Editorial

Tipp 171: Gewebeträger
So natürlichwie nur möglich

Zellen, die zu einem Gewebe reifen sollen, wollen gehätschelt werden. Mit einem Regensburger Gewebeträger gelingt dies.

Die effiziente Vermehrung von Zellen ist mit konventionellen Kulturschalen und serumhaltigen Medien problemlos möglich. Zellen, die sich zu spezialisierten Geweben entwickeln sollen, benötigen jedoch mehr. Sie brauchen spezielle extrazelluläre Matrixproteine, je nach verwendetem Zelltyp eine plane oder poröse Oberfläche für eine optimale Adhäsion und räumliche Entwicklung, ein kontrolliertes Flüssigkeitsmilieu und individuelle morphogene Faktoren. Um reifenden Geweben zumindest einige ihrer Bedürfnisse zu erfüllen, entwickelten wir am Institut für Molekulare und Zelluläre Anatomie der Universität Regensburg mit den so genannten Minusheets ein modulares Kultursystem (Will Minuth und Lucia Denk, Clin. Transl. Med. 2012 Oct 5;1(1):22).

Trick 171

Minusheets passen in verschiedene Perfusionskulturcontainer, um möglichst natürliche Bedingungen für Gewebekulturen zu erhalten.

Für eine optimale Adhäsion der Zellen verwendet man Minusheet-Gewebeträger. Diese bestehen aus einem Haltering und einem Spannring. Je nach Zelltyp können individuell ausgewählte Biomaterialien wie Membranen, Filter, Folien, Vliese, Schwämme oder Scaffolds mit einem Durchmesser von bis zu 13 mm eingesetzt werden. Nach der anschließenden Sterilisation können die Gewebeträger zur Besiedlung mit ­Zellen in eine 24-Well-Kulturplatte eingelegt werden.

Das Seeding kann sowohl mit einem Zelltyp als auch bei Co-Kulturen durch Wenden des Trägers mit einem weiteren Zelltyp erfolgen. Für die weitere Kultur werden die Gewebeträger mit einer Pinzette in einen ausgesuchten Perfusionscontainer überführt. Hier werden zum Beispiel reifende Knorpel- oder Knochenkonstrukte gleichmäßig mit frischem Kulturmedium versorgt. Epithelzellen dagegen können in einem Gradientencontainer gehalten werden, wo sie wie unter natürlichen Bedingungen luminal und basal unterschiedliche Medien erhalten. Soll die Entwicklung der Zellen optisch verfolgt werden, kann man mit einer Mikroskopkammer arbeiten. Mit dieser Technik lässt sich auf sehr einfache Weise die Interaktion von Zellen mit einer Vielzahl an Biomaterialien untersuchen.

Die Durchführung einer Perfusionskultur findet im typischen Fall auf einem Labortisch, unter atmosphärischer Luft und meist über Wochen statt. Eine Wärmeplatte sorgt für die richtige Temperatur in den verwendeten Perfusionscontainern. Während der Kultur transportiert eine Peristaltikpumpe über spezielle Silikonschläuche frisches Kulturmedium zum reifenden Gewebe in einen Perfusionscontainer. Da die Silikonschläuche gaspermeabel sind, steht dem reifenden Gewebe jederzeit genügend Sauerstoff zur Verfügung.

Das verbrauchte Kulturmedium wird in einer Abfallflasche gesammelt und nicht wieder re-perfundiert. Arbeitet man bei der Kultur mit chemisch definierten Medien, erhält man mit dem geschilderten Versuchsaufbau äußerst kontrollierte Versuchsbedingungen. Mehr Details und Tipps für die Kultur von adhärenten Zellen finden Sie in dem von Will Minuth and Lucia Denk geschriebenen Lehrbuch „Advanced culture experiments with adherent cells: From single cells to specialized tissues in perfusion culture“ (2011; ISBN 978-3-88246-330-9), das über den Link http://epub.uni-regensburg.de/21484/ kostenlos als PDF heruntergeladen werden kann.

Falls Sie die hier vorgestellte Kulturtechnik verwenden wollen, finden Sie unter www.minucells.de weitere Informationen zu den Minusheets und können diese dort auch bestellen.

Will M. Minuth

 




Letzte Änderungen: 10.07.2013