Editorial

Gene Editing erleichtern: Ein Toolkit für Pflanzenforscher

(19.9.17) An der Universität in Halle an der Saale haben Forscher ein Toolkit mit vorgefertigten Vektoren entwickelt, um CRISPR/Cas9-Konstrukte schnell designen und in Pflanzen einbringen zu können. 
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Unser Special in der neuen Printausgabe 9/2017 dreht sich ums Gene Editing. Gleich der erste Artikel fasst die aktuellen Weiterentwicklungen rund um CRISPR/Cas9 zusammen. Wie kann man Cas9-Nukleasen verbessern oder mithilfe von Algorithmen zuverlässige sgRNAs designen? Kann man die zellinternen Mechanismen zur Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen manipulieren, um gezielt neue Sequenzen dort einzufügen, wo die Cas9-Genschere schneidet?

Im Beitrag stellen wir Forscher und deren Arbeiten vor, die sich mit ebensolchen Verbesserungen der CRISPR/Cas9-Techniken befassen. Damit man eine neue Methode aber auch im praktischen Laboralltag anwenden kann, braucht man heutzutage darüber hinaus handliche und kostengünstige Werkzeugkästen, mit denen man die Methoden auch effizient umsetzen kann. Zum Beispiel klug ausgetüftelte Vektoren, um CRISPR/Cas9-Konstrukte überhaupt in seine Modellorganismen hineinzubekommen.

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Genau daran arbeitet der Pflanzengenetiker Johannes Stuttmann, der eine Gruppe am Institut für Biologie und Genetik der Uni Halle an der Saale leitet. Seine Kollegen und er haben unlängst einen Vektorbaukasten vorgestellt, mit dem man CRISPR/Cas9-Konstrukte in zweikeimblättrige Pflanzen einbringen kann, um gezielt Deletionen auszulösen. Getestet haben die Forscher ihr Toolkit an Tabak und Arabidopsis – und schleusten in deren Genome bis zu acht sgRNA-Sequenzen gleichzeitig ein (Plant J. 89(1): 155-68).

„Wir haben die Vektoren handlicher gemacht“

„Das hätte man vorher natürlich auch schon machen können“, stellt Stuttmann klar – und betont, dass man die eigentlichen molekularbiologischen Werkzeuge nicht verbessert habe. „Das Problem war bislang aber, dass es keine praktischen Tools dafür gab; wir haben die Vektoren jetzt handlicher gemacht.“

In der Theorie klingt Gene Editing zwar sehr simpel: Das Cas9-Protein bindet eine sgRNA. Diese hat einen mehr oder weniger frei wählbaren Abschnitt, den man komplementär zu einem Ziel im Genom des Modelorganismus designt. So leitet die sgRNA dann das Cas9-Protein zu diesem Ziel, Cas9 schneidet und verursacht einen DNA-Doppelstrangbruch. Bei der Reparatur können dann Mutationen entstehen, und schon hat man gezielt einen Lokus im Genom verändert.

 

 
Hallenser "Werkzeugmacher" (v.l.): Johannes Gantener, Jana Ordon und Johannes Stuttmann 
(Foto: Siegfried Platzer) 

 

Wie einfach oder kompliziert die Arbeit mit CRISPR/Cas9 in der Praxis aber tatsächlich ist, hängt unter anderem vom Modellsystem ab. In Zellkulturen oder Mauszygoten kann man direkt Cas9-Proteine mit der sgRNA zugeben. Man muss also nicht erst transgene Organismen mit den CRISPR/Cas9-Konstrukten erzeugen. „So können Sie aber nur arbeiten, wenn Sie gute Zellkultursysteme haben“, schränkt Stuttmann ein. Bei Pflanzen sei es daher meist effizienter, zunächst die kodierenden Sequenzen der Gene Editing-Moleküle ins Genom einzubringen. Nach erfolgreichem Editieren werden die CRISPR/Cas9-Genkassetten dann in Folgegenerationen durch Kreuzung und Segregation eliminiert, wobei man mittels PCR oder geeigneter Reporter gegen das Transgen selektiert. So vermeidet man, dass Cas9-Nukleasen in der erzeugten Pflanzenlinie exprimiert bleiben und womöglich weiterhin schneiden und damit unerwünschte Ziele treffen (um solche Off-Target-Effekte geht es auch in dem oben erwähnten Artikel im Heft).

„Da geben Sie einfach Ihre Restriktionsenzyme und die Ligase dazu“

Stuttmanns Team hat für die Transformation der Pflanzen Agrobacterium eingesetzt. Die Vektoren mit den Konstrukten müssen also zunächst in die Bakterien eingebracht werden und sich dort auch replizieren. Zuvor aber gilt es, die Vektoren korrekt zusammenzubauen. Die ersten Schritte finden in vitro und in E. coli statt. Bei den älteren Methoden seien all diese Einzelschritte weniger effizient gewesen. „Es gab viel mehr Variablen“, umschreibt Stuttmann den Aufwand – und so habe man oft erst ganz am Ende gewusst, ob die Transformation erfolgreich war oder nicht.

Die Hallenser Forscher haben daher Agrobacterium-taugliche Vektoren vorgefertigt, die bereits Cas9-Sequenzen und Selektionsmarker enthalten; dort fehlen nur eine oder mehrere sgRNA-Sequenzen. Diese generiert der Experimentator mit Hilfe sogenannter Shuttle-Vektoren nach seinen eigenen Wünschen, denn die sgRNAs bestimmen ja das Ziel im Pflanzengenom. Zunächst belädt man die Shuttle-Vektoren mit kurzen DNA-Fragmenten, die man heutzutage günstig von kommerziellen Anbietern nach eigenen Vorgaben synthetisieren lassen kann. Auf den Agrobacterium-Zielvektoren gibt es dort, wo die individuell designten sgRNA-Sequenzen einzufügen sind, Platzhalter mit einem ccdb Gen – einem negativen Selektionsmarker, der für einen bakterientoxischen DNA-Gyrase-Hemmer kodiert. Flankiert wird die Sequenz im Zielvektor von charakteristischen Erkennungssequenzen für Restriktionsenzyme. Per Golden Gate-Klonierung entfernt man den Platzhalter und setzt die gewünschte sgRNA-Sequenz ein (auch die sgRNA-Sequenz auf den Shuttle-Vektoren ist von solchen Erkennungssequenzen umschlossen). „Da geben Sie einfach Ihre Restriktionsenzyme und die Ligase dazu“, beschreibt Stuttmann den Schritt im Reagenzglas, bei dem die sgRNA-kodierende DNA von den Shuttle-Vektoren auf die Zielvektoren übertragen wird.

Eingebracht in Bakterien können wegen des negativen Selektionsmarkers nur die Zellen überleben, die Vektoren tragen, in denen die sgRNA erfolgreich eingebracht ist. Natürlich gibt es für die Positiv-Selektion auch noch Antibiotikum-Resistenzgene auf den Vektoren. „Über mehrere hierarchische Level kann man seine Bausteine nach eigenen Wünschen zusammenfügen“, erklärt Stuttmann das Prinzip seines Toolkits.

Sehr große Deletionen gelingen selten

Um in den Pflanzen größere Deletionen zu erzeugen, hat Stuttmann Paare von sgRNAs eingesetzt, die so gewählt waren, dass deren Zielsequenzen einen mehr oder weniger großen Abschnitt im Genom der Pflanze flankieren. Deletionen von weniger als hundert Basenpaaren konnten die Forscher auf diese Weise mit hoher Effizienz induzieren. Doch je weiter die Schnittstellen auseinander lagen, desto seltener gelangen die Deletionen. Für 120-Kilobasen-Abschnitte lag die Erfolgsquote bei weniger als einem Prozent.

Warum große Deletionen schwerer herbeizuführen sind als kleine, darüber lasse sich derzeit nur spekulieren, so Stuttmann. „Wir können uns vorstellen, dass sich die Chromosomenenden schwerer wiederfinden, je weiter sie auseinanderliegen. Wenn diese Schnitte nicht repariert werden können, degradiert die DNA und die Zelle stirbt.“ Momentan habe man aber nicht genügend Daten, um die Probleme bei der Erzeugung sehr großer Deletionen sicher zu erklären.

Innerhalb von vier Tagen lassen sich laut Stuttmann mit dem Toolkit fertige Vektoren basteln und in Agrobacterium einbringen – und diese können bis zu acht sgRNAs enthalten. So kann man entweder mehrere Deletionen gleichzeitig induzieren oder auch in der Nähe eines Lokus zwei oder mehr Ziele auswählen. „Dann erhöhe ich die Wahrscheinlichkeit, dass der Schnitt erfolgreich ist“, begründet Stuttmann. Denn wie effizient eine sgRNA die Spaltung einer Zielsequenz vermittlt, lasse sich nicht immer vorhersagen. Mit mehreren sgRNAs pro Lokus habe man dann eine gewisse Redundanz – wenn die eine sgRNA nicht funktioniert, gelingt es vielleicht mit der zweiten oder dritten.

Johannes Stuttmann und seine Kollegen haben hier also nicht das Rad neu erfunden, aber sie haben viele bereits bestehende Kleinteile so zusammengeschraubt, dass das Rad besser und schneller fahren kann.

Mario Rembold



Letzte Änderungen: 12.10.2017