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Tausche Falsch gegen Neu

18. Juni 2015 von Laborjournal

Wenn in einer Publikation nach Jahren eine Abbildung als „falsch“ erkannt wird — ist es dann in Ordnung, diese im Rahmen einer „Correction“ durch analoge Daten aus der frischen Wiederholung des beschriebenen Experiments zu ersetzen?

Hintergrund dieser Frage ist eine aktuelle „Correction“, die als Folge der Kritik an rund vierzig Veröffentlichungen des Zürcher Pflanzenforscher Olivier Voinnet publiziert wurde. Auf der Diskussions-Plattform PubPeer wird Voinnet und seinen Ko-Autoren seit Monaten vorgeworfen, dass sie allesamt zweifelhafte Abbildungen enthielten (siehe auch unsere Berichte hier und hier). Zu sechs dieser Publikationen sind seither „Corrections“ erschienen (1, 2, 3, 4, 5, 6), ein Paper wurde komplett zurückgezogen.

Die aktuelle Correction des Papers Olivier Voinnet et al. in The Plant Journal (Vol. 33(5): 949-56) aus dem Jahr 2003 beginnt folgendermaßen:

In the article by Voinnet et al. (2003), it has recently been noted that the original Figure 3b in this paper was assembled incorrectly and included image duplications. As the original data are no longer available for assembly of a corrected figure, the experiment was repeated, in agreement with the editors, by co-author S. Rivas. The data from the repeated experiment, presented below together with the original figure legend, lead to the same interpretation and conclusions as in the original paper.

Die Originaldaten waren folglich zwölf Jahre später nicht mehr vorhanden, also wiederholte einer der Autoren das beschriebene Experiment. Die resultierenden 2015er-Ergebnisse korrigierten die Autoren schließlich mit der damaligen (!) Original-Bildlegende  in das 2003er-Paper hinein — und proklamierten am Ende, dass die frischen Daten ja genauso prima zu der alten Interpretation und Schlussfolgerung führen würden wie damals diejenigen aus dem „falsch zusammengestellten“ Bild.

Klingt komisch, oder? Ist das überhaupt in Ordnung?    

Grundsätzlich ist nichts daran auszusetzen, ein Paper wegen einer fehlerhaften Abbildung zu korrigieren statt es komplett zurückzuziehen — vorausgesetzt, es handelt sich tatsächlich um einen unabsichtlichen Fehler und nicht um gezielte Datenmanipulation. Zuletzt ist dies auch mannigfach geschehen (zum Beispiel hier oder auch hier). Allerdings präsentierten die Autoren dazu in der Regel die Originaldaten aus den damaligen, Publikations-relevanten Experimenten und korrigierten damit die betroffenen Abbildungen.

Wie Olivier Voinnet et al. jetzt korrigiert haben — nämlich alte, falsch präsentierte Daten kurzerhand durch diejenigen eines sehr viel später durchgeführten Wiederholungsexperiments zu ersetzen —, hat dagegen ein „Geschmäckle“. Denn was ohne alte Originaldaten fehlt, ist der klare Nachweis, dass Voinnet und Co. für diejenigen Experimente der Westernblot-Abbildung, die im Paper „versehentlich“ durch Duplikate von ganz anderen Experimenten dokumentiert wurden, zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich echte Daten hatten.

Klar, das Wiederholungsexperiment zwölf Jahre später mag gezeigt haben, dass als Resultat die Daten in etwa so herauskommen wie im Original-Paper präsentiert. Dennoch wurde dies damals dummerweise eindeutig mit falschen Westernblot-Banden beschrieben. Und das ist sicherlich bedenklich.

Dies nicht zuletzt, da eines der höchsten Güter in der Wissenschaft die Priorität ist — die Tatsache also, wer etwas zuerst gefunden hat. Voinnet et al. beanspruchten 2003 Priorität für die Erkenntnisse, die sie damals in ihrem Paper als Schlussfolgerung beschrieben. Jetzt stellt sich aber heraus, dass durch ihre eigene Schuld ein bestimmtes Set an Daten nicht korrekt war — und dass sie erst 2015 diesen Rest an echten Daten liefern konnten. (Diejenigen, die in solchen Fällen statt an ein Versehen gleich an gezielte Datenfabrikation denken, nennen dieses Muster übrigens „Fake-It-Til-You-Make-It“-Approach.)

Ganz grundsätzlich dienen Originalartikel dieser Art nicht nur der Mitteilung neuer Erkenntnisse, sondern dokumentieren zugleich den Prioritätsanspruch der Autoren darauf. Prinzipiell haben Voinnet et al. diesen für ihr Paper aus dem Jahr 2003 durch die Art ihrer Korrektur verloren.

Nicht zuletzt deshalb sollten Korrekturen nur dann zulässig sein, wenn ein Artikel mit den Originaldaten „von damals“ korrigiert werden kann (und diese auch gezeigt werden). Falls das nicht geht, bleibt nur die komplette Retraktion — und gegebenenfalls eine spätere unabhängige Neuveröffentlichung.

Selber schuld, wer die Daten nicht mehr vorliegen hat. Schließlich wird nicht umsonst vielerorts darauf hingewiesen beziehungsweise sogar verlangt, dass sämtliche Originaldaten so lange wie möglich aufzuheben seien.

Jemand anderer Meinung?

 

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Ein Gedanke zu „Tausche Falsch gegen Neu“

  1. D.S. sagt:

    Um auf die abschließende Frage zu antworten – Nein!

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