Editorial

Plötzlich unverkäuflich

(8.12.15) Um mehr als 150 Prozent ist die Biotest-Aktie seit 2012 nach oben geschossen. Davon blieb zuletzt nichts mehr übrig.
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Unverkäufliche Restbestände

Bei der Biotest AG im hessischen Dreieich ist plötzlich Feuer unterm Dach – und keiner weiß so recht, warum. Klar ist, dass das in den USA bislang gut verkaufte, polyvalente Immunglobulin Bivigam aus unerfindlichen Gründen plötzlich keiner mehr haben mag. Bivigam ist ein zuckerfreies, mittels Glycin stabilisiertes intravenöses Immunglobulin, mit dem immundefiziente Patienten behandelt werden.

Klar ist ferner, dass nicht verkäufliche Lagerbestände des verderblichen Produkts nun entsorgt werden müssen (Verlust laut Biotest allein dadurch 14 Millionen Euro); dazu kommen aufgegebene Produktionsanlagen, nicht mehr benötigte Gebäudeteile sowie weitere verpuffte Vermögenswerte für insgesamt 55 Millionen Euro.

Ende 2012 hatte der damalige Biotest-Chef Gregor Schulz noch stolz als „Meilenstein“ und „Erfüllung einer langjährigen Vision“ verkündet, seine Firma habe mehr als 50 Millionen US-Dollar „in ein hochmodernes Werk“ investiert, in dem man künftig „bis zu 1,5 Millionen Gramm (= 1,5 Tonnen) Bivigam“ produzieren werde. Zweieinhalb Jahre später wurde Schulz von Bernhard Ehmer (zuvor CEO bei Fresenius Biotech und Imclone Systems) als CEO abgelöst, und bald danach stellte sich Bivigam als unverkäuflicher Rohrkrepierer heraus.

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Damit nicht genug: Auch die erwartete baldige Zulassung des in Phase-III reüssierenden Hepatitis-C-Präparats Civacir ist passé, weil Civacir auf lange Sicht wohl nicht ernsthaft mit den neu auf den Markt gekommenen Virostatika von Wettbewerbern konkurrieren kann – so glaubt man zumindest bei Biotest. Alles zusammengerechnet muss Biotest 84 Millionen Euro abschreiben. Die resultierende Gewinnwarnung drückte den Aktienkurs bereits am ersten Tag nach Bekanntgabe des Schlamassels um zehn Prozent nach unten. In den letzten 12 Monaten hat die Biotest-Aktie inzwischen mehr als die Hälfte ihres Werts verloren – auch wenn es zuletzt marginal nach oben ging. Und der sensationelle, 150-prozentige Wertzuwachs seit Herbst 2012 ist inzwischen auch auf nahezu Null geschmolzen.

Winfried Köppelle

Foto (Symbolbild): (c) ilcondor/Fotolia



Letzte Änderungen: 25.01.2016