Editorial

Ostergeier

Erlebnisse einer TA (53)

Annette Tietz


Die TA

Nachdem ich Weihnachten unbeschadet überstanden hatte und auch Fasching einigermaßen glimpflich abgelaufen war, dachte ich eigentlich, ich sei für dieses Jahr durch alle Unannehmlichkeiten durch. Wie man sich doch täuschen kann! Ich bin mit kirchlichen Feiertagen nicht so recht vertraut, und obwohl mir die Existenz von Ostern durchaus bewusst ist, war mir bis letzte Woche nicht ganz klar, dass Ostern auch das Laborleben beeinflussen könnte.

Rubbelbunny und Co.

Die Labortüre ging auf und eine freundliche Vertreterin kam schwungvoll mit den Worten „Guten Morgen Frau Tietz!“ ins Labor. Schon wieder eine, die meinen Namen kennt, dachte ich, nie so ganz sicher, ob das ein gutes Zeichen ist.

„Na, Fasching gut überstanden?“ fragte sie mit einem Zwinkern. Aha, sie liest also das Laborjournal, wird ja schon sympathischer...

„Äh, ja, ganz gut, danke!“ Ich legte erwartungsvoll die Pipette aus der Hand. Wo würde diese Konversation wohl hinführen?

„Na, da habe ich ja genau das Richtige für Sie, wo doch Ostern vor der Türe steht.“ Tut es das? Gut, dass mich jemand auf dem Laufenden hält! Ob sie gleich was Nützliches aus ihrer großen Tasche zauberte, um aus der Ostermisere herauszukommen? Meine Neugierde wuchs.

„Ich habe Ihnen unsere brandaktuellen Osterrabattaktionen mitgebracht!“ Fleißbienchen für jedes überstandene Familienfeierereignis fände ich passender. Die könnte man dann in ein Bonusheft kleben, und bei einem vollen Heft bekäme man einen Tag Urlaub extra.

„Hier haben Sie schon mal Ihre eigene Rubbelkarte“, fischte mich die nette Dame aus meinen Gedanken. Äh, wie bitte? Rubbelkarte? Ich hatte den Faden verloren. „Sie dürfen zwei der sechs Ostereier freirubbeln und die sichtbar gewordenen Rabatte für Ihre nächste Restriktionsenzymbestellung einsetzen. Jedes Los gewinnt, und so sparen Sie noch bares Geld!“ Jedes Los gewinnt? Da sollte sich die Lotto-Gesellschaft mal ’ne Scheibe von abschneiden! Nur schade, dass es sich hierbei nicht um Geld handelte!

Zwischen Stirne runzeln und schmunzeln hin- und hergerissen starrte ich die Rubbelloskarte an. Sechs gut gelaunte Osterhasen mit jeweils einem Osterei in der Hand grinsten zurück. Na schön, wenigstens nett aufgemacht! Gab es vielleicht auch richtige Ostereier, aus Schokolade? DAS wäre mal was!

„Aber es geht noch weiter! Wir haben jede Menge Osternesterrabatte“, versuchte die Vertreterin meine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. Osternester im Labor? Zu dem Thema hätte der Laborsicherheitsbeauftragte (LJ 3/2011) sicher ein Dutzend Powerpointfolien aus dem Hut gezaubert, aber anschauen konnte ich mir das ja mal.

Plüschige Kundenbindung

„Jedes Osternest besteht aus einer eigens zusammengestellten Anzahl aus Enzymen oder Produkten unseres Molekularbiologie-Sortiments. Da können Sie nach Belieben auswählen und bis zu fünf Mal das gleiche Osternest bestellen. Dann bekommen Sie sogar unsere Ostermagneten für den Kühlschrank mit obendrauf!“ War die Dame etwa neidisch, dass sie nicht im Labor arbeitete? Ob sie wohl auch gerne Osterbunnys für den Kühlschrank hätte?

Das erinnerte mich daran, dass ich mal ein Stoffmaskottchen einer Firma geschenkt bekommen hatte. Das stand dann an meinem Laborschreibplatz und sah in der Tat etwas deplatziert aus. Mein Chef fragte mich damals, ob er sich nun langsam Sorgen um mich machen müsse, oder ob mir noch bewusst wäre, dass das hier ein Labor wäre. Von Stofftieren hatte der nette Referent bei der Sicherheitsbelehrung aber gar nichts erzählt, glaube ich. Und so sitzt das Ding noch heute da.

Ich fragte mich mal wieder, was der Industrie noch alles einfallen würde. Kommt nach der Feiertage-Sommerpause eine Rubbelkarte mit Grillwürstchen drauf oder mit Bildern der deutschen Frauenfußballnationalmannschaft? Ich lasse mich überraschen, aber bis dahin rubbel ich mal meine Ostereier frei.



Letzte Änderungen: 01.08.2018