Editorial

Auswahlverfahren

Erlebnisse einer TA (71)

Annette Tietz


Die TA

Ein TA-Leben in der Forschung ist geprägt von einem ständigen Kommen und Gehen. Hat man sich gerade an den neuen Master-Studenten gewöhnt, ist er auch schon wieder weg. Kaum bekommt man Gesellschaft von einer netten TA-Kollegin, zieht die auch schon wieder um. Und kaum hat man sich an die Macken des Chefs gewöhnt und ein Interpretationstalent für jedes Zucken um den Mund und die 20 Arten von Grübelfalten entdeckt, fällt dem ein, er könne sich mal eben wegbewerben.

Der Bewerber

Bei uns war es mal wieder soweit. Ein Doktorand hatte gerade seine Prüfung hinter sich und stand müde lächelnd mit selbst gebasteltem Hut vor uns, da wurde auch schon sein Nachfolger angekündigt. Am Donnerstag würde ein potenzieller neuer Kandidat kommen, um sich vorzustellen und uns kennenzulernen, erklärte der Chef. Wir sollten doch bitte alle anwesend und – Augenzwinkern! – nett sein. Ich sagte ihm, ich würde das mit dem Nett sein in meinen Kalender schreiben.

Markus, der Auserwählte, hielt einen Vortrag über seine Masterarbeit und nach anschließender Diskussion im Seminarraum gingen er und mein Chef ins Office für ein Vier-Augen-Gespräch. Ich wuselte wie immer im Labor umeinander, aber da heute ja Donnerstag war, tat ich es ausgesprochen nett. Einige Zeit später kam dann mein Chef mit Markus im Gefolge ins Labor. Ich grinste, was das Zeug hielt, der Pluspunkt auf Markus’ „pro-Liste“ war mir sicher! Mein Chef schaute mich etwas irritiert an. Ich schaute irritiert zurück.

„So, in diesem Labor wäre dann auch Ihr Arbeitsplatz“, hörte ich meinen Chef sagen. Ach? Davon wusste ich noch nix, bisher war nur die Rede von nett sein, nicht von Laborplatz verkleinern. Aber ein bisschen Gesellschaft wäre ja auch mal wieder ganz nett! Im Sinne der Pro-Punkte-Vermehrung bot ich Markus also einen Stuhl an und fragte, ob wir mal zusammen das Labor anschauen wollten? Er stellte einige Frage zu den Geräten und war erstaunt über unser Equipment. Markus fragte gerade: „Habt ihr hier eigentlich ne Klimaanlage?“, als hinter ihm die Tür vom Chef-Office aufging. Chefs Gesichtsausdruck sagte mir, ich solle jetzt bloß nicht wieder damit anfangen. Nett soll ich sein. Ja, toll, Chef! „Im Labor nicht, aber in ein paar Räumen mit sensiblen Geräten, in denen man sich recht oft aufhält, gibt es eine.“

Wow, ich beschloss, dafür gleich mal drei Pro-Punkte einzukassieren. Mein Chef hielt die Luft an. Markus schien zufrieden. „Gut, ich kann das eh nicht haben, wenn man im Sommer frieren muss.“ Eins zu null für den Chef, der der Meinung war, eine Klimaanlage im Labor sei irgendwie überflüssig, wo wir doch eh den ganzen Tag rein und raus gingen.

Ich überlegte kurz, ob ich eine eigene Pro-Contra-Liste aufstellen und Markus fragen sollte, ob er gerne Kaffee trinkt und ob er überhaupt noch eine herkömmliche Kaffeemaschine mit Filter und Pulver kenne. Ich fragte dann doch nicht, da mein Chef diese Aktion wohl eher unter nicht nett abspeichern würde. Außerdem fand ich Markus abgesehen von seiner Klimaanlagen-Aversion ganz nett und unser Oldtimer von Kaffeemaschine könnte sich negativ auf seine Pro-Liste auswirken. Er bedankte sich für unser Gespräch und ging dann mit dem Chef zu einem Kollegen weiter. Ich fand, ich hatte mein Bestes gegeben. Wenn er die Stelle nicht annehmen wollte, dann lag es zumindest nicht an der fehlenden Kühleinrichtung.

Wenig später sah ich meine Kollegen mit Markus Richtung Kaffeeraum gehen. Sollte er nun doch absagen, würde mir da spontan ein Grund einfallen...



Letzte Änderungen: 01.08.2018