Editorial

Rollentausch

Erlebnisse einer TA (69)

Annette Tietz


Die TA

Manchmal hilft es, Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen. Das predigen zumindest renommierte Psychologen und bieten – wenn auch nicht ganz zum Knüllerpreis – einschlägige Seminare an. Ich habe nicht vor, so einer abendfüllenden Gesprächsflut beizuwohnen, aber ich habe mal versucht, mich in meinen Chef hineinzuversetzen und mir vorzustellen, wie er den Laboralltag erlebt:

Mit den Augen eines Chefs

8.45h: Ich betrete die Abteilung in der Hoffnung auf schnellstem Weg um 9.00h ins Meeting zu kommen. Meine TA wuselt gerade durch den Flur und hat auf Nachfrage glücklicherweise ein „Ja, alles klar!“ für mich parat.

10.15h: Das Meeting hätten wir schon mal abgehakt, jetzt erst mal die Post, die Sekretärin fragen, ob es was besonderes gibt und dann mein Durchgang durch die Labore.

10.35h: Auf dem Arbeitsplatz meiner TA stehen unzählige Reaktionsgefäße mit ominöser Beschriftung. Auch der Farbcode gibt mir Rätsel auf. Wo ist sie eigentlich? In der Zellkultur treffe ich sie in einer lebhaften Diskussion mit ihrer Kollegin an. „Nein nein, die hab ich aus dem neuen Laden neben dem City­café... Ach, hi Chef! Alles klar?“ – War das nicht meine Frage? Ich war irritiert.

Egal, Hauptsache es läuft. Sie versichert mir, die Färbungen stünden und die Daten seien heute Nachmittag fertig. Außerdem sei der neue Antikörper gekommen, den habe sie gleich mitgetestet und die Proben von gestern seien auch schon verschickt. Die Zellen von letzter Woche sähen nicht so gut aus, deswegen habe sie gestern noch mal neue aufgetaut, die seien nun okay, also könne der Versuch morgen wie geplant durchgeführt werden. Sie setzt ihren freundlichen „Brauchst Du noch andere Informationen?“-Blick auf und wartet auf Rückfragen. Nein, fürs erste bin ich sehr zufrieden und gehe zurück in mein Office. Immerhin umgehe ich in dieser Jahreszeit die Klimaanlagendiskussion.

10.55h: auf dem Rückweg streife ich noch den Kaffeeraum, um dann meinen Kaffee mit dem „sie haben 17 neue Nachrichten“ zu genießen. Gut, dass mich keiner gesehen hat, sonst beginnt gleich wieder die Diskussion um eine neue Kaffeemaschine.

12.10h: Auf dem Weg in die Mensa statte ich meiner TA wieder einen Besuch ab, sehe aber nur die Röhrchen mit seltsamer Beschriftung. Sie selbst finde ich dann im Kaffeeraum. Allerdings versichert sie mir glaubhaft, es sei noch nicht Nachmittag auch die Daten somit auch noch nicht fertig. Wir einigen uns darauf, dass man Zellen auch nicht stressen sollte und sie einfach später mit den bahnbrechenden Ergebnissen zu mir kommt.

14.35h: endlose Telefonate, E-Mails, und Diskussionen später, fing sogar ich an die Qualität unseres Kaffees in Frage zu stellen. Wo war eigentlich meine TA? Hatte sie vorhin beim Durchgang gar nicht im Labor gesehen. Es klopft. Sie öffnet die Türe, sieht aber gar nicht so gut gelaunt aus wie sonst. „Da stimmt was mit dem Analysegerät nicht. Ich war schon in der Werkstatt, da kommt gleich jemand und schaut nach. Wird wohl etwas später mit den Ergebnissen“. Sprach’s und verschwand wieder.

Ende gut, alles gut

16.40h: Da war er wieder, der gut gelaunte Gesichtsausdruck meiner TA. Wir besprachen die Ergebnisse und diskutierten die nächsten Versuche. Schön, wenn ein Plan aufgeht.

17.55h: Ich ging noch mal auf die Suche nach ihr, traf sie aber nicht mehr an. Offensichtlich widmet sie sich gerade Projekten außerhalb dieses Labors.



Letzte Änderungen: 01.08.2018