Editorial

Zellfraktionierung auf der Bench

(1.2.2017) Lisa Fürtauer, Wolfram Weckwerth und Thomas Nägele von der Universität Wien setzen bei ihrem neuen Benchtop-Fraktionierungs-Verfahren auf nicht-wässrige Lösungsmittel zur Trennung von Zellkompartimenten.

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Thomas Nägele fraktioniert Arabidopsis Zellen mit neuer Technik
© Universität Wien

Zellen sind komplexe Fabriken. Mit herkömmlichen Extraktionsverfahren lassen sich Tier- und Pflanzenproben zwar gut aufschließen, die Zellkompartimente aber kaum voneinander trennen. Metabolom-Analysen ergeben deshalb immer nur ein Gesamtbild und verraten nicht, welcher „Fabrikmitarbeiter“ (Kompartiment) wieviel zur Gesamtleistung beiträgt. Und schon gar nicht, ob externe Signale eine zellinterne Umsortierung von Molekülen bewirken.

Bisherige Verfahren (seit 1984 hat sich da nicht viel geändert) schrecken ab mit hohem Aufwand, geringem Probendurchsatz und stundenlanger Ultrazentrifugation. Das Wiener Trio beweist jedoch, dass ein sauberer Dichtegradient auch mit nur zwei Chemikalien und einer stinknormalen Zentrifuge gelingt (Front. Plant Sci. 2016; 7: 1912.). Zudem muss man weniger des oft kostbaren biologischen Materials opfern – Eppis anstelle von zehn Milliliter fassenden Ultrazentrifugations-Gefäßen genügen.

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Das Prinzip der Methode ist einfach: Die Zellextrakte werden über Gradienten getrennt. Dabei ändert man sukzessive die Dichte der Gradientenflüssigkeit – und zwar durch Anpassung des Verhältnisses seiner schweren TCE-Komponente (Tetrachlorethylen; 1,62 g/cm3) und seiner leichten 7H-Komponente (Heptan; 0.68 g/cm3). Welches Kompartiment wo im Gradienten landet, lässt sich über Kompartiment-spezifische Markerenzyme und entsprechende Aktivitätsassays bestimmen.

Genau dort wären also auch die Metabolite samt anderen Molekülen eines Kompartiments zu erwarten. Die Wiener Biochemiker entwickelten einen Algorithmus, mit dem sich allein aus den gemessenen Enzymaktivitäten sukzessive entnommener Fraktionen die Lage von Kompartiment A,B,C… vorhersagen lässt.

Den Machbarkeitsnachweis ihrer Methode liefern die Forscher in Arabidopsis thaliana. Gleichzeitig beantworten sie auch die Frage, was in frierenden Zellen metabolisch vorgeht und worin der Trick kälteresistenter Sorten liegt.

Und so funktioniert die Benchtop-Fraktionierung: Die Zellen werden zunächst schockgefroren, um den Stoffwechsel und den intrazellulären Metaboliten-Austausch auf Eis zu legen. Das trockengefrorene Pulver resuspendiert man in H-TCE (1.3 g/cm3). Ultraschall zerlegt das Material in Nanometer-große Partikel, gleichzeitig erhöht er die Effizienz der anschließenden Kompartiment-Trennung.

Mit mehreren kurzen Wasch- und Zentrifugationsschritten ist der gröbste Schmutz beseitigt – weiter geht´s mit dem Überstand. Dieser wird mit einem berechneten Volumen 7H versetzt, um im Gemisch eine bestimmte Dichte zu erhalten. Durch anschließende Zentrifugation isoliert man aus dem Pellet die erste Fraktion. Der Überstand wird wiederum mit einem 7H-TCE-Gemisch versetzt, dessen Dichte man mit jeder Runde sukzessive senkt. Es entstehen Fraktionen mit absteigender Dichte, welche nach Resuspendieren, Waschen und Trocknen für GC-MS-Analysen bereit sind.

Die Enzymaktivitäts-Assays führten die Wiener photometrisch im 96-Well-Titerplattenformat durch. Hierbei vermaßen sie die alkalische Pyrophosphatase (Plastid-Marker), die Uridindiphosphat-Glukose-Pyrophosphorylase (Cytosol) sowie die saure Phosphatase (Vakuole).

Zwar ist die Benchtop-Fraktionierung in der Originalversion auf Arabidopsis zugeschneidert, die Methode sollte aber auf andere Organismen übertragbar sein. Die Position der Kompartimente im Gradienten wird sicher je nach Material variieren, doch mit dem Wiener Algorithmus lässt sie sich ermitteln. Voraussetzung ist natürlich, dass man robuste Kompartiment-spezifische Markerenzyme im Wunschorganismus kennt und deren Aktivität reproduzierbar messen kann.

Vor einem Formeldschungel muss niemand zurückschrecken, denn in den ergänzenden Daten des Papers findet sich ein Nutzer-freundliches Formular, welches nach entsprechenden Eingabewerten ganz von selbst rechnet.

Für Pflanzenwissenschaftler hat diese Studie nicht nur methodischen Wert. Sie zeigt auch, was in frierenden Arabidopsis-Zellen auf Metabolitebene abläuft: Während eine kältesensitive Sorte primär mit der Umsortierung diverser Zucker zwischen Vakuole, Zytosol und Chloroplast beschäftigt ist, investiert eine kältetolerante Sorte in die Neusynthese von Zuckern und anderen Frostschutzmitteln.

Wie jedes andere Organ bestehen auch Blätter aus mehreren Geweben. Das aufgeschlossene Material ist also eher heterogen. Im Sortenvergleich wäre deshalb nicht sofort erkennbar, ob Unterschiede im Zuckergehalt auf dem abweichenden Verhältnis einzelner Zelltypen beruhen. Mit Protoplasten statt Blättern sowie Zellkulturen statt "Mausohren" könnte man diese Verzerrungen aber umgehen.

 

Andrea Pitzschke



Letzte Änderungen: 23.02.2017