Editorial

Wirkstoff des Monats: CAR-T-Zellen

von Karin Hollricher (Laborjournal-Ausgabe 3, 2020)


Stichwort

(11.03.2020) Nachdem 2018 mit Tisagenlecleucel (Handelsname Kymriah) von Novartis eine erste CAR-T-Zell-Therapie zugelassen worden war, folgte letzten Herbst die zweite: Axicabtagen Ciloleucel (Handelsname Yescarta) von Gilead. Kymriah ist zur Behandlung von Kindern und jungen Erwachsenen mit refraktärer oder rezidivierender akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL) oder mit diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) gedacht. Yescarta ist eine Therapie für Erwachsene mit DLBCL oder primär mediastinalem B-Zell-Lymphom (PMBCL).

Aktuell liegt der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) eine drittes CAR-T-Zell-Produkt zur Begutachtung vor: KTE-X19 zur Behandlung des refraktären Mantelzell-Lymphoms (MCL).

Dabei wird es 2020 nicht bleiben. Martina Schüßler-Lenz vom Langener Paul-Ehrlich-Institut und Vorsitzende des Ausschusses für neuartige Therapien der EMA erklärte bereits letztes Jahr auf den Biotechnologietagen in Würzburg, sie erwarte bis Ende 2020 mindestens zehn weitere Anträge auf Zulassung von CAR-T-Zellen, wovon die meisten genetische Immuntherapien zur Behandlung von Leukämien und Lymphomen sein werden.

Die zugelassenen CAR-T-Zellen sind gentechnisch veränderte autologe – also vom Patienten stammende – Zellen, die einen chimären Antigen-Rezeptor (CAR) enthalten. Diese chimären Rezeptoren bestehen aus jeweils einem extrazellulären Einzelketten-Antikörper, der CD19-Moleküle auf den Oberflächen von B-Zellen erkennt, sowie einem intrazellulären Teil, der für die cytotoxische T-Zell-Funktion nötig ist. CAR-T-Zellen können unabhängig vom Haupthistokompatibilitäts-Komplex ihre Ziele detektieren, werden dadurch aktiviert und zerstören schließlich die Tumorzellen (siehe auch LJ 3/2018: 36 Link).

Studien hatten gezeigt, dass die Therapien selbst bei aussichtslosen Fällen sehr häufig wirken und oft zu einer Remission führen. Zudem vermehren sich die gentechnisch veränderten T-Zellen im Körper der Patienten und bieten somit einen lange andauernden Schutz. Allerdings kann genau das auch zu einem lebensbedrohlichen Cytokinsturm führen. Der ließe sich in den Griff bekommen, wenn man die Aktivität der betreffenden Zellen steuern könnte – daran wird gearbeitet.

Das aktuell größte Hindernis für die breitere Anwendung der neuen Therapien sind jedoch zu geringe Herstellerkapazitäten. Bisher mussten die Zellen der Patienten in die USA gesandt werden, um dort mit den chimären Rezeptoren ausgestattet zu werden. Doch bald wird das nicht mehr zwingend nötig sein: Im November eröffnete Novartis eine Produktionsstätte in der Schweiz, eine weitere baut Gilead in den Niederlanden. In Deutschland werden CAR-T-Zellen lediglich am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig hergestellt – allerdings nur kleinere Mengen für Forschungs- und Studienzwecke.



Letzte Änderungen: 11.03.2020