Editorial

Mit den allerbesten Empfehlungen

(13.1.16) Ohne Referenzen geht bei der Jagd nach Forscherjobs nichts. Die vertraulichen Briefe können über Karrieren entscheiden. Manche Bewerber dürfen sich ihren Letter of Recommendation sogar selbst schreiben.

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Ein flammendes Empfehlungsschreiben

Die Publikationsliste des Bewerbers auf die Juniorprof-Stelle ist auf Hochglanz poliert, Anschreiben und Lebenslauf ebenso. Was noch fehlt? Zwei bis drei "Letters of Recommendation". Ohne diese Empfehlungsschreiben ist es quasi unmöglich, eine Anstellung als akademischer Forscher zu ergattern. Anders als sonst eigentlich überall in Deutschland üblich, spielen Arbeitszeugnisse, mit ihren berüchtigten Standardfloskeln, dabei in der Regel keine Rolle.

Eigentlich nicht dumm, zumindest aus Arbeitgeber-Sicht. Denn die vertraulichen Briefe der ehemaligen Betreuer oder anderer Auskunftgeber sind aussagekräftiger als das dröge Arbeitszeugnis deutscher Tradition.

Kritische Untertöne

Nicht nur bei der Jobsuche, auch bei Anträgen für Stipendien und andere Förderungen spielt die persönliche Empfehlung eines etablierten Forschers eine wichtige Rolle. Aber für den Bewerber ist diese international übliche Praxis tückisch – weiß er oder sie doch selten genau, was die Referenzen-Schreiber in ihren vertraulichen Zeilen alles verraten haben; ob  es großes Lob für Motivation und Kreativität des Bewerbers gab, oder ob auch ein paar kritische Untertöne einflossen.

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Wie wichtig die Briefe für die Karrierechancen sind; ob sie die Entscheidung wirklich beeinflussen, oder ob doch eher Publikationen, Qualifikation und der persönliche Eindruck zählen, das ist schwer zu sagen. Aber unterschätzen sollte man die Letters of support nicht. Aussagekräftig sollen sie jedenfalls sein, die Stärken und Fähigkeiten des Bewerbers mit konkreten Beispielen belegen. Dazu muss der Briefeschreiber seinen Mitarbeiter schon ein wenig näher kennen.

Und damit fängt das Problem für den Job-Jäger an. Welchen Seniorforscher aus der jetzigen oder einer früheren Arbeitsumgebung soll man denn nun um diesen Gefallen bitten? Vielleicht den viel beschäftigten Institutsleiter, mit dem man lange Jahre als Postdoc prima zusammengearbeitet hat? Aber ob der es schafft, den Brief rechtzeitig abzuschicken? Für das Versäumen von Deadlines ist er berüchtigt.

Nobelpreisträger anbetteln?

Dann vielleicht doch lieber den international bekannten französischen Gastprofessor vom Nachbarlabor, mit dem man mal ein Projekt gemacht hat; der kann aber nicht gut englisch, das könnte in einem Empfehlungsschreiben schnell zu Missverständnissen führen.

Und kann man nach mehreren Stationen als Doktorand und Postdoc ein x-tes Mal die Betreuerin der Masterarbeit von anno dazumal bitten, das alte Empfehlungsschreiben noch mal zu recyceln?

Bringt es was, den Nobelpreisträger anzubetteln, mit dem man auf Konferenzen öfter mal einen kurzen Plausch hatte? Aber was kann der schon Konkretes schreiben? Dann vielleicht doch lieber einen unbekannten Mauerblümchen-Professor fragen, mit dem man tatsächlich viel zusammenarbeitet.

Entscheidungen, Entscheidungen.

Richtig kompliziert wird das Briefe-Einsammeln, wenn man sich mit seinem aktuellen Chef verkracht hat. Denn wenn eine Referenz vom jeweils letzten Betreuer oder Vorgesetzten fehlt, ist das hochnotpeinlich - und je renommierter der Chef, desto schwerer wird dem Kandidaten die fehlende Referenz eventuell auf die Füße fallen. Ist der Chef fair, wird er kleinliche Streitereien beiseite lassen, und sich für den Abschiedsbrief auf die Stärken des Bewerbers konzentrieren. Oder war das Gezänk so übel, dass der Boss die Karriere seines Noch-Mitarbeiters versauen will?

Und wenn der Verfasser des Empfehlungsschreibens insgeheim der Ansicht ist, dass der Bewerber sowieso nicht aus Forscher-Holz geschnitzt lässt, dann lässt er das womöglich unterschwellig im Brief anklingen. Gar nicht gut.

Beim deutschen Arbeitszeugnis gilt die Regel, dass es grundsätzlich positiv zu formulieren ist. Man kann den Schrieb prüfen, bevor man ihn der Bewerbung beilegt, und unter Umständen sogar Nachbesserungen verlangen. So ein Letter of Recommendation ist ein anderes Biest, unberechenbarer, heimtückischer. Bekommt man den Traumjob nicht, könnte es auch daran liegen, dass einem der Empfehlungsgeber ein faules Ei ins Nest gelegt hat. Der Bewerber erfährt das oft nicht oder nur hintenrum, aus Andeutungen.

Mach doch selber!

Insgesamt also ein vermintes Terrain. Aber es geht auch ganz anders. Manche Seniorforscher schlagen den Ball ins Feld des Bewerbers zurück: "Gerne mach' ich das. Aber schreib' den Letter doch bitte gleich selbst, du weißt doch, ich hab keine Zeit für sowas, ich unterschreibe ihn dann". Da fällt so manchem Nachwuchsforscher erst mal die Kinnlade runter. Natürlich wird man über sich selbst nur Gutes schreiben. Wer keinerlei Hemmungen hat, sich selbst über den grünen Klee zu loben, ist eindeutig im Vorteil.

Aber ist es fair, wenn sich manche Bewerber ihre Empfehlungen selber schreiben dürfen, während andere voll und ganz den anonymen Beurteilungen ausgesetzt sind? Roger Day, Biostatistiker an der Universität Pittsburgh, meint: Nein, die Praxis ist nicht ganz sauber (siehe Day's Beitrag im Magazin Science). Den Nachwuchsforschern werde damit beigebracht, dass "kleine Unehrlichkeiten" in der Wissenschaft nicht nur toleriert, sondern sogar erwartet werden. Und auch dies lernt der Bewerber: "Groß wird man in diesem System offenbar dadurch, dass man Arbeit an weniger Mächtige abwälzt", schreibt Day. Von da sei es nur noch ein kleiner Schritt zu eindeutig unethischen "Ehrenautorenschaften" für einflussreiche VIPs, die zu einem Paper nichts beigetragen haben, aber der Studie zu mehr Glanz verhelfen.

Andererseits: Auch wenn der Kandidat den Entwurf seines Letters of Support selbst geschrieben hat, weiß er ja nie was der Unterzeichner noch dazuschreibt – oder wegstreicht.

Vollends absurd wird die Praxis des Eigenlobs jedenfalls, wenn gleich zwei überlastete VIP-Profs auf die Idee kommen, die Bewerber ihre Brieflein selbst schreiben zu lassen. Der Kandidat darf dann gleich zwei Lobeshymnen über die eigene Person zu Papier bringen, mit jeweils anders verstellter Stimme. Das ist nicht unbedingt im Sinne des Erfinders.


Hans Zauner

Illustration: (c) A Berheide / Fotolia



Letzte Änderungen: 28.04.2016