Editorial

Jungbrunnen gegen Trockenstress

(17.7.17) Kulturpflanzen gegen Trockenheit und Hitze rüsten – das könnte womöglich helfen, die Ernährungssituation der Weltbevölkerung langfristig zu verbessern. Bernd Müller-Röber von der Universität Potsdam hat hierzu ein paar Kandidatengene im Blick. Eines davon heißt ‚Jungbrunnen‘.

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© VBIO e.V.

In unserer letzten Publikationsanalyse vor der Sommerpause nahmen wir die Pflanzenforscher unter die Lupe (LJ 6/2017: 38-41). Auf Platz 21 der meistzitierten Köpfen landete Bernd Müller-Röber. An der Universität Potsdam sowie mit einer Gastgruppe am Max -Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Golm erforscht seine Arbeitsgruppe Transkriptionsfaktoren und genregulatorische Netzwerke. Müller-Röber ist außerdem an gesellschaftspolitischen Themen rund um die Biologie interessiert. So war er von 2009 bis 2012 stellvertretender Vorsitzender im Bioökonomierat und ist derzeit Präsident des Verbandes Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland e. V (VBIO). 

Im Analysezeitraum unseres Rankings hat Müller-Röbers Gruppe einen Transkriptionsfaktor entdeckt, der Pflanzen jung hält und vor Trockenstress schützen kann. 


Editorial

Laborjournal: Während Ihrer Tätigkeit im Bioökonomierat ist 2010 ein Bericht mit dem Titel „Pflanzenforschung für eine nachhaltige Bioökonomie“ entstanden (ISBN 978-3-942044-53-0). Darin schlussfolgern Sie und Ihre Mitautoren, dass man die Erträge durch Kulturpflanzen bis Mitte des Jahrhunderts verdoppeln müsse, um die Versorgung der Weltbevölkerung sicherzustellen. Inwieweit fließen solche gesellschaftspolitischen Aspekte auch in Ihre Arbeit als Forscher ein?

Bernd Müller-Röber: Zunächst einmal sind wir reine Grundlagenforscher und wollen das Verhalten von Pflanzen in ihrer Umwelt verstehen; und zwar die molekularen, biochemischen und physiologischen Mechanismen. Vor allem interessiert uns die Frage, wie eine Pflanze auf Umweltstress wie Hitze oder Trockenheit reagiert. Wenn wir hierzu Gene in Arabidopsis thaliana finden, dann suchen wir danach auch in anderen Pflanzen wie beispielsweise der Tomate. Anschließend schauen wir, inwiefern man über gentechnische Modifikationen die Toleranz einer Kulturpflanze gegenüber Stress erhöhen kann. 

„Wir haben uns gefragt, wie Pflanzen altern“ 

Haben Sie ein Beispiel für solch ein Gen, das die Stressreaktion der Pflanze beeinflusst? 

Müller-Röber: Zum Beispiel forschen wir an einem Gen, dem wir den Namen ‚Jungbrunnen’ gegeben haben. Ursprünglich fanden wir dieses Gen, weil wir uns gefragt hatten, wie eine Pflanze altert. Das ist ein wichtiges Phänomen, denn wenn eine Kulturpflanze Samen bildet und einen möglichst hohen Ertrag bringen soll, dann muss sichergestellt sein, dass die Nährstoffe, die in den Blättern sind, rechtzeitig abgebaut und dann zu den Blüten und Samen transportiert werden. Dort werden die Nährstoffe dann für den Samenaufbau verwendet. Wir haben zahlreiche Gene identifiziert, die diesen Seneszenzprozess regulieren. Und eines dieser Gene verlängert sozusagen die Lebensdauer der Pflanze. Deswegen der Name ‚Jungbrunnen’. 

Wie sind Sie auf Jungbrunnen gestoßen? 

Müller-Röber: Gesucht hatten wir speziell nach Transkriptionsfaktoren, die ihre Aktivität verändern, wenn ein Blatt altert. Da kann man sich über Microarray-Methoden und RNA-Sequenzierung massenhaft Kandidatengene anschauen und sucht die heraus, deren Aktivitätsmuster sich während des Seneszenzprozesses ändern. Dabei sahen wir, dass unter den Transkriptionsfaktoren insbesondere solche der sogenannten NAC-Familie besonders auffällig reagieren. Eines davon war Jungbrunnen, das wir erstmals 2012 publizierten (Plant Cell 24(2): 482-506). 

Das klingt tatsächlich vor allem nach Grundlagenforschung. Oder sind diese Erkenntnisse auch für die Pflanzenzucht von Interesse? 

Müller-Röber: Wir haben später festgestellt, dass Jungbrunnen nicht nur die Lebensdauer verlängert, sondern auch die Toleranz gegenüber unterschiedlichen Umweltstressoren erhöht – insbesondere gegenüber Trockenstress (siehe auch aktuell Plant Biotechnol J, doi: 10.1111/pbi.12776, vorab online veröffentlicht). Wenn wir das Jungbrunnen-Gen aus Arabidopsis nehmen und in andere Pflanzen einbringen, dann tolerieren sie mehr Trockenheit. Jede Kulturpflanze hat natürlicherweise schon eine oder manchmal auch zwei Kopien des Jungbrunnen-Gens. Aktuell wollen wir genauer untersuchen, wie wir durch Genom-Editierung und andere Verfahren die Trockentoleranz in Kulturpflanzen gezielt beeinflussen können. 

Was macht Jungbrunnen denn in der Pflanze? Das Gen ist ja anscheinend im jungen Blatt aktiv und wird herunterreguliert, wenn das Blatt altert, richtig? 

Müller-Röber: Nein, andersherum: Jungbrunnen ist im jungen Blatt noch nicht aktiv und wird erst später exprimiert. 

Dann müsste man Jungbrunnen doch eigentlich inhibieren, um das Pflanzenblatt langsamer altern zu lassen! 

Müller-Röber: Nein, nein – es ist schon so, dass das Blatt länger grün bleibt, wenn Jungbrunnen aktiv ist. Inhibiert man Jungbrunnen, dann geht das Blatt schneller in die Seneszenz. Natürlicherweise ist das Gen zwar zunächst wenig aktiv, wird aber zunehmend stärker exprimiert, wenn sich das Blatt gewissermaßen im Übergang zur Seneszenz befindet, also bevor es gelb wird. Dann nämlich wird der Transkriptionsfaktor wieder herunterreguliert, so dass man normalerweise nur einen transienten Anstieg an Jungbrunnen-Genprodukt misst. Die Sache ist also etwas komplizierter. 

„Jungbrunnen führt zu einer Absenkung von Wasserstoffperoxid“

Diese Reifung des Blattes steht nun irgendwie im Zusammenhang mit der Trockentoleranz der Pflanze. Wie kann ich mir das vorstellen? 

Müller-Röber: Wenn ein Pflanzengewebe altert, dann akkumuliert Wasserstoffperoxid. Wasserstoffperoxid ist zum einen ein Signalstoff, zum anderen wirkt es aber auch zellschädigend, wenn die Konzentration zu hoch ansteigt. Dann werden Proteine, DNA und andere Moleküle oxidiert und verlieren somit ihre Funktionalität. Das tötet am Ende die Zelle ab. Jungbrunnen aber führt zu einer Absenkung von Wasserstoffperoxid in der Zelle. Und das Gen wird auch über Wasserstoffperoxid aktiviert. 

Jungbrunnen reagiert also auf den oxidativen Stress und lindert ihn wieder. 

Müller-Röber: Genau. Und dadurch verhindert Jungbrunnen, dass das Blatt zu schnell abgebaut oder gar zerstört wird. Insbesondere darf die Seneszenz nämlich nicht zu schnell vonstatten gehen, weil die Pflanze sonst keine Gelegenheit hat, hinreichend Nährstoffe in neue junge Blätter, Blüten oder Samen zu transportieren. Und über genau diesen Mechanismus ist Jungbrunnen auch in der Lage, Toleranz gegenüber verschiedenen Stressfaktoren zu erzeugen. So führt nämlich Trockenstress zu einer starken Anreicherung von Wasserstoffperoxid. Damit wird die Pflanze nicht fertig, und deshalb ist Trockenstress so gefährlich. Aber Jungbrunnen schafft es, diesen steilen Anstieg von Wasserstoffperoxid unter Trockenstress zu reduzieren und die Pflanze damit am Leben zu halten. 

Wasser im Gewebe halten 

Ich dachte immer, Trockenstress sei vor allem ein Problem des Wasserhaushalts: Entweder verliert die Pflanze Wasser und vertrocknet, oder sie schließt die Stomata und verhindert den Wasserverlust, kann dann aber auch kein CO2 mehr aufnehmen. 

Müller-Röber: Das stimmt natürlich, letztlich geht es um den Wasserverlust. Wir hatten auch zunächst daran gedacht, dass Jungbrunnen irgendwie auf die Stomata wirkt, doch das scheint weniger der Fall zu sein. Jungbrunnen erreicht den Trockenstress wahrscheinlich über die Akkumulation von Prolin. Verschiedene Arbeiten konnten zeigen: wenn man Jungbrunnen in Arabidopsis, Tomaten oder Bananen überexprimiert, dann erhöht sich der Prolingehalt im Blatt. Prolin ist osmotisch aktiv, hat aber keine schädigende Wirkung auf die Zelle. Das hat letztlich den Effekt, dass das Wasser im Gewebe zurückgehalten wird. Statt die Stomata zu schließen, kann die Pflanze weiter transpirieren und CO2 aufnehmen. Sie kann weiter Photosynthese betreiben und wachsen, weil sie durch das angereicherte Prolin weniger Wasser verliert. 

Kommen wir noch mal zurück auf den eingangs erwähnten Bericht des Bioökonomierats: Könnten genetische Modifikationen des Jungbrunnen-Gens helfen, höhere Erträge von Nutzpflanzen zu erzielen und diese auch in trockeneren Regionen anzubauen? 

Müller-Röber: Das ist eine wichtige Frage. Wir haben zwei Arten von Experimenten gemacht: Einmal wurde Jungbrunnen unter einem starken konstitutiven Promotor permanent exprimiert. Diese Pflanzen haben eine höhere Stresstoleranz, aber sie verändern auch ihr Wachstum und sind kompakter. Meine Mitarbeiterin Salma Balazadeh hat das intensiv studiert (Nat Plants 2: 16013). Setzt man Jungbrunnen hingegen hinter einen Promotor, der nur unter Stressbedingungen aktiv wird, dann sehen die Pflanzen im Wachstum nahezu normal aus, solange sie nicht unter Trockenstress geraten. Trotzdem sind sie trockentoleranter als Pflanzen, die dieses stressaktivierte Jungbrunnen-Gen nicht überexprimieren. Über geeignete Promotoren können wir die Wachstumsregulation also von der Trockentoleranz-Erhöhung entkoppeln. Und genau das gehen wir jetzt international an und finden hoffentlich heraus, welche Kombination von Promotor und Jungbrunnen für welche Kulturpflanze optimal ist. Das wird sich in den nächsten Jahren zeigen. 

Interview: Mario Rembold

(Im zweiten Teil des Interviews sprachen wir mit Bernd Müller-Röber über die Gesetzeslage zur Genom-Editierung in der Züchtung von Nutzpflanzen. Dieser Teil des Interviews erscheint im September in der Printausgabe von Laborjournal.) 



Letzte Änderungen: 11.08.2017