Editorial

Tipp 220: Störenfried Phenol

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Trotz Silika-Spin-Säulen und Kits ist die RNA- Extraktion mit Phenol noch in vielen Laboren gebräuchlich. Die RNA sammelt sich in der oberen wässrigen Phase. Problematisch für Folgeexperimente sind Spuren von Phenol, die während der Extraktion in die RNA-Phase gelangen. Foto: Gruppe Jeroen Krijgsveld

Spectral-Content-Profiling-­Spektrometer versprechen eine genauere Bestimmung der RNA-Menge nach der Phenol-Extraktion als UV/Vis-Spektrometer. Aber wie zuverlässig sind sie tatsächlich?

Das A und O bei Genexpressions-Analysen mithilfe der quantitativen Real-Time-PCR (qRT-PCR) sind saubere RNA-Proben. Gerade wenn es um mehr als nur simple „Gen ist an oder aus“ Aussagen geht und man mehrere Proben quantitativ vergleichen will, ist Vorsicht geboten. Stimmen die bei der qRT-PCR eingesetzten RNA-Mengen nicht, misst man nur Hausnummern und kann die Expressions-Analyse gleich noch mal machen – falls man den Fehler überhaupt bemerkt.

Schuld an falsch bestimmten RNA-Mengen ist meist das im Extraktionsverfahren eingesetzte Phenol, das im weiteren Verlauf des Protokolls mitgeschleppt wird. Das Absorptions-Maximum von Phenol liegt zwischen 230 und 270 Nanometern und damit gefährlich nahe am Absorptions-Maximum von RNA (260 nm). Bei der Analyse extrahierter RNA mit UV/Vis-Spektrometern, die auf dem Verhältnis der Absorption bei 260 und 280 oder 260 und 230 Nanometern (A260/A280; A260/A230) basiert, führt dies im Handumdrehen zu überhöhten Werten.

Das A260/A280-Verhältnis für saubere RNA sollte etwa 2,0, dasjenige von A260/A230 1,8 bis 2,2 betragen. Ein fettes Absorptionssignal führt aber manchmal in die Irre: Es kann sowohl von reiner RNA stammen als auch von RNA, die mit Phenol verunreinigt ist. Phenol täuscht nicht nur falsche RNA-Mengen vor. Es hemmt auch bereits in kleinen Konzentrationen von 0,02 Prozent reverse Transkriptasen sowie Polymerasen.

Exakter mit Referenzspektren

Wesentlich genauer als konventionelle UV/Vis-Spektrometer sind sogenannte Spectral-Content-Profiling-(SCP)-Spektrometer. Mithilfe von Referenzspektren tasten SCP-Instrumente die untersuchte Probe auf Kontaminationen etwa mit Salzen, Proteinen sowie Phenol ab und filtern die Einzelspektren aus den Gesamt-Absorptionswerten heraus.

Alternativ kann man die RNA auch mit Fluoreszenzfarbstoffen anfärben und mit einem Fluorometer messen. Das hat jedoch einen Haken: Man kennt zwar die genaue RNA-Konzentration, steht aber im Hinblick auf mögliche Kontaminationen und deren negativen Einfluss auf reverse Transkriptase und Co. weiter im Dunkeln.

Ein Team um Ilka Axmann von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, zu dem auch Mitarbeiter der Biotech-Firma Qiagen gehörten, hat die Aussagekraft der drei Verfahren miteinander verglichen und die Auswirkungen von Phenol-Kontaminationen auf die qRT-PCR untersucht (Anal. Biochem. 571, 49-50).

Dazu versetzte die Gruppe saubere RNA-Proben (50 ng/µl) mit verschiedenen Phenol-Konzentration (0,0025 bis 0,1 Prozent) und bestimmte die Reinheit der RNA mit UV/Vis-Spektrometrie, SCP-Spektroskopie sowie Fluorometrie.

Das UV/Vis-Spektrometer maß selbst bei Proben mit 0,2 Prozent Phenol noch „akzeptable“ A260/A280-Werte. Je mehr Phenol die Probe enthielt, desto höher war die Absorption bei 260 Nanometern und damit die vorgetäuschte, zu hohe RNA-Konzentration. Die Gefahr ist hier also sehr groß, dass man wegen der vermeintlich guten RNA-Ausbeute zu wenig RNA in den Folgeexperimenten verwendet.

Unterschätzte RNA-Menge

Das SCP-Spektrometer entlarvte auch kleine Phenol-Verschmutzungen zwischen 0,0025 und 0,1 Prozent. Es maß jedoch ab einem Phenolgehalt von 0,015 Prozent wesentlich weniger RNA in der Probe, als sie tatsächlich enthielt.

Bei der Fluoreszenzfarbstoff-Methode blieb die ermittelte RNA-Konzentration unverändert – egal wie viel Phenol (bis 0,1 Prozent) zugegeben wurde. Der Farbstoff bindet nur RNA und ignoriert andere Substanzen, die in der Probe herumlungern. Ein Manko, abgesehen vom Preis, hat das Ganze dennoch: aus ungeklärten Gründen war der errechnete RNA-Gehalt mit circa 100 ng/µl doppelt so hoch wie der tatsächliche. Die Fluoreszenz-Methode ist also nicht besonders genau. Dafür ist sie sehr präzise und führt unabhängig von der Phenol-Kontamination zu reproduzierbaren Ergebnissen, wenn man immer die gleiche Menge RNA einsetzt.

Und wie wirken sich die falsch-gemessenen RNA-Konzentrationen auf die qRT-PCR aus? Um dies herauszufinden, führte die Gruppe eine Einschritt-qRT-PCR durch, bei der reverse Transkription und qPCR in einem Abwasch hintereinander ablaufen. Diese Technik ist schneller als die zweistufige Methode und auch für den Hochdurchsatz geeignet. Zudem verhindert sie Pipettierfehler. Aber sie hat auch einen Nachteil: Man hat keine Möglichkeit, zwischendurch kontrollierend einzugreifen oder ein cDNA-Aliquot als Reserve anzulegen, was die Suche nach Fehlern erschwert.

Verschobene Cq-Werte

Die Gruppe um Axmann schickte die mithilfe von UV/Vis- und SCP-Spektrometrie sowie Fluorometer vermessenen RNA-Proben ins Rennen und setzte für die qRT-PCRs jeweils 100 Nanogramm RNA in 20 Mikrolitern Probenvolumen ein. Anschließend untersuchte sie, wie sich die Phenol-Konzentration auf den Cq-Wert der qRT-PCR auswirkt. Der Cq-Wert hängt von der Ausgangskonzentration der Template ab und entspricht dem PCR-Zyklus, in dem das fluoreszierende PCR-Produkt erscheint: je höher die Template-Konzentration, desto kleiner der Cq-Wert. Verschiebt sich der Cq-Wert, deutet dies auf eine Hemmung der qRT-PCR-Enzyme hin.

Die Forscher führten deshalb zunächst eine qRT-PCR mit einer RNA-Referenzprobe durch, die bis zu 0,01 Prozent Phenol enthielt. Da sich der Cq-Wert hierdurch nicht verschob, ging die Gruppe davon aus, dass bis zu dieser Phenol-Konzentration keine Hemmung der Enzyme erfolgt. Der Cq-Wert kann jedoch auch durch falsch eingeschätzte RNA-Mengen verschoben werden – und genau dies passierte bei den Proben, deren RNA-Mengen mit dem UV/Vis-Spektrometer bestimmt wurden. Mit zunehmender Phenol-Konzentration enthielt der qRT-PCR-Ansatz immer weniger Template-RNA, wodurch sich der Cq-Wert sehr stark erhöhte.

Das exakte Gegenteil geschah bei den mit dem SCP-Spektrometer vermessenen RNA-Proben. Lag der Phenol-Gehalt über 0,0015 Prozent sanken die Cq-Werte, weil das Gerät zu kleine RNA-Konzentrationen maß und hierdurch zu hohe Template-Mengen eingesetzt wurden.

Völlig fehlerfrei schnitt dagegen das ­Fluoreszenzfarbstoff-Verfahren ab. Hier fanden die Forscher keine Cq-Verschiebung.

Wie so oft gibt es also keine allein gültige Lösung. Das Team um Axmann schlägt vor, sich je nach geplanter Weiterverwendung der RNA für eine Quantifizierungs-Methode zu entscheiden. Es empfiehlt die SCP-Spektrometrie zur Detektion von Phenol-Kontaminationen, wenn diese für Downstream-Analysen ein Problem sein könnten. Bei Konzentrationen unter 0,01 Prozent führt Phenol zwar nicht zur Inhibition von reverser Transkriptase oder Polymerase. Durch falsch eingeschätzte RNA-Konzentrationen besteht jedoch die Gefahr, dass zu wenig oder zu viel RNA für die qRT-PCR eingesetzt wird. Wenn ein Phenol-Gehalt über 0,1 Prozent die geplanten Anwendungen nicht stört und die Absorptionswerte über den Werten für RNA liegen, raten Axmann und Co. zur Fluoreszenz-Methode.

Zusätzliche Kontrolle

Wer zusätzlich auf Nummer sicher gehen will, trennt die extrahierte RNA in einem Agarose-Gel. Hier sieht man nicht nur, ob und wie stark die RNA während der Extraktion „ange­nagt“ wurde. Man erkennt auch sofort, ob sie genomische DNA enthält, welche die Ergebnisse der qRT-PCR ebenfalls verfälschen kann.

Andrea Pitzschke



Letzte Änderungen: 08.05.2019