Editorial

Tipp 172: Der persönliche Papersammler

Trick 172

Mit der App Recently halten Sie ihre wissenschaftliche Literatur auf dem Laufenden.

„Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit um Papers zu lesen“ seufzte Angela oft, die mit mir zusammen promovierte, und fügte ratlos hinzu: „und wenn ich nur wüsste, was ich lesen sollte“. Auch mich plagte während meiner Doktorarbeit stets das schlechte Gewissen. Ich hatte immer das Gefühl, nie genug zu lesen und Angst, wichtige, für meine Forschung relevante Artikel, zu verpassen.

Die Dimension dieses Traumas wird anhand aktueller Publikationszahlen deutlich. Die Literaturdatenbank Pubmed indiziert inzwischen jedes Jahr über eine Million neue biomedizinische Publikationen. Das sind im Schnitt mehr als 2.500 pro Tag. Gleichzeitig sind die Forschungsinteressen der Wissenschaftler so stark zersplittert, dass es mit einem sinnvollen Zeitaufwand beinahe unmöglich ist, die persönlich relevanten Publikationen zu überblicken.

Keine wirklichen Alternativen

Wie aber sehen die Alternativen zur mühsamen, regelmäßigen manuellen Literaturrecherche am Arbeitsplatz aus? Man kann bei vielen Journals die Inhaltsverzeichnisse abonnieren oder auch direkt bei Pubmed Erinnerungsmails einrichten, die auf vorher festgelegten Schlagworten beruhen. Wer je versucht hat, so auf dem aktuellen Stand der Forschungs-Literatur zu bleiben, weiß, wie umkomfortabel diese Methoden sind. Trotz thematischer Einschränkung werden häufig Publikationen vorgeschlagen, die keinerlei Bezug zu den eigenen Forschungsinteressen aufweisen – und viele wichtige werden verpasst.

Um dieses Problem zu lösen, habe ich mit Unterstützung von Thasso Griebel, das Programm „Recently“ entwickelt (http://recentlyapp.com). Recently ist eine webbasierte App, die es Wissenschaftlern und Ärzten ermöglicht, mit der persönlich relevanten Literatur Schritt zu halten und diese regelmäßig zu aktualisieren. Die App funktioniert denkbar einfach. Nach der Nutzerregistrierung, bei der nur eine funktionierende E-Mail-Adresse angegeben werden muss, fragt die App nach drei persönlich relevanten Publikationen. Nach der Eingabe von Autorennamen oder Wörtern aus den Publikationstiteln weiß Recently, welche Veröffentlichungen gemeint sind. Nach der Registrierung bekommt der Nutzer eine Liste aktueller und nach Relevanz sortierter Publikationen präsentiert.

Durch klicken oder tappen auf die vorgeschlagenen Publikationstitel erscheinen die Zusammenfassungen der Artikel. Besonders relevante Paper kann man markieren und in einer gesonderten Liste speichern. Dies wirkt sich direkt auf die zukünftigen Literaturvorschläge aus. Recently lernt mit der Zeit und wählt die relevanten Publikationen immer exakter aus. Wenn ein vorgeschlagenes Paper nicht wichtig erscheint, kann man dies ebenfalls markieren (endlich: der dislike Button!), und die Publikation verschwindet aus dem Feed. Links zu interessanten Artikeln können per E-Mail verschickt, oder mit Facebook und Twitter mit Freunden geteilt werden.

Wir haben Recently so entwickelt, dass die Oberfläche auf Computerbildschirmen und mobilen Geräten gut lesbar und leicht zu bedienen ist. So ist es möglich, auch einfach mal zwischendurch, auf dem Weg zur Arbeit, in einer Pause oder in einem langweiligen Vortrag durch neu vorgeschlagene Papers zu scrollen, ohne viel Zeit zu verlieren.

Die App ist kostenlos und seit Mitte Mai unter Recentlyapp.com online. Erste Rückmeldungen der Nutzer klingen vielversprechend. Viel Lob gibt es für das Design und die intuitive, einfache Benutzerführung. Aber auch die personalisierten Literaturvorschläge – also der eigentliche Zweck der App – bewerten die User positiv. Repräsentativ für etliche E-Mails, die uns erreicht haben, steht vielleicht die kurze Nachricht einer Nutzerin, die sich dafür bedankt, dass sie mit Hilfe von Recently gerade noch ein relevantes Paper fand, das sie am darauffolgenden Tag im Literaturseminar vorstellen konnte.

Vorschläge erwünscht

Und wie geht es weiter mit Recently? Neben der stetigen Verbesserung des „Vorschlags-Algorithmus“, der möglichst treffsicher relevante Publikationen auswählen soll, arbeiten wir an der Integration weiterer Funktionen. So wollen wir Nutzern erlauben, mehrere Profile anzulegen, um so in unterschiedlichen Forschungsfeldern auf dem neuesten Stand zu bleiben. Zudem wollen wir mehr Inhalte der vorgeschlagenen Publikationen anbieten.

Aktuell sammeln wir noch weitere Ideen, wie Recently verbessert werden kann. Also einfach bei Recentlyapp.com anmelden, testen, weitersagen, wiederkommen und eine E-Mail schicken mit Eindrücken und Verbesserungsvorschlägen. Und nie mehr ein schlechtes Gewissen haben, zu wenige oder die falschen Papers zu lesen.

Tobias Maier

 




Letzte Änderungen: 29.08.2013