Editorial

Innovatives fürs Labor

Erlebnisse einer TA (38)

Annette Tietz


Die TA

„Wolle Teppich kaufe? Ich hab‘ alles, was Sie brauche, jede Größe, Farbe und Modell!“ Diese Zaubersätze lösen im Urlauber einen Kaufrausch aus, dem er zu Hause nie erlegen wäre. Neulich im Labor hatte ich das Gefühl, in meinen Urlaub zurückversetzt zu werden.

Labor-Sensationen

Die Labortür wurde schwungvoll aufgerissen und eine Frau mit einem riesigen „Schön Sie wieder zu treffen“-Lächeln stürzte herein. Das assoziative Stimmen-Gesichter-Zentrum in meinem Gehirn lief auf Hochtouren, spuckte aber kein Ergebnis aus. Ich lächelte abwartend.

„Darf ich Sie kurz stören, ich habe sensationelle Neuigkeiten im Gepäck!“ Da ich mitten in einem Experiment war, wollte ich nach einer Definition von „kurz“ fragen, aber soweit kam ich gar nicht. „Ich habe alles dabei, was Ihren Laboralltag erleichtern wird! Seien Sie gespannt“, sprudelte es mir entgegen. Oh toll, ich wusste gar nicht, dass eine Klimaanlage in so eine kleine Tasche passt, das war wirklich eine Sensation. Ich begann, mich für das Thema zu erwärmen.

„Ich habe die Lösung für Ihre Zellkulturprobleme!“ Hatte ich Zellkulturprobleme? Die Frau schien sich auszukennen. „Hiermit passiert Ihnen nichts mehr!“ Die Arbeit in der Zellkultur musste risikoreicher sein, als mir bislang bewusst war, wenn sie extra jemanden herschickten, um mich davor zu bewahren. Aber jetzt war ich ja sicher. Die Frau wurde mir so langsam sympathisch – endlich mal jemand, der an die TAs denkt.

Die Blume der TA

„Ihre Zellen werden sich pudelwohl fühlen, dank des neuen Filtersystems und der innovativen Verschlusskappen in unseren neuen, dynamischen Zellkulturflaschen.“ Es ging also mal wieder nur um das Wohl der lieben Kleinen. Hätte ich mir ja denken können.

„Und für Ihr Wasserbad haben wir auch DIE Lösung!“ Wo eine Lösung ist, da war doch wohl vorher ein Problem, oder? Warum nahm die Dame an, dass ich all diese Probleme hätte? Vorsichtshalber versteckte ich meine Hände unter dem Tisch – die Hände verraten den Hellseherinnen zu viel über das Innenleben.

„Einmal angewendet und Sie können sich das stundenlange Schrubben und Desinfizieren Ihres Wasserbades sparen.“ Ich wollte sie schon fragen, wie ich dann die Praktikanten den ganzen Tag beschäftigen sollte. Aber ich war mir nicht sicher, ob Humor angebracht war, schließlich wollte sie mir was verkaufen und nicht unterhalten werden. Ich überschlug schnell, welches Problem noch nicht auf dem Tisch des Hauses gelandet war. Die einzigen Probleme, die ich wirklich hatte, waren durch Abwesenheit glänzende Klimaanlagen und Kaffeemaschinen mit Begleitperson (George Clooney, Sie erinnern sich?).

Timer mit Stressfunktion

„Ab heute können Sie auch ganz beruhigt und stressfrei Mittagspause machen!“ Oh, das klang ja wirklich mal verlockend. Ich schaute gebannt auf ihre Tasche, unfähig, den Blick abzuwenden. Nach einer dramatischen Pause, die ihre Wirkung nicht verfehlte, legte die Vertreterin einen kleinen Timer auf den Tisch. Ich behielt vorsichtshalber meine Hände unter der Tischplatte. „Sehen Sie, hatte ich nicht Recht?“ Äh, nö, eigentlich nicht. Was sollte ich damit anfangen? Zur Erklärung drückte die Dame auf einen Knopf und der Timer fing an zu blinken. Das war alles. Weder kalte Luft noch ein von George Clooney servierter Kaffee. Meine Begeisterung flaute langsam ab. Einen Timer hatte ich schon.

„Wenn Sie mal in die Mittagspause gehen und vergessen haben, dass Ihr Timer noch läuft, sehen Sie nach der Mittagspause, wie lange Sie schon über der Zeit sind. Das ist die neue Timer-Funktion!“ Tja, und dank der neuen Filtersysteme und Verschlusskappen für die Zellkulturflaschen und des neu erstrahlten Wasserbades werden es mir meine Zellen auch ganz sicher nicht übel nehmen, die haben nämlich ihre Wohlfühltemperatur.



Letzte Änderungen: 01.08.2018