Editorial

Tim oder Tom oder...?

Erlebnisse einer TA (95)

Annette Tietz


Die TA

Manchmal wünsche ich mir nach dem Urlaub einen Reset-Knopf, den ich einfach drücken muss und schon geht der normale Betrieb in meiner Schaltzentrale an. Denn auch wenn ich gut erholt zurückkomme – so richtig rund läuft es dann doch nicht gleich.

Als ich etwa nach meinem letzten Urlaub erstmals wieder etwas orientierungslos im Labor stand, ging die Tür auf und meine Kollegin kam mit einem mir unbekannten jungen Mann rein. Ich war mir zunächst nicht sicher, ob es an der fehlenden Reset-Taste lag, oder ob wir tatsächlich einen neuen Kollegen hatten. „Das ist Tom, unser neuer Master-Student“, klärte mich meine Kollegin auf. Puh! Ich schüttelte Tom die Hand und versuchte, sein Gesicht unter „Einer von uns“ abzuspeichern. Wir tauschten noch ein paar Nettigkeiten aus, wobei ich das Gefühl hatte, dass Tom mich unter „Die, die gerade aus dem Urlaub zurück und noch nicht wieder voll da ist“ abspeicherte. Ich nahm es ihm nicht übel.

Wer hat hier keinen Reset-Knopf?

Ich begann meinen ersten Nach-Urlaubstag recht entspannt. Am späten Vormittag kam meine Kollegin wieder ins Labor, hinter ihr Tom. Ich schaute beide erwartungsvoll an. „Hey, ich wollte Dir unseren neuen...“, „Wir kennen uns schon“, platze ich dazwischen. Wer hatte hier keine Reset-Taste? Sooo schlecht ist mein Erinnerungsvermögen dann doch nicht! Junger Mann, sympathisches Aussehen, groß und kurze dunkle Haare. Eindeutig Tom! Beide guckten verwirrt, vor allem Tom. Ich wollte schon sagen: „Hey, erinnerst du dich? Ich bin die, die gerade aus dem Urlaub zurück ist... Na, klingelt‘s?“ Aber gut, wenn man sich am ersten Tag so viele neue Gesichter merken soll...

Die beiden verschwanden wieder unverrichteter Dinge und der Tag verlief ohne weitere Tom-Zwischenfälle. Ich lächelte immer, wenn ich ihm begegnete, und hatte manchmal das Gefühl, dass er mich auch erkannte. Ich war nur etwas verwundert, dass er mich im Laufe des Tages zweimal fragte, wie lange unsere Sekretärin heute da sei. Vielleicht ein Test, um zu erkunden ob ich denn „nun wieder voll da“ sei.

Am Nachmittag fragte mich mein Kollege, ob ich morgen Zeit hätte, mit Tim zusammen einen Klonierungsschritt durchzugehen, damit er bald alleine loslegen kann. Tim, Tom,... – wir wollen da mal nicht so pingelig sein. Von mir aus nenn‘ ich ihn auch Tim. „Klar, kein Problem. Komm morgen einfach vorbei, Tim.“ Ich zwinkerte ihm zu und machte mich auf den Weg in den Kaffeeraum.

Ich wollte gerade meine Kaffeetasse in der Maschine platzieren, als Tim/Tom reinkam. Ich erklärte kurz, dass es noch einen Moment dauern wird. „Dann komm ich später noch mal“, sagte er und verschwand wieder. Der Spruch auf seinem T-Shirt war mir vorher gar nicht aufgefallen: „Sexy and I know it“. „Selbstbewusst isser ja, der Tim/Tom“, dachte ich und schaute gedankenverloren auf meine leere Kaffeetasse.

Die Tür ging wieder auf und Tim/Tom kam erneut rein – dieses Mal mit schwarzem T-Shirt ohne „Sexy“. Er schaute mich grinsend an. Will er mich jetzt testen, oder was? „Tom sagte, es gibt frischen Kaffee.“ Aha, jetzt spricht er schon in der dritten Person von sich. Oder...? Hatte er nicht vorher zum „Sexy-Shirt“ eine Brille auf? Ich musterte ihn von oben bis unten, als er mir zuzwinkerte: „Stell doch lieber deine Tasse drunter, dann läuft der Kaffee auch rein.“ Und im Gehen schob er sichtlich amüsiert noch nach: „WIR sehen uns dann morgen zum Klonieren.“

Sekunden später kam „Sexy Tom“ rein, schob gekonnt seine Kaffeetasse in die Maschine und fragte grinsend: „Alles klar?“



Letzte Änderungen: 01.08.2018