Editorial

Wie geht es eigentlich Surflay Nanotec, Herr Dähne?

(6.7.17) Vor vier Jahren wurde die Nanobiotech-Firma des Chemikers Lars Dähne erstmals in Laborjournal vorgestellt. Wie ist es den Berlinern seither ergangen? Der Gründer im Gespräch mit der Laborjournal-Reporterin.
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Firmengründer & CEO Lars Dähne
© Julia Eckhoff

Sie benutzen die sogenannte Layer-by-Layer-Technologie (siehe unten), die 1991 von Gero Decher publiziert wurde und die Sie und andere in der Gruppe von Helmuth Möhwald am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam weiterentwickelt haben. Was war die entscheidende Neuerung am MPI?

Lars Dähne: Decher hat Layer-by-Layer auf flache, ebene Flächen angewendet. Zum Beispiel kann man eine Tischplatte so beschichten. Wir haben das ganze auf kleine Kugeln überführt, also quasi die Kugeln beschichtet. Dann haben wir versucht, diese Kugeln aufzulösen und die Bruchstücke wieder herauszukriegen. Dadurch sind sogenannte Layer-by-Layer-Kapseln entstanden, die einen Durchmesser von 200 Nanometer bis 20 Mikrometern hatten, und in die Sachen verkapselt werden konnten. Federführend bei der Entwicklung waren Frank Caruso, Gleb Sukhorukov und Edwin Donath.

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Für alle Leser, die den damaligen Artikel nicht gelesen haben: Mit welcher Anwendung der Layer-by-Layer-Technologie beschäftigt sich Ihre Firma?

Dähne: Wir sind sehr breit aufgestellt. Die Technologie ist so, dass man nahezu alle Sachen beschichten kann. Das besondere ist, dass man die Polymere chemisch modifizieren kann, zum Beispiel mit Farbstoffen, Antikörpern oder Fluoreszenz. Oder man kann sie so modifizieren, dass sie sich unter bestimmten Bedingungen wieder zersetzen.

Welche Anwendung wird momentan am meisten nachgefragt?

Dähne: Das ist sehr breit gefächert. Unser größter Kunde momentan – beziehungsweise der, von dem wir am meisten Geld kriegen – ist die Firma Wella. Da geht es darum, dass wir die Polymere so ausrüsten, dass wir Farbstoffe daran koppeln, sodass man mit einer relativ einfachen Wäsche die Haare färben kann. Da darf ich aber im Sinne der Geheimhaltung nicht weiter drüber sprechen.

Sind Sie auch an öffentlich geförderten Forschungsprojekten beteiligt?

Dähne: Ja, auf jeden Fall. Wir haben kein Produkt, das wir selbst vertreiben. Deshalb ist es nötig, zukunftsträchtige Forschungsprojekte einzuwerben. Das macht einen Großteil unseres Forschungsetats aus. Momentan sind wir an vier öffentlich geförderten Projekten beteiligt.

Was waren Ihre Lieblingsmomente in den letzten Jahren?

Dähne: Das ist schwer zu sagen. Es ist immer schön, wenn man einen neuen Kunden gewonnen hat. Da stoßen wir als gesamte Firma durchaus mal mit einem Gläschen Sekt an.

Was war Ihr letzter Sekt-Anlass?

Dähne: Das war vor einem Jahr, als wir gemeinsam mit Wella einen Projektmeilenstein erreicht hatten. Das war dann schon ein Anstoßen wert. Aber der richtig große Moment wird kommen, wenn ein Produkt, das wir mitentwickelt haben, auf den Markt kommt.

Woran lag es, dass das bis jetzt nicht der Fall war?

Dähne: Auch wenn die Entwicklungszeiten nicht so lang sind wie in der Pharmazie, gehen doch auch bei technischen Entwicklungen vier bis fünf Jahre ins Land, bis so ein Produkt marktreif ist. Es sind nicht immer nur technische, sondern häufig auch administrative Schwierigkeiten.

Zum Beispiel?

Dähne: Wella gehörte ehemals zu Procter & Gamble, ist jetzt verkauft worden und ist nun ein Teil des amerikanischen Parfüm- und Kosmetikkonzerns Coty. Dadurch hat die Forschung eine andere Richtung bekommen. Ein anderes Beispiel: Wir haben mit Qiagen in Hamburg DNA-Kontrollbeads entwickelt. Als das ganze Produkt schon gut und weit entwickelt war, hat die Qiagen-Zentrale in Hilden beschlossen, dass der Standort Hamburg geschlossen wird. Dadurch sind die Wissenschaftler, mit denen wir da kooperiert haben, alle entlassen worden. Qiagen Hilden konnte das Projekt nicht weiter durchführen, deshalb liegt es jetzt gerade auf Halde. Biomérieux, ein französischer Konzern, hat sich für die Erfindung interessiert und wir hätten auch mit denen zusammengearbeitet. Die haben sich dann bei Qiagen um eine Lizenz bei den Patenten bemüht, aber Qiagen hat die nicht rausgegeben. Dadurch liegt diese Entwicklung bis heute auf Eis. Das ärgert uns sehr.

Die Firma befindet sich in Berlin Adlershof. Sitzen Sie noch in denselben Räumen wie 2013?

Dähne: Nein. Wir saßen in einem alten DDR-Gebäude, in dem die Miete relativ günstig war. 2013 mussten wir dort raus, weil das Gebäude komplett übernommen werden sollte. Jetzt sitzen wir hier im ZMM [Zentrum für Mikrosysteme und Materialien, Anm. der Red.] in einem sehr modernen schicken Gebäude und haben hier auch eine gute Laboreinrichtung. Der einzige Wehrmutstropfen ist, dass die Miete deutlich teurer geworden ist als vorher.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie momentan?

Dähne: Wir sind zur Zeit dreizehn. Zwölf Wissenschaftler und eine technische Mitarbeiterin.

Gab es im Laufe der Zeit Tendenzänderungen, welche Art von Firmen an Sie herantreten?

Dähne: „Herangetreten“ oder auch Akquisition. Wir versuchen immer, die Leute für uns zu begeistern. Da hat sich die Laufrichtung in den letzten zwei Jahren schon geändert.

Aus welchem Grund?

Dähne: Die Firma Capsulution ging 2014 in Insolvenz. [Capsulution ist eine Firma, an der Dähne beteiligt waren, bevor er Surflay Nanotec gründete. Als er dort ausschied, bekam er Lizenzen für alle Patente, jedoch unter der Auflage, die LbL-Technologie nicht für Pharma-Forschung einzusetzen.] Damit waren die Verträge, die wir mit denen hatten, nicht mehr gültig. Jetzt können wir auch in Richtung der pharmazeutischen Entwicklung gehen.

Arbeiten Sie momentan an einem Pharma-Projekt?

Dähne: Gerade entwickeln wir Kontrollpartikel für moderne Imaging-Verfahren, Magnetresonanztomographie, Computertomographie oder auch Ultraschalldiagnostik, die multimodal arbeiten können. Wir sind an einem aktuellen, von der EU-geförderten Projekt namens Meta-Detect beteiligt. Da geht es darum, Partikel zu erzeugen, die für CT- und MRT-Diagnostik verwendet werden können und gleichzeitig Antikörper auf der Oberfläche haben, die selektiv Darmkrebstumore erkennen, sodass man – ohne eine Darmspiegelung machen zu müssen – direkt erkennt: Da ist ein Herd, wo Darmkrebs zu vermuten ist. Analog dazu haben wir in einem anderen Projekt mit einer anderen Firma zusammen eine Alternativtechnologie zu Biacore-Geräten [auf surface plasmone resonance basierte Geräte zur Analyse von Protein-Protein-Interaktionen, Anm. d. Red.] entwickelt. Letzteres ist zurzeit eine Art wissenschaftliches Hobby für uns.

Worauf basiert diese Alternativmethode?

Dähne: Sie basiert auf sogenannten „whispering gallery modes“. Bei Surface-Plasmonresonanz hat man eine Lichtquelle, die eine Oberfläche entlanggeht und diese dabei abtastet. Wenn etwas an der Oberfläche adsorbiert, ändert sich der Brechungsindex und dadurch die Frequenz dieser Welle. Wir machen das ähnlich, nur dass wir die Welle in eine kleine Kugel, ein Mikropartikel von zehn Mikrometer Durchmesser, einsperren. Da läuft dann die Lichtquelle im Inneren immer herum. Da der Partikel ideal rund und eine schöne glatte Oberfläche hat, läuft sie bis zu zehn-, zwanzigtausendmal herum, bevor sie herauskommt. Während dieser Umlaufzeit können wir diese Lichtquelle beobachten. Wenn sich irgendetwas an der Oberfläche des Partikels ändert, zum Beispiel spezifisch ein Antigen oder DNA bindet, ändert sich die Resonanzfrequenz der Welle, die da im Inneren herumläuft. Das können wir mit einem hochauflösenden Fluoreszenzspektrometer mikroskopisch verfolgen.

Was sind die Vorteile dieser Technik?

Dähne: Wir müssen uns natürlich am Marktführer Biacore messen und da sind unsere Ergebnisse sehr ähnlich. So ein Biacore-Chip kostet 100 bis 600 Euro und erlaubt maximal drei Messungen parallel. Wir haben den Vorteil, dass ein einziger unserer Partikel ausreicht, um die Analyse genau so zu machen wie dieser Biacore-Chip. Die Partikel stellen wir selber her und zwar ein bis fünf Milliarden pro Batch. Da kann man sich den Preis für so einen Partikel ausrechnen – 10-5 Cent oder so. Außerdem können wir diese Partikel zum Beispiel in eine Expressionskultur hineinbringen und dann direkt sagen, ob die Expression klappt. Außerdem ist das System für Multiplex und Hochdurchsatz geeignet.

Wie weit ist das Projekt schon vorangeschritten?

Dähne: Wir haben die Erfindung patentiert und ein Gerät gebaut, mit dem man anfangen kann zu messen. Momentan sind wir dabei, spezielle Kunden zu kontaktieren, die Antikörper-Produktion machen und schon während des Bakterienwachstums sehen wollen, ob der jeweilige Bakterienstamm den gewünschten Antikörper bildet und wie die Bindungsstärke und –aviditäten dieser Antikörper sind. Das könnte man mit unserem Gerät messen. Da sind wir zum Beispiel mit der Firma Seramon gut in Kontakt und versuchen gerade, diese Methode speziell für die zu entwickeln und auch zu publizieren, damit der Markt sieht: Da ist noch etwas anderes neben Biacore, was auch zukunftsfähig ist.

Zurück in die Vergangenheit: Auf was sind Sie seit der Gründung von Surflay 2008 besonders stolz?

Dähne: Ich wollte immer ohne Investoren auskommen und das ist uns bis zum heutigen Tag gelungen. Die Firma gehört zu einhundert Prozent mir allein, deshalb kann mir keiner reinreden. Alle unsere Geräte und Maschinen haben wir von dem gekauft, was wir verdient haben.

Interview & Foto: Julia Eckhoff

Die Layer-by-Layer (LbL)-Technologie:

Die Layer-by-Layer-Technologie ist ein Beschichtungsverfahren. Sie basiert darauf, dass Oberflächen eine Ladung tragen. Setzt man beispielsweise eine negativ geladene Oberfläche einer kationischen Polyelektrolytlösung aus, werden die Polykationen durch elektrostatische Wechselwirkung auf diese Oberfläche adsorbiert, bis sich die Ladung umgekehrt hat. So entsteht eine Schicht von ca. 1,5 Nanometer Dicke. Die überschüssigen Polymere werden in einem Waschschritt entfernt. Das Prozedere kann man nun alternierend mit Polyanion- und Polykation-Lösungen wiederholen, und so beliebig viele Schichten auf die Oberfläche aufbringen.

Steckbrief: Surflay Nanotec GmbH

Gegründet im Oktober 2008 am MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung (Potsdam)

Sitz: Berlin (Technologiepark Adlershof)

Mitarbeiter: 13

Übrigens: In der aktuellen Laborjournal-Ausgabe 6/2017 finden Sie auf den Seiten 50-51 ein Firmenportrait von Surflay Nanotec!



Letzte Änderungen: 14.09.2017