Editorial

Proteinevolution im Zeitraffer

(8.2.17) Im Vergleich zu konventionellen Protein-Optimierungsstrategien, die auf den sukzessiven Austausch einzelner Aminosäuren setzen, agiert ein neues Verfahren zur gelenkten Evolution von Proteinen eher wie ein Elefant im Porzellanladen. Dennoch ist die Methode elegant.
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© University College Dublin

Im Schnelldurchlauf funktioniert die von Ulrich Schwanebergs Gruppe an der RWTH Aachen zusammen mit Forschern von BASF entwickelte Proteinevolutions-Technik namens Protein Consensus-based Surface Engineering (ProCoS), wie folgt: Aus einer Proteindatenbank extrahiert man zunächst Sequenzen der relevanten Proteinfamilie. Anschließend ermittelt man mithilfe eines Alignment-Verfahrens konservierte und hoch-variable Regionen.

Von den konservierten Regionen lässt man die Finger und konzentriert sich auf variable Sequenzabschnitte, die an der Proteinoberfläche oder in sogenannten Loop-Regionen sitzen. Diese exponierten Proteinareale sind den Umgebungsbedingungen (und Proteasen) unmittelbar ausgesetzt und daher entscheidend für die Proteinstabilität.

Mit drei synthetischen Genen stellt man daraufhin Proteinvarianten her, die in diesen Regionen massiv mutiert sind und unterzieht sie mithilfe einer PCR-basierten In-vitro-DNA-Rekombination einer künstlichen Evolution. Hierbei rekombinieren die Varianten zufällig miteinander wodurch eine Bibliothek entsteht. Aus dieser Bibliothek pickt man schließlich, mithilfe eines entsprechenden Screenings, Kandidaten heraus, die für den gewünschten Zweck am geeignetsten sind (BioTechniques 61: 305-14).

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Schwanebergs Mitarbeiter erprobten dieses Konzept an dem Modellprotein Phytase aus Yersinia mollaretii (Ymphytase), das Phosphat aus Phytinsäure abspaltet. Das Enzym wird deshalb häufig Futtermitteln, etwa für Schweine oder Kühe, zugesetzt, um die Versorgung der Tiere mit Phosphat zu verbessern.

Eine optimierte Phytase sollte deshalb idealerweise im Sauren, bei Wärme und auch noch möglichst ausdauernd arbeiten.

Die Forscher generierten drei synthetische Ymphytase Gene bei denen jeweils 30 bis 40 Aminosäuren in unterschiedlichen Oberflächen-/Loop-Regionen ausgetauscht waren. Die Gene ligierten sie in einen Expressionsvektor und exprimierten diesen in E. coli.

Keines der Gene war jedoch aktiv - der Eingriff war offensichtlich zu massiv. Dass eine Ymphytase Variante auf Anhieb, ohne Rekombination und Screening funktioniert, käme aber auch einem Sechser im Lotto gleich.

Also gingen die Forscher den beschwerlicheren Weg. Zunächst amplifizierten sie die synthetischen Gene mittels PCR mit einer Proof-reading-Polymerase (Pfu). Anschließend mischten sie die drei Varianten im gleichen Verhältnis und unterzogen sie einer PCR-basierten In-vitro-DNA-Rekombination. Damit hierbei möglichst viele neue Kombinationen entstehen konnten, setzte Schwanebergs Team eine fehleranfällige Taq-Polymerase ein. Gleichzeitig machte es das PCR-Chaos durch extrem kurze Annealing-Zeiten perfekt.

Mithilfe eines Methylierungs- und Demethylierungstricks unterschieden die Wissenschaftler, Vorgänger- und neu-rekombinierte Varianten. Anschließend durchforsteten sie die Mutantenbibliothek mit einem einfachen Farb-Assay im 96-Well-Format nach pH-stabilen-Varianten, die auch bei 37 °C aktiv waren.

Sechs von 1050 gescreenten Kandidaten spalteten Phosphat von Phytinsäure ab. Beim Besten davon saßen an 34 Positionen neue Aminosäuren (immerhin circa 10 Prozent der Gesamtsequenz). Er punktete mit einem breiteren pH-Optimum zwischen pH 3.0 und pH 4.5 (das pH-Optimum des Wildtyps liegt bei pH 4.5). Zudem war er zwischen pH 2.8 und pH 7.5 stabil.

Insbesondere bei Bedingungen, die dem Magenmilieu von Kühen ähneln (pH 3, 37 °C) war die aus der ProCoS-Evolution entstandene Variante um das circa dreifache stabiler als der Wildtyp-Vorfahr. Als Ursache vermutet die Gruppe eine erhöhte Oberflächenladung des mutierten Proteins. Die höhere Stabiität sollte zumindest etwas über die deutlich schwächere Enzymaktivität hinwegtrösten, die nur etwa 40 Prozent der Wildtyp-Aktivität erreicht.

Schwanenbergs Team geht davon aus, dass sich die ProCoS -Methode auch auf beliebig andere Enzyme übertragen lässt, um deren pH- und Temperatur-Stabilität, Löslichkeit und/oder Beständigkeit in verschiedenen Lösungsmitteln zu erhöhen.

 

Andrea Pitzschke



Letzte Änderungen: 01.03.2017