Editorial

Tipp 215: Nukleinsäure-Extraktion mit BOMB-Beads


Comic: Karl-Richard Reutter

Die Nukleinsäure-Extraktion mit Silica-Säulchen ist teuer und nicht für den Hochdurchsatz geeignet. Eine günstige und automatisierbare Alternative sind BOMB-Beads.

Würden Sie schreiend davonlaufen, wenn ­Ihnen Ihr Chef am Morgen aufträgt, noch heute 400 Proben RNA oder DNA zu isolieren? Oder denken Sie sich: “Wenn ich gleich anfange, ist in der Mensa sicher noch Pudding übrig.” Wenn Sie wissen wollen, wie Ihnen magnetische Beads bei der Nukleinsäure-Extraktion helfen, Zeit und sehr viel Geld zu sparen, sollten Sie weiterlesen...

Seit Watson und Crick wissen wir, dass in RNA und DNA die gesamte vererbbare biologische Information eines jeden Organismus gespeichert ist. Daher gehören die Isolation und Manipulation von Nukleinsäuren zu den häufigsten und wichtigsten Aufgaben in biologischen und biochemischen Labors. Grundsätzlich können Nukleinsäuren aus unterschiedlichen Quellen isoliert werden: Bakterienkulturen, pflanzlichen oder tierischen Zellen, Geweben, Blutplasma, In-vitro-Reaktionen sowie Proben aus der Umwelt, zum Beispiel aus Gewässern.

Kein Hochdurchsatz

Die meisten etablierten Methoden zur Extraktion von Nukleinsäuren verwenden entweder eine Silica-basierte Säulentechnologie oder Zentrifugen – oft auch beides. Diese Protokolle sind jedoch nur in den seltensten Fällen für die immer wichtiger werdenden Hochdurchsatzverfahren geeignet. Das liegt zum einen daran, dass die meisten handelsüblichen Zentrifugen nur 24 bis 30 Proben gleichzeitig aufnehmen können. Zum anderen lässt sich der Prozess weder mit Multi­kanalpipetten noch Pipettierrobotern signifikant beschleunigen. Außerdem sind Silica-Säulen im Vergleich zu anderen Techniken sehr teuer, was sich vor allem bei großen Probenmengen bemerkbar macht.

Magnetische Kügelchen (Beads) aus kleinen Nano- oder Mikropartikeln sind eine Lösung für dieses Problem. Zwei Eigenschaften machen sie für die Extraktion von Nukleinsäuren besonders interessant: Die Fähigkeit zur sogenannten Solid-Phase Reversible Immobilisation (SPRI) sowie ihr magnetisches Potenzial. Die Beads binden Nukleinsäuren reversibel und können durch einen starken Magneten über mehrere Wasch- oder Manipulationsschritte sicher immobilisiert werden. Die entsprechenden Protokolle sind sehr einfach zu skalieren und funktionieren ohne Zentrifugen. Zudem kann man die verwendeten Materialien sehr günstig kaufen oder sogar selbst herstellen. Außerdem lassen sich Bead-basierte Protokolle mit Pipettierrobotern automatisieren.

Dennoch sind bis heute nur sehr wenige Open Source-Protokolle verfügbar, die magnetische Nanopartikel (MNPs) für die Nukleinsäure-Extraktion verwenden. Die offene Plattform Bio-On-Magnetic-Beads (BOMB) soll dies ändern (https://bomb.bio). Sie enthält detaillierte Protokolle von neuen und bekannten MNP-basierten Isolierungs- und Manipulations­methoden für Nukleinsäuren.

Der Nutzer findet neben Anleitungen für die überraschend einfache Synthese von ­MNPs, inklusive ihrer Funktionalisierung mit einer Silica- oder Carboxyloberfläche, auch Instruktionen für die Herstellung kostengünstiger magnetischer Immobilisierungs-Racks für verschiedenste Reaktionsgefäße und Mikrotiter­platten. Wie man die hergestellten Beads und Racks für die Isolation und Aufreinigung von Nukleinsäuren aus verschiedenen Quellen verwendet, wird anhand von ausführlichen Protokollen im dritten Teil der BOMB-Plattform beschrieben.

Aus der Not geboren

Die Idee für BOMB entstand aus der Not heraus. In unserer Arbeitsgruppe am Institut für Biochemie und Technische Biochemie der Universität Stuttgart setzten wir kommerzielle SPRI-Beads für bestimmte Anwendungen bereits ein. Für die klassische Plasmid-Isolation aus Bakterien oder RNA-Extraktionen aus menschlichen Zellen verwendeten wir jedoch noch immer kommerzielle Kits, die auf Silica-Säulen basierten. Uns wurde jedoch schnell klar, dass mit diesen die Umsetzung all unserer geplanten Projekte und Experimente schwierig bis unmöglich werden würde. Budget und Arbeitskraft sind in kleinen Arbeitsgruppen Mangelware, und die Konkurrenz bei unseren Forschungsthemen ist groß. Da selbst Doktoranden ab und an schlafen müssen, konnten wir nicht einfach nur noch mehr arbeiten und die etablierten Methoden verwenden – wir mussten cleverer sein und Alternativen finden.

Inspiriert von bereits bestehenden MNP-basierten Protokollen und der Möglichkeit, MNPs selbst zu synthetisieren, suchten wir nach einfachen, kostengünstigen, skalierbaren und vor allem zuverlässigen Bead-basierten-Methoden für die gängigen Nukleinsäure-Isolationen.


BOMB basiert auf dem Zusammenspiel magnetischer Nanopartikel (grün), Immobilisierungs-Racks (blau) sowie verschiedener Protokolle (rot). Illustration: BOMB-Plattform

Gemeinsame Entwicklung

Wir schlossen uns schließlich mit Timothy Hores Arbeitsgruppe von der Universität Otago, Neuseeland, zusammen und gründeten die BOMB-Plattform. Im Jahr darauf entwickelten wir gemeinsam mehr als zwanzig Protokolle zur Isolation und Manipulation von DNA, RNA und Gesamt-Nukleinsäuren (Total Nucleic Acid, TNA), die auf der BOMB-Web­site und in dem dazu gehörenden Paper zu finden sind (bioRxiv 414516).

Die BOMB-Protokolle sind so konzipiert, dass der Nutzer sie in beliebigem Maßstab skalieren kann: Von 0,2 ml-Gefäßen über die oft verwendeten 1,5 ml-Gefäße bis hin zu mehreren 96-Well-Mikrotiterplatten gleichzeitig ist alles möglich. Ohne zeitaufwändige und umständliche Zentrifugationsschritte sind die BOMB-Protokolle bestens für Automatisierungsprozesse durch Pipettierroboter geeignet – das spart enorm viel Zeit und erlaubt einen noch höheren Durchsatz.

BOMB ist sowohl zuverlässig als auch anwenderfreundlich. Die Arbeitsgruppe in Otago lässt in studentischen Praktika Nukleinsäuren mit den BOMB-Methoden aus diversen pflanzlichen und tierischen Geweben isolieren. In Stuttgart verwenden die Mitglieder der iGEM-Gruppe BOMB-Beads für ihre Projekte und erzielen damit hervorragende Ergebnisse.

Eine Charge BOMB-Beads kann für jede Art von Nukleinsäure verwendet werden. Einfache Silica-beschichtete Beads eignen sich für die Isolation von genomischer DNA, RNA, Bisulfit-konvertierter-DNA, Plasmiden, PCR-Produkten und vielem mehr. Auch der Großteil der optimierten Puffer wird in mehreren BOMB-Protokollen verwendet, was den Arbeitsaufwand im Labor enorm reduziert.

Deutlich günstiger

Die größte Hürde bei der Etablierung von Hochdurchsatz-Protokollen ist das ­Budget. Kommerzielle Lösungen sind teuer und für viele Labors nicht finanzierbar. Doch das muss nicht sein. Nicht nur ist die Qualität und Quantität der mit BOMB isolierten Nukleinsäuren mindestens ebenbürtig oder sogar besser als bei kommerziellen Extraktionsverfahren. Die Isolation von Nukleinsäuren mit BOMB ist auch um das Zehn- bis Hundertzwanzigfache günstiger. Alle Bestandteile der BOMB-Plattform sind in den meisten molekularbiologischen Labors vorhanden oder können für wenig Geld erworben werden.

Da für die meisten BOMB-Protokolle weder Zentrifugen oder andere größere Geräte noch Strom benötigt werden, eignen sie sich hervorragend für den Feldeinsatz. Alles, was man braucht, sind BOMB-Beads, ein Magnet und die jeweiligen Puffer. Ob in der Wüste, im Dschungel, am Strand oder einfach im Labor – BOMB erlaubt die Isolation von Nukleinsäuren an jedem Ort.

Wir sehen in der BOMB-Methode aber mehr als nur eine Publikation. Von ihr sollen alle Wissenschaftler profitieren – unabhängig von ihrer jeweiligen fachlichen Spezialisierung. Ihr Zuhause findet diese Community auf der BOMB-Website, in die auch ein Forum ­integriert ist. Hier können alle Interessierten Fragen stellen, Erfahrungen weitergeben und neue oder verbesserte Protokolle hochladen. Das Ziel ist der Aufbau eines Netzwerks, in dem Wissenschaftler, Mediziner, Freiberufliche und andere ihr Wissen austauschen, um gemeinsam die Kosten und den Aufwand für solide, schnelle und präzise Forschung zu senken.

Einfache Umstellung

Wir sind uns bewusst, dass es oft bequemer ist, an etablierten Methoden festzuhalten, weil die Umstellung auf neue Protokolle meist Zeit und Mühe kostet – vor allem, wenn „kommerziell“ auch noch zuverlässiger klingt als „selbstgemacht“. Bei BOMB sind diese Bedenken jedoch unbegründet. Es hat uns zwar einige Zeit gekostet, die BOMB-Protokolle zu entwickeln und zu optimieren. Die Arbeitsgruppen, mit denen wir unsere Beads und Protokolle im Vorfeld teilten, konnten ihre Methoden jedoch innerhalb weniger Tage weitestgehend oder sogar komplett durch die BOMB-Techniken ersetzen.

Wenn es Fragen zur Umstellung auf BOMB gibt, sind wir nur einen Klick entfernt, um Ihnen bei der Etablierung der Technik zu helfen. Schreiben Sie uns direkt über unser Kontaktformular oder teilen Sie Ihre Fragen mit anderen Wissenschaftlern im BOMB-Forum. Wir freuen uns darauf, Sie bei der Nukleinsäure-Extraktion mit BOMB zu unterstützen.

Phil Oberacker, Peter Stepper & Tomasz Jurkowski



Letzte Änderungen: 06.11.2018