leeren Gefäße stellst Du hier hin, und die Plastikbecher mit den Schraubverschlüssen nur für die Bakterienkulturen hernehmen, und und und...“

Ok, es sind schon sehr viele Dinge am Anfang und man erklärt es ja auch gerne noch einmal, kein Problem. Hin und wieder passieren aber auch Fehler, die gar nicht soooo schlimm sind, wie sie auf den ersten Blick vermuten lassen.

Alarm!

Neulich kam eine neue Mitarbeiterin völlig aufgelöst mit aufgerissenen Augen zu mir ins Labor gerannt und musste sich schon sehr beherrschen, nicht gleich vor lauter Panik loszuschreien. Sie sprudelte mir ein „die PCR ist umsonst... das Gel ist nicht okay... ist nicht okay, ... uuuuund jetzt ist die PCR schon drauf!!!“ entgegen.

Da ich mich von ihrem Panikanfall nicht habe anstecken lassen, dachte sie wohl, ich hätte den Ernst der Lage nicht erkannt. Sie schüttelte mich fast, als sie noch einmal versuchte, die sich anbahnende Katastrophe zu schildern: „Jetzt ist doch schon alles zu spääääät! So ein Mist, alles umsonst, die ganze letzte Stunde UMSONST!!!“

Ich wartete, bis sie es wenigstens wieder in Erwägung zog, etwas Sauerstoff aufzunehmen und als ich diese Einschnaufpause nutzen wollte, um zu erfragen, wo denn eigentlich die Ursache des Desasters läge, drehte sie sich um, rannte aus dem Labor, um noch zu retten, was zu retten war. Ich lief ihr hinterher, überlegte unterwegs schon einmal – falls es sich doch um einen Ernstfall handeln sollte – wo der nächste Feuerlöscher zu finden ist, wie die Nummer des zuständigen Notfallarztes lautet und wen ich wohl als erstes informieren sollte. Als ich in ihrem Labor ankam, stand sie kopfschüttelnd vor dem Agarosegel, das vorschriftsmäßig bei 120V lief. Die Proben waren aufgetragen und auch sonst schien alles in Ordnung zu sein. Wo lag also das Problem? Wir schauten beide auf die aufsteigenden Blubberblasen, als sie allen Mut zusammen nahm und mir endlich die Situation schilderte: „Das Gel ist nicht 1% sondern nur 0,8%!“

Ich war mir nicht so sicher, wie sie nun meine Erklärung, dass das in diesem Falle nicht so tragisch sei, auffassen würde. „NICHT schlimm? Aha. Okay. Ja dann...“ Nachdem sich nun doch alles zum Guten gewendet hatte, schaute sie verliebt auf ihr Gel und war froh, dass sie es nun doch retten konnte.

Cool-down

In den darauffolgenden Tagen erklärte ich ihr, dass die einzelnen Punkte in einem Protokoll zwar alle einen Sinn haben, aber dass es durchaus einmal Dinge gibt, die nicht ganz so exakt und hundertprozentig gemacht werden müssen. So lernte sie schließlich recht schnell, dass es ebenfalls nicht so schlimm ist, wenn sie anstatt 25µl nur 24µl PCR Ansatz in die Röhrchen pipettiert hatte, und dass das zehntel Gramm bei 200g auch nicht den ganzen Puffer unnütz mache. So langsam wurde sie sicherer und startete nicht gleich einen Notruf, wenn sie merkte, dass sich ein Fehler eingeschlichen hatte.

Ist auch nicht so schlimm, oder?

In der Folgezeit bemerkte ich, dass sie nun zwar wusste, dass man die großen Flaschen nicht in der Zellkultur verwendet, die leeren Gefäße zum Spülen stellt und die Plastikbecher mit den Schraubverschlüssen nur für die Bakterienkulturen verwendet. Nur: Leider musste ich auch feststellen, dass sie es mit der Zeit etwas zu ernst genommen hatte, in den Protokollen nicht alles ganz so genau einzuhalten. Denn einige Tage später kam sie kurz ins Labor, und im Rausgehen bemerkte sie ganz nebenbei: „Ich habe das SDS im Polyacrylamidgel vergessen. Ist auch nicht so schlimm, oder...?“



Letzte Änderungen: 01.08.2018