Editorial

Vorwäsche für Proteine

(14.9.16) Die Nadel im Heuhaufen zu sehen, sie aber nicht herausziehen zu können, ist ein allzu oft erlebtes Problem von Biowissenschaftlern. Häufig bleibt die Nadel unerreichbar oder geht beim Herausziehen zu Bruch. Für Proteinchemiker klingt daher eine nicht denaturierende Variante der OFF-Gelektrophorese vielversprechend, die Renata Ferreira und Susete Martins-Dias vom Centre for Natural Resources and the Environment der Universität Lissabon entwickelten (Analytical Biochemistry 509, 100-3).

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© NSRWA

Basierend auf dem klassischen Verfahren der OFF-Gelelektrophorese lassen sich mit der Methode der beiden Umwelttechnologen komplexe Proteingemische aufdröseln. Dabei werden die Komponenten entsprechend ihrer pI-Werte sortiert. Tatsächlich handelt es sich hierbei um eine Vorreinigung von Proteinen. Aber immerhin.

Die OFF-Gelelektrophorese stammt von einem Schweizer Forschungsteam um Hubert Girault von der Technischen Hochschule Lausanne, das dieses bereits 2002 für die Reinigung von Escherichia coli-Proteinen einsetzte. Ihr Grundprinzip ist, Proteinextrakte in nebeneinanderliegende Kompartimente (Wells) einer Multiwell-Platte zu füllen und diese mit einem pH-Gradienten-Gel abzudecken. Legt man ein elektrisches Feld an, so wandern die Proteine aus dem (flüssigen) Extrakt in das Gel bis sie eine Position erreichen in der pI-Wert des Proteins und pH-Wert des Gels übereinstimmen. An diesem Punkt tritt das jeweilige Protein wieder aus dem Gel aus und reichert sich im entsprechenden Well an.

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Am Ende hat man also eine Multiwell-Platte, deren Wells Proteingemische unterschiedlicher Zusammensetzung enthalten. Gängige Downstream-Analysen für die vorgereinigten Proteingemische sind SDS-PAGE und LC/MS. Die OFF-Gelelektrophorese liefert wertvolle Informationen über Kandidatenproteine, die Weiterverwendung für funktionelle Analysen ist aber nicht möglich - ein Großteil des Heuhaufens ist beiseite geschoben, aber die Nadel ist kaputt.

Der Clou der portugiesischen OFF-Gelelektrophorese besteht darin, die Funktionalität der Proteine zu erhalten. Hierzu kühlt man die Apparatur und vermeidet jegliche denaturierende oder reduzierende Substanzen. Ferreira und Martins-Dias zerlegten Pflanzenproteinextrakte unter nativen Bedingungen in zwei Dutzend Fraktionen deren pI-Werte von 3 bis 10 reichten. Die erfolgreiche Fraktionierung bestätigten die beiden mittels klassischer SDS-PAGE und Silber-Färbung. Je nach gewähltem Extraktionspuffer (zwei getestet, beide nativ) unterschieden sich die Proteinprofile der 24 Fraktionen grundlegend. Für die Anwendung des Verfahrens auf ein eigenes Kandidatenprotein erscheint daher eine gewisse Flexibilität hinsichtlich des Extraktionspuffers sinnvoll.

Die Methode eignet sich zur Pre-Purifikation, das heißt der teilweisen Anreicherung von Zielproteinen. Man könnte mit ihr aber auch störende Komponenten, etwa Proteine die durch unspezifische Antikörperbindung immunologische Downstream-Analysen behindern, aus Extrakten entfernen. Dass die in den einzelnen Fraktionen angereicherten Proteine tatsächlich ihre Funktionalität behalten, demonstrierten die zwei Autoren anhand von Peroxidase (POD)-Messungen. Je nach Extraktionspuffer und Fraktion erhielten sie für die einzelnen Proben reproduzierbare Unterschiede der Enzymaktivitäten. Die POD ist jedoch ein recht robustes Enzym. Es stellt sich also die Frage, ob sich empfindlichere und/oder schwächer exprimierte Proteine ähnlich „nutzerfreundlich“ verhalten.

Wer diese Frage für sein eigenes Wunschprotein beantworten möchte, benötigt eine Multiwell-Platte sowie ein entsprechendes pH-Gradientengel (als Kit erhältlich). Außerdem braucht man ein dafür maßgeschneidertes Elektrophoresegerät. Das von Ferreira und Martins-Dias gewählte Modell (Agilent 3100 OFFGEL-Fraktionierer) ist nicht gerade billig - umschauen in Nachbarlabors lohnt sich eventuell. Bedenken sollte man auch, dass als Ausgangsmaterial relativ hohe Proteinmengen (mehr als 0.5 mg) nötig sind. Für Pollen-Analysen etwa bei Arabidopsis sind diese Mengen illusorisch hoch. Für Wissenschaftler, die mit großen Pflanzen arbeiten (die Portugiesen nahmen Schilfrohr), dürfte dies jedoch kein Problem sein.

Die native OFF-Gelelektrophorese eignet sich zur partiellen Proteinreinigung und zur Anreicherung des gewünschten Proteins. Aufgrund der diversen Präparationsschritte (Proteinextraktion, mehrfaches Zentrifugieren, filtrieren, Probenentsalzung über Säulen), ist sie jedoch eher etwas für routinierte Biochemiker.

 

Andrea Pitzschke



Letzte Änderungen: 30.09.2016