Editorial

Tipp 212: Open Science Hardware

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Foto: Alexander Kutschera

Preprint-Server, pre-Registration wissenschaftlicher Studien, frei verfügbare Protokolle und Open-Access-Publikationen – Open Science hat bereits viele Fachbereiche erobert. Der Forschungsprozess soll durch sie transparenter werden und auch Forschern mit wenig Ressourcen ermöglichen, robuste Ergebnisse zu erzielen.

Die Open Science-Bewegung verändert die Art und Weise, wie wir Forschung betreiben. In einer Zeit, in der das gängige wissenschaftliche Belohnungssystem (nicht unbegründet) kritisiert wird, entstehen immer mehr basisorientierte Bewegungen mit dem Ziel, auch die entlegensten wissenschaftlichen Zweige offener zu gestalten. Aber macht es wirklich Sinn, alles offen zu betreiben, und ist eine offene Wissenschaft überhaupt möglich?

Mitarbeiter großer Universitäten genießen den Luxus, kostenfrei auf die meisten wissenschaftlichen Artikel zugreifen zu können – ihr Arbeitgeber hat bereits bei den Verlagen für den freien Zugang zu den Artikeln bezahlt. Möchte man die Artikel aber außerhalb des internen Universitäts-Netzes lesen, muss man selbst für sie bezahlen. Angesichts der Preise für die Artikel wird dann schnell deutlich, dass die Ergebnisse vieler wissenschaftlicher Forschungsarbeiten nur von privilegierten Personengruppen gelesen werden können. Der Auftrag der Wissenschaftler, ihre Forschungsergebnisse für jeden verfügbar zu machen, steht dabei im Konflikt mit der angemessenen Bezahlung der Verlags-Mitarbeiter. Der Einwand, dass Peer-Review enorme Ressourcen verschlingen würde und die Preise daher gerechtfertigt wären, ist jedoch nicht stichhaltig – die Reviewer werden in aller Regel nicht von den Verlagen bezahlt. Zudem ist der Peer-Review-Prozess auch in der offenen Wissenschafts-Community möglich.

Open-Access-Publikationen umgehen dieses Dilemma, indem sie vom Leser kein Geld verlangen und der interessierten Öffentlichkeit Zugang zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen ermöglichen. Besonders in der Bioinformatik ist es wichtig, jede Einstellung nachvollziehen zu können und Zugang zur genutzten Software zu haben. Nur so kann jeder die veröffentlichten Ergebnisse reproduzieren und eigene mit den publizierten Werten vergleichen.

Ähnlich verhält es sich mit dem Zugang zu einer guten Labor-Ausstattung. Auch dieser hängt letztlich vom Geld ab, das zur Verfügung steht. Im Laboralltag benötigt man vielerlei Gerätschaften, vom einfachen Mikroreagenz-Gefäß bis hin zu komplexen Messinstrumenten. Experimentelle Aufbauten werden sehr stark von den verwendeten Geräten und deren Technik bestimmt, die auf dem freien Markt erworben oder sogar individuell angefertigt werden müssen. Wenn die Instrumente oder Laborgeräte nur von einem oder wenigen Herstellern produziert werden und/oder Baupläne nicht öffentlich zugänglich sind, kann dies zur Monopolisierung führen – was sich regelmäßig in hohen Preisen äußert. Selbst für finanziell gut ausgestattete Institutionen und Wissenschaftler sind die Kosten dann häufig zu hoch.

Aus diesem Grund ist es nur konsequent, auch eine neue Offenheit bei der Herstellung und Nutzung von Materialien, Instrumenten und Geräten in wissenschaftlichen Laboratorien zu fordern. Aber ist das überhaupt umsetzbar? Schließlich ist es wesentlich komplizierter, einen physischen Gegenstand öffentlich zugänglich zu machen und zu kopieren, als einen Text oder einen Computer-Code.

Mittlerweile stehen für die Nachbildung von Gegenständen jedoch weit mehr Möglichkeiten zur Verfügung als noch vor ein paar Jahren. So führte der Ablauf von Patenten und das Aufgreifen durch die Maker- und Do-It-Yourself-(DIY)-Bewegung zu einer rasanten Weiterentwicklung und Verbreitung von 3D-Druck-Technologien. Heutzutage liegen die Kosten für die Anschaffung eines 3D-Druckers inklusive Verbrauchsmaterialien unter 200 Euro und machen diese damit auch für Privatpersonen erschwinglich.

Kreative Lösungen

Hierdurch entstand unter anderem auch eine Gemeinschaft, die es sich zum Ziel setzte, 3D-Modelle von Laborutensilien herzustellen und die dazu nötigen Anleitungen zu veröffentlichen. Für die meisten Standardanwendungen stehen bereits qualitativ hochwertige und kostengünstige Lösungen von verschiedenen Firmen zur Verfügung. Für viele Experimente sind jedoch spezielle Geräte, Verbrauchsmaterialien und eine anwendungsspezifische Ausstattung nötig. In diesen Fällen muss man entweder die experimentellen Abläufe modifizieren – oder kreative Lösungen finden.

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Adriana Trutzenberg und Alexander Kutschera sind Doktoranden an der TU München. Trutzenberg beschäftigt sich mit molekularen Mechanismen in Wirt-Parasit-Beziehungen bei Nutzpflanzen während Kutschera an der Biologie Pflanzen-assoziierter Bakterien interessiert ist. Sie sind begeisterte Bastler und lieben es mit dem 3D-Drucker Laborutensilien zu drucken, oder auch komplexere Laborgeräte nachzubauen, und für ihre Experimente neu zu erfinden. Beide treten für die Verbreitung offener Wissenschaft ein. Fotos: Alexander Kutschera

3D-gedruckte Utensilien sind eine einfache und elegante Alternative zu Klebeband und wackeligen Konstruktionen. Mit einem 3D-gedruckten Ständer und ein paar Neodym-Magneten kann man sich zum Beispiel selbst eine magnetische Halterung (magnetic rack) für die auf magnetischen Beads basierende Proteinaufreinigung bauen. Dabei spart man bereits mehrere hundert Euro, die sogar die Anschaffungskosten eines günstigen 3D-Druckers übersteigen. Außerdem lassen sich individuell angepasste Ständer in jeglicher Form und Größe für Gefäße herstellen, für die es oft keine oder nur unzureichende zu kaufen gibt.

Aber wie verhält es sich mit Messinstrumenten und komplexen Geräten mit mechanischen und elektronischen Komponenten, die für Experimente oft benötigt werden? Auch hier entwickeln (DIY-)Wissenschaftler und Bastler Alternativen. Wie einfach es häufig ist, ein neues Gerät zu designen oder nachzubauen, zeigt sich, wenn man über eine Internet-Suche auf unzählige Blogs und Repositories mit entsprechenden Anleitungen stößt. Auf Seiten wie hackster.io, techradar.com oder instructables.com findet man detaillierte Protokolle, Links zu günstigen Materialien und oft ein Video zu vielen Projekten, die man nachbauen und für seinen eigenen Bedarf anpassen kann.

Die Angst, etwas falsch oder kaputt zu machen, schwindet schnell, wenn man von den Erfahrungen und fast liebevollen Tipps der Autoren liest. Ein erfolgreiches Beispiel ist das OpenFlexure Microscope, ein 3D-druckbares Mikroskop, das mit wenigen elektronischen Komponenten sogar das Betrachten von Bakterien ermöglicht (Rev Sci Instrum 87, 025104). Ähnlich interessant ist die offene und modulare Experimentierplattform FlyPi, mit der man neurowissenschaftliche Versuche mit hoher Präzision kostengünstig durchführen kann (PLoS Biol. 15(7): e2002702).

Natürlich gibt es hier auch Grenzen, denn nicht jedes Gerät kann aus 3D-gedruckten oder mit dem Lasercutter erzeugten Teilen hergestellt werden. Oft ist auch eine komplexe Elektronik und die Feinabstimmung der Sensorik ein Hindernis. Mit jedem neuen Bastler entstehen jedoch kreative Ideen, die diese Grenzen erweitern.

Dass Open Science Hardware dabei ist, eine immer größere Nische auszufüllen, zeigt sich auch in der Gründung neuer wissenschaftlicher Journale wie Hardware oder Journal of Open Hardware, das durch die Bewegung Gathering for Open Science Hardware (GOSH) initiiert wurde. GOSH ist ebenfalls verantwortlich für die Entwicklung der Global Open Science Hardware Roadmap, die das Ziel hat, Open Science Hardware bis zum Jahr 2025 allgegenwärtig zu machen.

Schneller Überblick

Dazu tragen auch die genannten DIY-Webseiten bei, auf denen Projekte unkompliziert geteilt werden können. Aber auch Sammlungen wissenschaftlich nutzbarer aber nicht publizierter Entwicklungen, wie zum Beispiel die Neurowissenschaften-spezifische Webseite www.openeuroscience.com, sind wichtig, um Forschern schnell einen Überblick über bereits verwirklichte Projekte zu geben.

Wir haben in diesem Zusammenhang die Plattform http://openplant.science gegründet, um unseren eigenen Kreationen, aber auch anderen Projekten aus den Pflanzenwissenschaften eine Bühne zu geben. Jeder ist eingeladen, den Blog mitzugestalten, so dass er für andere als Ressource und im besten Fall als Inspiration dient. Wir hoffen, damit einen Beitrag für eine transparente, faire und produktive Zukunft der Forschung, insbesondere in den Pflanzenwissenschaften, zu leisten.

Adriana Trutzenberg & Alexander Kutschera



Letzte Änderungen: 05.06.2018