Editorial

Bedenkliche Geschenke?

Erlebnisse einer TA (86)

Annette Tietz


Die TA

Auf meiner Vertreter-Geschenkeliste gibt es einige Dinge, die mein TA-Herz höher schlagen lassen: Ganz oben steht die leider selten gewordene Spezies „Schokoladen-Adventskalender“, dicht gefolgt von Kugelschreibern, Süßigkeiten aller Art, schönen Wandkalendern und so manch anderen nützlichen Dingen, die der ein oder andere Vertreter schon bei mir abgegeben hat.

Soweit die Wanted-Liste. Ein Fundstück meiner Geschenkeliste möchte ich Ihnen jedoch genauer vorstellen. Und zwar übergab mir im Frühjahr eine freundliche Dame ihr Firmen-Maskottchen mit den Worten: „Stellen Sie sich Pipetti einfach auf Ihren Schreibtisch, so werden Sie täglich an unser neues Pipettensortiment erinnert. Und für Ihre Kollegen lasse ich auch noch einen da, bevor es zu Unstimmigkeiten kommt.“

Sehr zuvorkommend. Allerdings gab es weder Unstimmigkeiten noch anderweitiges Interesse an Pipetti, so dass ich schließlich beschloss, die beiden zusammen auf meinen Schreibtisch zu setzen. Pipettis Kumpel nannte ich fortan „Drops“ (er erinnerte mich an diese Bonbonspender, aus denen beim Öffnen des Kopfes ein Bonbon nach vorne geschoben wird). Und ich muss zugeben, ich habe mich tatsächlich an die beiden gewöhnt. Immer wenn ich scharf nachdenken muss, starre ich sie an, als könnten sie mir weiterhelfen.

Drops klatschte Pipetti ab

Als neulich Herr Fröhlich aus der Haustechnik wegen eines Reparaturauftrags anrief, war ich sogar richtig froh um den Beistand meiner neuen Genossen. „Ist das von Ihnen?“ DAS war wohl meine Gelkammer, ich bejahte also. „Und was genau sollen wir ändern?“ „Ich hätte gerne den oberen und unteren Steg etwas höher als vorhanden.“ Schweigen. Auch Pipetti und Drops schwiegen. „Wo?“, tönte aus der Leitung – und ich bin mir fast sicher, Drops zuckte auch etwas zusammen. „Die beiden Plexiglasstege, die in ungefähr zehn Zentimeter Abstand zueinander stehen, hätte ich gerne etwas höher.“ Als wieder alle schwiegen, holte ich zu genauerer Erklärung aus: „Ich spreche von den beiden Abgrenzungen, die horizontal zur unteren und oberen Kante der Kammer verlaufen.“ Pipetti nickte anerkennend – er hatte offenbar verstanden, worum es geht. Drops hingegen schaute wie immer. „Horizontal?!?“ Pipetti nickte wieder und griff sich mit seiner freien Hand an die Stirn (in der anderen hielt er ja das Reaktionsgefäß mit dem Firmennamen). „Ja genau. Dazwischen wird ja das Gel eingefüllt.“ Selbst Drops schien nun endlich mein Anliegen verstanden zu haben und klatschte Pipetti ab. Ich war ganz gerührt, dass wenigstens die beiden verstanden, was ich meinte.

Nur Herr Fröhlich klatschte noch immer nicht mit ab. „Aber da sind keine Stege, die horizontal verlaufen.“ Drops schenkte mir einen mitleidigen Blick und fing an, auf und ab zu hüpfen. Das half mir nun auch nicht weiter. Hätte ER mal mit Herrn Fröhlich telefoniert, vielleicht hätte es dann besser geklappt. „Ah jetzt!“ Herr Fröhlichs Freudenschrei ließ mich zusammenzucken und Drops hörte auf der Stelle mit Hüpfen auf. Ein Grinsen machte sich auf Pipettis Gesicht breit. Ich war noch etwas verhalten. „Ich habe die Kammer falsch herum gehalten, aber wenn man sie um 90 Grad dreht, sind die Stege horizontal.“ Drops rollte die Augen, und ich freute mich, dass wir nun vom selben Objekt sprachen. „Ja klar kann man die höher machen. Können Sie morgen abholen.“ verabschiedete sich Herr Fröhlich, während Drops und Pipetti schon darum stritten, wer von beiden morgen mit zum Abholen darf.

Ob ich vielleicht doch lieber wieder unbedenklichere Geschenke entgegennehmen sollte?



Letzte Änderungen: 01.08.2018