Editorial

Tipp 127:
Eingangstor ins Forscher-Netz

Ijad Madisch

Entwickelte die Internetplattform ResearchGATE: Ijad Madisch

Forscher wollen nicht nur im stillen Kämmerlein des Labors vor sich hinwursteln. Sie sind auch soziale Wesen, die sich mit ihren Kollegen austauschen müssen. Besonders leicht lassen sich Kontakte mit der Internetplattform ResearchGATE knüpfen, die der Virologe Ijad Madisch entwickelt hat.


ResearchGATE

Im Bewusstsein der Öffentlichkeit ist sicher der Fall der Mauer und die Öffnung des Eisernen Vorhangs das herausragende Ereignis des Jahres 1989. Völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde in diesem Jahr aber auch der Grundstein für eine andere Entwicklung gelegt, die die Welt fast noch mehr veränderte als der Mauerfall: 1989 wurde am Genfer Kernforschungszentrum das TCP/IP Intranet in Betrieb genommen, das als Urahn des heutigen Internets gilt. Wie der amerikanische Vorläufer des Internet, das bereits in den siebziger Jahren entwickelte ARPANET, sollte es den Austausch von Informationen zwischen den Wissenschaftlern beschleunigen.

Das Internet begann seinen Siegeszug aber zunächst auf anderen Gebieten: Suchmaschinen für den allgemeinen Gebrauch, Shopping-Plattformen aller Art und einige journalistisch orientierte Angebote avancierten zu den erfolgreichsten Seiten im Netz. Der neueste Trend sind Soziale Netzwerke, in denen sich die Nutzer mit Profilen präsentieren und mit Gleichgesinnten kommunizieren. Forscher-Netzwerke blieben hingegen meist auf einzelne Universitäten oder Fakultäten begrenzt.

Dabei bieten gerade Applikationen, die für die Sozialen Netzwerke entwickelt wurden, große Möglichkeiten für den weltweiten und interdisziplinären Austausch von Wissenschaftlern. Wir haben deshalb die Internetplattform ResearchGATE als erstes Soziales Netzwerk speziell für Forscher und Wissenschaftler entwickelt. Im Mai diesen Jahres ging die neue Seite an den Start.

Inzwischen hat sich die Plattform als Netzwerk für die Wissenschaftsgemeinde etabliert. Bisher haben sich fast 10.000 Naturwissenschaftler aus der ganzen Welt auf www.researchgate.net eingetragen und täglich kommen neue hinzu. ResearchGATE bietet den Nutzern zahlreiche Möglichkeiten, um mit anderen Wissenschaftlern zu kommunizieren. Profile, Gruppen, semantische Suchfunktionen und integrierte Datenbanken erleichtern die Recherche und den Austausch von Forschern über ihre Projekte. Das Entwickler-Team setzt auf das Feedback seiner Nutzer und will ResearchGATE für die internationale Forschungsgemeinschaft weiterhin kostenlos zur Verfügung stellen.
Das persönliche Profil ist das Kernstück jedes registrierten Users. Hier kann er nach einem ähnlichen Prinzip wie bei den kommerziellen Sozialen Netzwerken (zum Beispiel Facebook und Xing) einen persönlichen wissenschaftlichen Steckbrief erstellen und sich und seine Arbeit der Wissenschafts-Gemeinde präsentieren. Das Profil umfasst vergangene und aktuelle Forschungsprojekte, eine Liste wissenschaftlicher Veröffentlichungen, an denen mitgewirkt wurde, und eine differenzierte Auflistung der relevanten Fähigkeiten. Darüber hinaus können Kontaktdaten, persönliche Interessen und weitere wissenschaftliche Tätigkeiten - von Mitgliedschaften in wissenschaftlichen Vereinigungen bis hin zu Lehrtätigkeiten - angegeben werden. In der Kontaktliste kann sich der User mit anderen verlinken und über Netzwerke neue Kontakte knüpfen. Forscher mit gleichen Interessen können sich in virtuellen Gruppen organisieren, die jeder User gründen und verwalten kann. Dort können sich Forscher austauschen, auf neueste Publikationen hinweisen oder ihre Ergebnisse diskutieren.

Die Organisation von Verabredungen zu Meetings, Telefon- oder Online-Konferenzen erleichtert das ResearchGATE-Tool ReMeet, eine Art Gruppenkalender, den man laufend aktualisieren kann. Zusätzlich bietet ResearchGATE einen Veranstaltungsbereich an, in dem jeder Benutzer Veranstaltungen, zum Beispiel Kongresse oder Workshops eintragen kann. Die Benutzer können sich mit Veranstaltungen "verlinken" und eine Plattform bilden, auf der im Vorfeld der Veranstaltung Meetings verabredet oder im Nachhinein Vorträge diskutiert oder Abstracts und Poster hochgeladen und ausgetauscht werden können. Die anderen User können unter dem angegebenen Profil sehen, welchen Gruppen und Veranstaltungen der ResearchGATE-Nutzer beigetreten ist. So findet man schnell und zielführend weitere Forscher mit ähnlichen Interessen oder Veranstaltungen zur gleichen Thematik.

Über eine Nachrichtenfunktion können die Nutzer auch direkt miteinander kommunizieren. Alle eingegangenen und gesendeten Nachrichten lassen sich in einem einfach zu bedienenden Menü archivieren. Interessant ist das ResearchGATE-Menü ReStory. Mit diesem können Wissenschaftler gemeinsam an Veröffentlichungen, Forschungsanträgen oder anderen Unterlagen arbeiten. Änderungen sind für jeden Beteiligten einsehbar. Die jeweils aktuellen Versionen werden mehrfach auf Servern gesichert. Das erspart das ständige Hin- und Herschicken von E-Mails.

Mit einer umfangreichen und differenzierten Suchfunktion kann der Benutzer sehr gezielte Anfragen stellen, um zum Beispiel Personen mit speziellem technischem oder theoretischem Know-How ausfindig zu machen oder thematisch nach Gruppen und Veranstaltungen zu suchen. Seit kurzem enthält der Such-Algorithmus namens ReSearch auch semantische Elemente, mit der die Suchmaschine auch Wortzusammenhänge erkennen kann. Die Qualität der Such-Resultate erhöht sich dadurch deutlich.

Neben Einzel-Usern haben auch bereits bestehende Netzwerke, etwa Forschungsprojekte, wissenschaftliche Vereinigungen oder PhD-Programme, die Möglichkeit ihre interne Konversation über ResearchGATE zu organisieren. Wenn die beteiligten Personen weit verstreut voneinander arbeiten, kann ResearchGate die Kommunikation deutlich erleichtern. Das ResearchGATE-Team entwickelt dazu Sub-Communities mit Zusatzfunktionen, in denen der interne Austausch der Projekte isoliert von der Plattform stattfindet, jeder Nutzer aber in alle Funktionen integriert ist. Inzwischen nutzen schon etliche Wissenschafts-Organisationen diese Funktion, etwa die European Science Foundation, das Max Planck PhD Net, der Exzellenzcluster an der Medizinischen Hochschule Hannover und das German Academic International Network, das seine Kommunikation über ReserchGATE abwickelt.

Die Anwendungen von ResearchGATE werden laufend aktualisiert und erweitert. So arbeitet das ResearchGATE-Team derzeit an einer Social Graph-Funktion, die jedem Nutzer ein graphisches und inhaltliches Netzwerk unter Einbeziehung der persönlichen wissenschaftlichen Arbeiten zeichnet. Darüber hinaus entwickelt es eine Funktion, mit der man mittels integriertem Voice-over-IP System und Online Presenter, Besprechungen, Seminare oder Konferenzen online führen kann. Außerdem will ResearchGATE demnächst auch eine Jobbörse in die Plattform integrieren.

IJAD MADISCH
(CEO, ResearchGATE)




Letzte Änderungen: 17.10.2008