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Tipp 219: Zentrifuge mit Rotationssymmetrie austarieren

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Was hier aussieht wie eine antike Feuerstelle, war tatsächlich einmal der Rotor einer Ultrazentrifuge, den es in vollem Lauf zerrissen hat. Ganz so dramatisch enden schlecht austarierte Tischzentrifugen zwar nicht. Ungefährlich sind aber auch sie nicht. Foto: AIHA

Die Rotoren von Zentrifugen müssen symmetrisch mit gleich schweren Zentrifugenröhrchen beladen werden, um eine Unwucht des Rotors zu verhindern. Bei ungeraden Probenzahlen verwendet man dazu meist ein zusätzliches mit Wasser gefülltes Röhrchen. Man kann den Rotor aber auch ohne diesen Blank mithilfe der Rotationssymmetrie ausbalancieren.

Die Tischzentrifuge ist für Biowissenschaftler ein Routine-Arbeitsgerät. Wenn der Zen­trifugen-Rotor jedoch ungleichmäßig beladen wird, führt dies im harmlosesten Fall zu Vibrationen. Bei Tischzentrifugen, die weit über 10.000 Umdrehungen pro Minute erreichen, kann dies aber auch dazu führen, dass die Zentrifuge wie eine ungleichmäßig beladene Waschmaschine davon hüpft oder sich im schlimmsten Fall selbst zerlegt. Aus diesem Grund stoppen die meisten modernen Zentrifugen selbstständig, wenn sie nicht richtig austariert sind und anfangen zu vibrieren.

Die Rotoren handelsüblicher Tischmodelle haben meist 12, 24 oder 30 Steckplätze für Zentrifugenröhrchen. Will man mehrere Röhrchen gleichzeitig zentrifugieren, etwa um ein Pellet aus präzipitierter DNA herzustellen, muss man die Röhrchen so in dem Rotor anordnen, dass kein Ungleichgewicht entsteht.

Bei geraden Zahlen simpel

Für eine gerade Anzahl von Proben ist dies mithilfe der zweifachen Rotationssymmetrie einfach zu erreichen: eine Hälfte der Röhrchen wird auf einer Seite des Rotors platziert, die andere auf der gegenüberliegenden (siehe Abbildung auf Seite 65, Spalten ii, iv und vi). Bei einer ungeraden Anzahl von Röhrchen funktioniert diese Strategie jedoch nicht. Meist ergänzt man die ungerade Zahl mit einem zusätzlichen Röhrchen, das als Blank dient und die zweifache Symmetrie wiederherstellt.

Es gibt aber auch eine elegantere Lösung für 3, 9, 15 und andere ungerade Anzahlen von Proben, die durch 3 teilbar sind. Man orientiert sich an der dreifachen Rotationssymmetrie, die zum Beispiel Windräder oder der Mercedes-Stern aufweisen, und steckt die Röhrchen in die entsprechenden Löcher (siehe Abb., Spalte iii). Dies funktioniert für alle Zentrifugen, bei denen die Anzahl der Steckplätze durch 3 teilbar ist, zum Beispiel solche mit 12, 24 oder 30 Steckplätzen.

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Aber auch für 5, 7, 11 und andere Zahlen, die nicht durch 2 oder 3 teilbar sind, ist eine perfekt ausbalancierte Beladung des Rotors möglich. Dies liegt daran, dass alle ungeraden Zahlen, einschließlich der Primzahlen, die Summe aus einer geraden Zahl und 3 sind. Die Dreiergruppe wird mit der dreifachen Rotationssymmetrie ausgeglichen, die verbliebenen Röhrchen mit einer geraden Anzahl werden paarweise anhand der zweifachen Rotationssymmetrie in gegenüberliegenden Steckplätzen platziert (Spalten i und v). Obwohl diese Anordnung dem gesunden Menschenverstand scheinbar widerspricht, läuft die Zentrifuge rund!

Tatsächlich lassen sich für alle Stichprobengrößen k in einer Standardzentrifuge mit n Steckplätzen, bei denen n durch 2 und 3 teilbar ist, nur zwei Fälle nicht ausgleichen: ­k = 1 und k = n-1.

Der amerikanische Mathematiker Matt Baker beschreibt den mathematischen Hintergrund für diesen Zusammenhang sehr schön in seinem Blog-Eintrag: The Balanced Centrifuge Problem (https://mattbaker.blog/2018/06/25/the-balanced-centrifuge-problem).

Der Zahlentheoretiker Gary Sivek hat das Problem sogar für eine theoretische Zentrifuge mit einer beliebigen Anzahl von Proben gelöst: k identische Zentrifugenröhrchen für die gilt 1 ≤ k ≤ n kann man in einer Zentrifuge mit n Steckplätzen nur dann ausgleichen, wenn sowohl k als auch n - k als Summe der Primteiler von n ausgedrückt werden können (Integers, 10(3), 365-8).

Für n=21 und k=6 gilt zum Beispiel: 6=3+3 und 21-6=15=3+3+3+3+3. In diesem Fall ließe sich die Zentrifuge also ausbalancieren. Für k=10 ginge es jedoch nicht, denn: 10=3+7 aber n - k=11. 11 lässt sich jedoch nicht als Summe der Primteiler 3 und 7 darstellen.

Alle Lösungen auf einen Blick

Ich habe alle in der Praxis für gängige Zentrifugen vorkommenden Möglichkeiten dargestellt (siehe Abbildung) und bei Twitter gepostet (https://twitter.com/DerekSeveri/status/1087741624854241280). Zudem habe ich meinen R-Code auch auf GitHub (https://github.com/derekLS1/BalanceCentrifuge) veröffentlicht, wodurch Interessierte ihre eigenen hochauflösenden Bilder zum Drucken erstellen können.

Der Tweet erreichte unter anderem auch den Bioinformatiker Bastian Greshake Tzovaras, der meinen Code so editierte, dass das Programm nun auch auf mybinder.org ausgeführt werden kann. Die bisher notwendige Installation von R wurde hierdurch überflüssig, der Code kann von meiner GitHub-Seite aus auch via Webbrowser oder Handy ausgeführt werden.

Derek Lundberg
(Derek Lundberg ist seit 2014 Postdoc in Detlef Weigels Gruppe am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen)

Bitte beachten Sie: Dieser Tipp gilt NICHT für Ultrazentrifugen. Laborjournal hat bereits 2005 hierzu einen Leserbeitrag veröffentlicht. Mehr hier.


Sieht zwar manchmal ziemlich wild aus: Aber auch eine ungerade Anzahl Zentrifugenröhrchen, etwa 13 oder 23, lässt sich ohne zusätzlichen Blank in den Steckplätzen eines Zentrifugen-Rotors unterbringen, dass dieser perfekt austariert ist. Illustration: Derek Lundberg



Letzte Änderungen: 08.4.2019