Editorial

Tipp 224: 3D-Biodrucker für 150 €

(11.11.2019) In nicht einmal einem Tag zum wahrscheinlich kostengünstigsten 3D-Biodrucker der Welt. Ein preiswerter Desktop-3D-Drucker und Standard-Bauteile machen es möglich.

3D-Biodrucker werden immer häufiger für Tissue Engineering und regenerative Medizin eingesetzt, um beispielsweise Trägergerüste für Zellen oder Organoide zu drucken. Bioprinting hat aber auch in der In-vitro-Wirkstoffforschung oder der Lebensmittelindustrie ein enormes Potenzial mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten.

Leider kosten kommerziell erhältliche 3D-Biodrucker aber mehrere zehn- bis hunderttausend Euro, was ihren Einsatz in finanziell nicht so üppig ausgestatteten Forschungslaboren sowie in der schulischen und akademischen Lehre erschwert. Zudem sind die gängigen Systeme kompliziert zu bedienen und erfordern spezielle Software sowie geschultes Fachpersonal. Hinzu kommt, dass Veränderungen an Hard- und/oder Software, mit dem Ziel diese an einen speziellen Einsatzzweck anzupassen, nicht ohne den Verlust des Gewährleistungsanspruchs möglich sind.

Kurzum, trotz ihres großen Einsatzspektrums und riesigen Potenzials, ist die Nutzung von 3D-Biodruckern bisher wenigen, sehr gut ausgestatteten Laboren vorbehalten.

Einen Ausweg aus dieser Situation eröffnen kostengünstige Desktop-3D-Drucker, die sich mit wenig Aufwand in einen 3D-Biodrucker umbauen lassen. Ein Beispiel hierfür ist der 3D-Biodrucker, den wir in der Arbeitsgruppe High-throughput Biology & Systems Engineering von Daniel F. Gilbert am Lehrstuhl für Medizinische Biotechnologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg auf Basis eines 3D-Drucker-Kits konstruierten.

Der kleine und portable Bioprinter mit einer Stellfläche von 510 × 400 × 415 Millimetern und einem Gewicht von 8,5 Kilogramm kann innerhalb eines Tages aus dem konventionellen 3D-Drucker aufgebaut werden und kostet nur rund 150 Euro. Wahrscheinlich ist unser System derzeit einer der kostengünstigsten 3D-Bioprinter der Welt. Zudem lässt sich der Biodrucker für spezifische Anwendungen in kurzer Zeit anpassen, da alle Einzelteile für den Aufbau nach Bedarf umgestaltet und neu fabriziert werden können (Front. Bioeng. Biotechnol. doi: 10.3389/fbioe.2019.00184).

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Der Erlanger 3D-Biodrucker passt problemlos unter die Sterilbank. Foto: Kahl et al.
Konfiguriert für Hydrogele

In der aktuellen Konfiguration ist der 3D-Biodrucker für den Druck von Hydrogelen, wie zum Beispiel Alginat oder Alginat/Gelatine-Mischungen geeignet. In folgendem Video kann man den 3D-Biodrucker in Betrieb sehen https://vimeo.com/274482794. Fluoreszenzmikroskopische Zeitrafferaufnahmen von gedruckten zwei- und dreidimensionalen Objekten sind unter https://vimeo.com/user30731859; https://vimeo.com/275028500 sowie https://vimeo.com/361751451 zu finden. Unser 3D-Biodrucker basiert auf einem konventionellen sogenannten Fused-Deposition-Modeling-(FDM)-Desktop-3D-Drucker. Anstelle eines Kunststoff-Extruders wird eine 1-ml-Einwegspritze eingesetzt, um Hydrogele steril und exakt zu positionieren. Als Ausgangsbasis haben wir uns für einen Anet-A8-Desktop-3D-Printer-Prusa-i3-DIY-Kit entschieden, da dieser zum Zeitpunkt unseres Projekts das beste Preis-Leistungsverhältnis in Bezug auf Präzision und Ressourceneffizienz bot. Zudem sind für dieses System eine Vielzahl von Bauanleitungen und Tutorials im Internet zu finden, die einen Zusammenbau in nur wenigen Stunden unterstützen.

Nach erfolgreichem Zusammenbau des 3D-Druckers fertigten wir mit ihm dreidimensionale Kunststoff-Bauteile aus Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS), die wir für die Konstruktion einer Spritzenhalterung für eine 1-ml-Einwegspritze einsetzten. Im nächsten Schritt tauschten wir den Kunststoff-Extruder gegen die Spritzenhalterung aus. Hierbei verwendeten wir ausschließlich Bauteile, die man kostengünstig im Baumarkt oder im Robotik- beziehungsweise Medizin-Fachhandel erhält.

Um die Umwandlung vom 3D-Drucker in einen Bioprinter so einfach und schnell wie möglich zu gestalten, verwendeten wir viele Teile des 3D-Drucker-Kits weiter. Die Spritzeneinheit besteht aus insgesamt 48 Bauteilen, inklusive Schrauben und Muttern, wovon 15 Teile mit ABS (Acrylnitrit-Butadien-Styrol) innerhalb von acht Stunden gedruckt wurden. Abgesehen von den 3D-gedruckten Bauteilen besteht die Spritzeneinheit noch aus einer Gewindestange (Durchmesser vier Millimeter, M4), die an den ursprünglichen Schrittmotor des 3D-Druckers über eine Federkupplung angebracht wurde. Der Zusammenbau ist in etwa dreißig Minuten erledigt. Eine animierte Zeichnung mit den einzelnen Bauteilen finden Sie unter https://vimeo.com/274482812, eine detaillierte Liste mit Bauteilen sowie 3D-Design- Dateien für den Nachbau unter www.frontiersin.org/articles/10.3389/fbioe.2019.00184/full .

Die verwendeten Spritzen sind steril verpackt und somit für den In-vitro-Einsatz mit kultivierten Zellen geeignet. Außerdem ist der Kolben so geformt, dass das Totvolumen auf ein Mindestmaß reduziert ist und hierdurch Materialien und Zeit im Betrieb eingespart werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Spritze mit Kanülen unterschiedlicher Längen und Durchmesser bestückt werden kann, wodurch eine flexible Zelltyp- und Hydrogel-abhängige Wahl der Kanüle möglich ist.

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Verschiedene geometrische Hydrogel-Strukturen, die mit dem Biodrucker hergestellt wurden. Unter einer Linienbreite von etwa 500 Mikrometern wird es kritisch. Wie in Abbildung A rechts zu sehen ist, beginnen die Linien des Hydrogels zu zerfließen, die Gitterstruktur wird unregelmäßig und verliert ihre Ordnung. Foto: Kahl et al.

Auf der Fläche oder in die Höhe

Das Volumen der Spritze ist ausreichend, um ausgedehnte 2D-Monolayer oder dreidimensionale Objekte mit einer Seitenlänge von bis zu zehn Millimetern zu drucken. Aufgrund der Modifikation des 3D-Druckers beträgt der bedruckbare Bereich 100 x 100 x 240 Millimeter (x-, y-, z-Achse) und ist damit kleiner als der des Originaldruckers (220 x 220 x 240 Millimeter). Für Biodruck-Anwendungen ist dies jedoch ausreichend.

Nach den Informationen des Herstellers beträgt die Positioniergenauigkeit in den drei Raumrichtungen zwölf Mikrometer (X, Y) beziehungsweise vier Mikrometer (Z) und ist damit deutlich geringer als bei teuren kommerziellen 3D-Biodruckern. Die Druckgenauigkeit hängt aber neben der Positioniergenauigkeit auch vom Durchmesser der Druck-Kanüle, der Extrusions-Rate sowie der Druckgeschwindigkeit ab: Je größer der Durchmesser der Kanüle, desto schlechter ist das Druckergebnis. Und je größer die Extrusions-Rate bei gegebenem Kanülendurchmesser, desto größer ist der mechanische Stress für die Zellen. Um den Stress zu minimieren und gleichzeitig eine hohe Druckgenauigkeit zu gewährleisten, haben wir uns für einen relativ großen Kanülen-Durchmesser entschieden (400 Mikrometer für Alginat und 800 Mikrometer für Alginat/Gelatine-Mischungen).

Da die Kanülen hinsichtlich ihrer Länge variieren, sollte vor der Verwendung einer neuen Kanüle eine Achsen-Kalibrierung nach Beschreibung des Herstellers durchgeführt werden.

Der 3D-Druck von zellbeladenem Hydrogel sollte auf einem Standard-Deckglas für die Mikroskopie erfolgen. Dieses kann nach der additiven Fertigung in eine Zellkulturschale mit Medium überführt und darin kultiviert werden. Hierzu das Deckglas einfach mit einem Klebeband auf dem Druckbett fixieren.

Melanie Kahl, Christian Lesko, Oliver Friedrich & Daniel F. Gilbert



Letzte Änderungen: 10.11.2019