Editorial

Wie man das Gelenk-Debakel (vielleicht) stoppt

(27.7.17) Die Österreicher sind umtriebiger, die Briten erfolgreicher, und die Franzosen holen immer mehr auf: Höchste Zeit, den Laborkittel mit dem Anzug zu tauschen und eine Firma zu gründen! Zum Beispiel eine, die eine unheilbare Krankheit zu heilen vermag.  
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Das Frankfurter Start-up aidCURE hat beim Science4Life Venture Cup 2017 gewonnen.
© Science4Life

Die autoimmun-bedingte Rheumatoide Arthritis (RA) zu heilen, statt hilflos dabei zusehen zu müssen, wie die Gelenke durch Knorpelzerstörung und Knochenabrieb im Wortsinne „zerfressen“ und die Patienten dabei schmerzbedingt fast wahnsinnig werden – das wäre doch was! Der Frankfurter Rheumatologe Harald Burkhardt und seine jungen Mitarbeiter Frank Behrens und Nadine Schneider vom Klinikum der Goethe-Universität ahnen möglicherweise, wie’s geht. Natürlich ist ihr Ansatz vorerst so experimentell wie ein Flug zum Mars und muss daher in den kommenden Jahren noch ausführlich getestet werden – aber eine kleine Anerkennung haben sie dafür bereits bekommen: den Hauptpreis beim diesjährigen „Science4Life Venture Cup“. Das ist der bundesweit größte Gründer-Wettbewerb, an dem seit 1998 mehr als 5.800 Jungunternehmer teilgenommen haben – und bei dem in der Folge laut Veranstalterangabe „über 800 Unternehmen neu geschaffen“ wurden. Lokalisiert ist der Science4Life Venture Cup im Bundesland Hessen, und insofern steht auch 2017 wieder ein „heimisches“ Start-up auf dem obersten Treppchenplatz, nachdem auch 2016 mit den Darmstädter Beschichtungstechnologen „NanoWired“ ein hessisches Quartett gewann.

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Dieses Jahr seien es 528 Teilnehmer mit 72 Geschäftsideen gewesen – laut Veranstalter so viele wie noch nie – und diejenige des wackeren Mediziner-Trios aus Hessen habe die Juroren am meisten überzeugt. Somit gewannen Burkhardt und Co. mit ihrer experimentellen Arthritis-Therapie den Hauptpreis, der mit 25.000 Euro dotiert ist. Wie aber wollen die drei es hinbekommen, die bislang unheilbare RA zu heilen, bei der zunächst die für die Ernährung des Gelenkknorpels und die Produktion der Gelenkflüssigkeit zuständige Schleimhaut zu wuchern beginnt, den Knorpel überwächst und ihn allmählich zerstört – wodurch schließlich Knochen auf Knochen reibt und die Betroffenen zu bewegungsunfähigen Invaliden werden?

Im prämierten Geschäftsplan des Trios, das sich schon mal den Firmennamen „aidCURE“ gegeben hat und bereits vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, ist von einer „Technologie-Plattform“ die Rede, mit deren Hilfe „personalisierte, biopharmazeutische Immuntherapeutika“ entwickelt werden sollen. Diese noch herzustellenden Präparate sollen das fehlprogrammierte Immunsystem quasi „re-setten“, sprich: wieder auf Normal-Null stellen. Falls das klappt, wären die bislang gegen RA eingesetzten Medikamente so überflüssig wie ein olles Kabel in Zeiten der WLAN-Netze. Im Sinne der bemitleidenswerten Patienten drückt Laborjournal schon mal die Daumen – und berichtet zu gegebener Zeit gerne über die ersten präklinischen oder gar klinischen Studien.

Auch die anderen vier prämierten Life-Science-Ideen drehten sich 2017 um medizinische Themen. Der zweite Platz ging ins benachbarte Bayern; die Inveox GmbH holte sich 10.000 Euro Preisgeld ab mit ihrer Vision eines „effizienten, vollautomatisierten und vernetzten Labors für Kliniken und Pathologen“, in dem „von der Entnahme des Gewebes bis hin zur Auswertung“ alles Wesentliche vor Ort und somit weniger Fehler-behaftet ablaufen kann.

Rang drei und 5.000 Euro Preisgeld gingen an das Chirurgen-Team der Kölner Fasciotens GmbH. Diese haben ein Gerät zur Wiederverschließbarkeit des Bauches nach einer Operation ersonnen, mit dem verhindert wird, dass innere Organe geschädigt würden. Der „Fasciotens“ benannte Apparillo „zieht über einen längeren Zeitraum die geöffnete Bauchwand vom Körper weg und verhindert somit ein Zurückweichen der zum Bauchverschluss notwendigen Strukturen“, so die Eigendarstellung der Rheinländer. Komplikationen wie Infektionen würden verhindert, die Sterblichkeitsrate der Patienten gesenkt und die Intensivtherapiedauer vermindert, heißt es weiter.

Die Plätze vier bis zehn belegten Tubulis Technologies (Berlin & München) mit einem „molekularen Kleber“ zur Stabilisierung von Antikörper-Medikament-Konjugaten, Ferrosens (München) für ein patentiertes Gerät zur nichtinvasiven Eisenmangelmessung, sowie CrystalsFirst (Marburg), DyNabind GmbH und Infrasolid GmbH (beide Dresden), miRdetect GmbH (Bremen) und Organix (Jena).

Wer sich nun ebenfalls als Gründer betätigen möchte und dafür noch etwas Kleingeld sowie praktische Hilfe von Experten benötigt: Die nächste Runde des Science4Life Venture Cups startet am 1. September 2017. Teams aus Forschungsinstituten und Universitäten mit einfallsreichen und/oder kommerziell aussichtsreichen Geschäftsideen in den Life Sciences, der Chemie und der Energiewirtschaft sind vom Veranstalter aufgerufen, sich zu beteiligen und ihre Geschäftsidee zur Bewertung abzugeben. Detaillierte Informationen gibt’s bei www.science4life.de. Laborjournal wünscht viel Erfolg!

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 28.08.2017