Editorial

Eiskisten-Hokuspokus

Erlebnisse einer TA (139)

Maike Ruprecht


Die TA

Ich habe mich getrennt. Nach über zehn Jahren inniger Beziehung einfach Schluss gemacht. Mit meiner Eiskiste.

Es ist erstaunlich, mit welcher Leidenschaft manche Forscher an ihren Eiskisten hängen. Diese ganz banalen Styroporboxen, in denen irgendwann mal irgendwas geliefert wurde. Zu Beginn werden sie von ihrem neuen Besitzer liebevoll gestaltet, ganz individuell mit Namenszügen und Bildchen verziert – das Terrain markiert sozusagen.

Meine alte Eiskiste hatte ich damals, passend zum Forschungsobjekt, über und über mit Blumen bemalt.

So teilten wir zehn Jahre voller Innigkeit und guter Versuchsergebnisse. Ob diese allerdings tatsächlich aus der stetigen Verwendung genau dieser Eiskiste resultierten, weiß ich nicht – aber in den nächsten Monaten werde ich es womöglich herausfinden. Denn statt der angealterten, abgegriffenen, geblümten Eiskiste steht nun ein hübsches, junges Ding auf meinem Platz. Strahlend weiß und mit Deckel, damit ich nicht jede Stunde das angetaute Eis gegen frisches austauschen muss. Ich bin gespannt!

Magische Fähigkeiten

Übrigens hatte meine Backbord-Kollegin erst unlängst aufgrund ihrer Eiskiste einen akuten Wutanfall. Mit irrem Blick wirbelte sie von Raum zu Raum, riss Türen und Schränke auf, immerfort rufend: „Wo ist sie?“ Ihr Gebaren erinnerte mich sehr an das von Gollum, nachdem der Hobbit Bilbo mit dem „Einen Ring“ durchgebrannt war. Schließlich hatten wir sie so weit beruhigt, dass sie in längeren Sätzen sprechen und erklären konnte, was los war. Ihre Eiskiste war verschwunden!

Tatsächlich hängen etliche Forscher mit einer geradezu manischen Inbrunst an ihren Styroporboxen. Manche von uns schreiben ihrer Eiskiste nachgerade magische Fähigkeiten zu. Glauben, ohne diese eine Eiskiste würde keines ihrer Experimente gelingen. Nicht mal die, bei denen die Proben überhaupt nicht gekühlt werden müssen.

Was ja immerhin möglich sein kann. Das Gegenteil wurde schließlich noch nicht bewiesen.

Symbiotische Beziehung

Meine verzweifelte Backbord-Kollegin hatte ihre frisch vermisste Kiste einst aus rein pragmatischen Gründen gewählt, die sie erst verriet, nachdem sie diese in der hintersten Ecke des Kühlraums wiedergefunden hatte: „Perfekt geeignet für meine Saccharose-Gradienten. Lang, schmal, mitteltief und auf der stabilen Kante kann man beim Gießen prima den Arm abstützen!“

Ich dagegen schaue ja mehr aufs Äußere. Einmal ausgepackt ist es mit den inneren Werten bei Eiskisten eh nicht weit her. Bei meiner neuen dachte ich eher: „Oh, diese neue Eiskiste passt genau auf meinen Platz... Nehme ich!“ Sicher werden wir gut miteinander auskommen.

Mit meiner alten Eiskiste verband mich eine Art symbiotische Beziehung. Ich bekam gekühlte Proben, die Eiskiste wiederum bekam ein längeres Leben und ein hübsches Design.

Und genau deshalb schließe ich hier: Ich will jetzt lieber mal meine neue Kiste individuell gestalten. Mein Terrain markieren.



Letzte Änderungen: 01.09.2020