Editorial

Ordnung ist das halbe Leben

Erlebnisse einer TA (9)

Annette Tietz


Die TA

Auf meinem Schreibplatz stapelten sich einst Ausducke von Analysen, Tabellen, Protokollen, Bestellfaxe,... – sowie eine Unmenge an kleinen Zettelchen, auf denen wichtige Dinge standen wie „23x 0,5 in Schublade 8!!!“ oder „17.05.06 1/100 –> 5ml“. Damals beschloss ich ein System zu entwickeln, das es mir möglich macht, alle Zettel dort abzuheften, wo sie hingehörten. Und natürlich wollte ich in dabei versuchen zu verstehen, was ich mit den Notizen auf den vielen kleinen Zettelchen anfangen sollte? Wozu sie zunächst einmal auf den Stapel mit dem imaginären Titel wanderten „Keine Ahnung, was ich damit sagen wollte, aber ich hoffe, ich erinnere mich noch in diesem Leben daran“. Gut, dass ich keine Sekretärin geworden bin...

Kleine „Freunde“

Glücklicherweise stand auf den meisten Analysen wenigstens ein Datum drauf, so dass es etwas einfacher wurde alles chronologisch zu ordnen. So langsam kam also wieder Ordnung in die Sache... – bis auf meine Lieblingszettelchen, daraus wurde ich in den meisten Fällen immer noch nicht schlau. Ich beschloss also den Stapel mit allen unklaren Zettelchen in die Ablage zu legen, falls ich sie doch noch brauchen könnte.

Zu meinem Erschrecken wartete da aber schon ein ganzer Stapel wirr beschrifteter „Freunde“. Ich grübelte gerade über einem Zettel, auf dem „16 HS 4!“ stand und der, um die Wichtigkeit dieser Nachricht deutlich zu machen, auch noch mit Textmarker bunt unterstrichen war, als plötzlich mein Chef ins Labor kam und fragte: „Sag mal, hatten wir nicht bei der ersten FACS-Analyse 35% mehr Expression in den Wildtypzellen? Und konnten wir das nicht auch mit PCR nachweisen?“

Zeit gewinnen...

Verwirrt schaute ich mich um und musste feststellen, dass außer mir niemand sonst im Labor war – also musste die Frage an mich gestellt gewesen sein. Upps! Bloß keinen verwirrten Eindruck machen! Um etwas Zeit zu gewinnen und in der Hoffnung, mein Gehirn möge bitte sofort eine Antwort preisgeben, fragte ich noch mal vorsichtig nach: „Welchen Versuch meintest Du?“ „Die erste Analyse von den kultivierten Zellen.“ Mein Chef merkte wohl, dass da immer noch kein Lichtlein bei mir aufging. Also versucht er mir noch etwas unter die Arme zu greifen: „...von denen Du genomische DNA gemacht hast und darauf die PCRs...“

Mist! Noch immer wusste ich nicht genau, wovon die Rede war. Hatten wir nicht schon unzählige Versuche gemacht, die damit zu tun hatten? Um nicht ganz so verloren da zu stehen, wie ich mich im Moment fühlte, versprach ich in meinen Daten nachzuschauen und gleich mit den Analysen und Tabellen zu ihm ins Büro zu kommen.

Gut, damit hatte ich schon mal etwas Zeit gewonnen. Also: 35%, Wildtypzellen, PCR,...? Und hatte er nicht gesagt: das erste Experiment? Das musste ja schon ewig her sein. Warum erinnern sich Chefs immer an jedes Detail und wissen noch Prozentangaben, wenn man selbst nicht einmal herausbekommt, was man mit seinen eigenen vielen kleinen Notizen sagen wollte? Aber wozu hat man denn alles geordnet und aufgeschrieben? Ausgenommen natürlich meine kleinen Lieblingszettelchen!

Woran Chefs sich erinnern...

Zu meiner großen Freude fand ich tatsächlich Aufschriebe über FACS-Färbungen, PCR-Analysen,... – und tatsächlich, da stand es: 35%! Ungläubig starrte ich auf die Seite meines Laborbuchs und fragte mich, was da alles in so ein Chef-Gehirn reinpasste. Glücklich klopfte ich an die Bürotüre und legte meinem Chef die Daten vor. „Wie oft haben wir das wiederholt, und inwiefern sind die Daten reproduzierbar?“ Ich hatte mir schon so was gedacht und blätterte einige Seiten weiter. Geht doch nichts über ein geordnetes Laborbuch...

Bald darauf widmete ich mich zufrieden wieder meinem Schreibtischchaos, als meine Kollegin vom Flur aus fragte: „Weißt Du, wo heute an der Uni das Deutschlandspiel übertragen wird?“ Ich war mir sicher, dass ich es mir irgendwo aufgeschrieben hatte… Und natürlich, da lag er doch, der bunte Zettel mit „16 HS4!“. „Um 16 Uhr im Hörsaal 4!“, rief ich ihr zu. Na also, geht doch nichts über ein geordnetes Chaos...



Letzte Änderungen: 01.08.2018