Editorial

Jahresrückblick

Erlebnisse einer TA (40)

Annette Tietz


Die TA

Okay, ich gebe es zu: Ich gehöre zu denen, die sich jedes Jahr im Dezember im Fernsehen den Jahresrückblick anschauen.

Dabei stelle ich immer wieder fest, dass ich dieses oder jenes mehr oder weniger dramatische Ereignis in meinem Gehirn als schon viel länger her abgespeichert oder sogar vollkommen aus der Erinnerung gestrichen habe. Und da ich nicht beladen mit Altlasten aus Halbwissen und längst Vergessenem ins nächste Jahr starten möchte, frische ich mein Gedächtnis eben immer auf.

Ein Laborleben

Wenn ich mich so an das vergangene Laborjahr zurückerinnere, flitzen so einige Bilder vor meinem geistigen Auge vorbei:

Januar: In den Laboren sitzen zitternd Doktoranden und TAs, da aufgrund von Sparmaßnahmen die Heizungsanlage zwischen Weihnachten und 6. Januar heruntergefahren wurde. Leider nimmt diese ihren Dienst nur sehr zögerlich wieder auf und schlummert noch ein paar Tage selig im Winterschlaf. Um die wenigen mobilen Heizkörper entbrennt ein erbitterter Kampf. Die erfrischt aus dem Winterurlaub Zurückgekehrten gewinnen bald die Oberhand.

Februar: Auch die Letzten stellen fest, dass sie diesen Winter vergeblich auf Schnee gewartet haben und der diesjährige Abteilungs-Skiausflug ins Wasser fällt.

März: Auf die Frage nach guten Vorsätzen sieht man nur heftiges Kopfschütteln unter den Kollegen. Alle bestreiten vehement, jemals gute Vorsätze auch nur entfernt in Betracht gezogen zu haben.

April: Das „Seminar zur Selbstbeherrschung bei laborspezifischen Problemen“ ist sofort überfüllt. In den Hörsälen sieht man Menschen, die abwechselnd Zellkulturflaschen und klingelnde Telefone an die Wand werfen.

Mai: Die Super-Nanny hat alle Hände voll zu tun. In jedem Labor hängen Magnettafeln mit Regeln und bunten Magnetpunkten. In manchen Labors sitzen die Angestellten in Stuhlkreisen zusammen und diskutieren über den Kaffeeraumdienst. Der ein oder andere Mitarbeiter durfte sich bereits einen Ansteck-Smiley an seinen Laborkittel heften.

Juni: TV-Schuldenberater Peter Zwegats gerunzelte Stirn lässt auf eine hoffnungslose finanzielle Situation an deutschen Hochschulen schließen. Als erste Sparmaßnahme streicht er sämtliche Anträge auf den Einbau von Klimaanlagen.

Juli: Schimmelkulturen in Kaffeetassen, undefinierbare Essensreste im Kühlschrank, verwaiste Kuchenkrümel auf herrenlosen Tellern. Mein Gehirn vollführt einen gekonnten Bildschnitt von der Totale auf die Dienstliste des Kaffeeraumes, die bereits im Februar endete.

Kritische Stimmung

August: Einige Hochschulen melden, dass Labormitarbeiter versuchten, Angestellte einer Technikfirma zum Einbau von Klimaanlagen mit Kaffee und Kuchen zu bestechen. Man rechnet mit härteren Maßnahmen, wenn keine Einigung erzielt werden kann.

September: Verzweifelte Vertreter irren durch leere Gänge und versuchen, die wenigen nicht in den Urlaub geflüchteten Mitarbeiter in Gespräche zu verwickeln und ihnen Kataloge und Flyer in die Hand zu drücken.

Oktober: Immer mehr zufriedene Gesichter in den Labors, womöglich aufgrund der neuen innovativen Zellkulturflaschen und Wasserbadzusätze. Oder ist es eine Nachwirkung der regen Teilnahme am Aprilseminar?

November: Die Laune der Labormitarbeiter sackt Richtung Nullpunkt: man hat nicht nur einen Feiertag (den 3. Oktober) an den Feind verloren, sondern zwei: auch der 1. November fällt auf ein Wochenende. Hoffentlich werden die Adventskalender bald geliefert!

Dezember: Die Laune hat den absoluten Nullpunkt erreicht. Warten und Hoffen waren vergeblich: keine Adventskalender. Und die Weihnachtsfeier hat auch noch niemand organisiert.

Im Abspann meines persönlichen Laborjahresrückblicks grinst George Clooney mit Espressotasse in der Hand in die Kamera. Na immerhin!



Letzte Änderungen: 01.08.2018