Editorial

Praktisch konserviert

(07.02.2018) Für die Einzelzell-Isolation wurden ausgeklügelte Hightech-Geräte entwickelt, die das Ganze automatisch erledigen. Wie aber hält man die extrahierten Zellen fit bis das Gerät bereit ist?
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(07.02.2018) Biologisches Material, dem man möglichst viele unverfälschte Informationen entlocken will, sollte vor allem eins sein: frisch. Bei der Isolation von Einzelzellen ist dies aber oft genug nur ein Wunschtraum. Von der Extraktion der Zellen bis zu ihrer Vereinzelung in einem entsprechenden Gerät vergeht oft relativ viel Zeit. Das kann verschiedene Ursachen haben: Experimente mit Zeitreihen, große Distanzen zwischen Probenentnahme und Einzelzell-Plattform oder schlicht und einfach ein über längere Zeit besetztes Instrument. In diesen Fällen müssen die Zellen solange fixiert, beziehungsweise konserviert werden, bis sie im wahrsten Sinne des Wortes an der Reihe sind.

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Unzufrieden mit Formaldehyd und Methanol

Die hierzu bisher verwendeten Techniken, wie zum Beispiel das Crosslinking mit Formaldehyd oder die Fixierung mit Methanol, konnte eine Gruppe um Rory Bowden vom Oxford Genomics Centre nicht überzeugen. Bowdens Team bietet Einzelzell- und Genomanalysen als Serviceleistung an und benutzt verschiedene kommerzielle Plattformen für die Vereinzelung der Zellen. Offensichtlich kam es an diesen immer wieder zu Engpässen, einschließlich der damit verbundenen Wartezeiten für die extrahierten Zellen. Die Wissenschaftler überlegten sich deshalb eine neue Technik, mit der sie Zellen fixieren konnten, bis sie vereinzelt und für die RNA-Sequenzierung aufbereitet werden.

Die Lösung des Problems ist ziemlich simpel: Das Team um Bowden konservierte die Zellen in Dithiobis(succinimidylpropionat), kurz DSP, das auch als Lomants Reagenz bekannt ist. DSP vermittelt die chemische Vernetzung freier Amino-Gruppen, die sich durch die Zugabe von Dithiothreitol (DTT) wieder lösen lässt, und wird auch für histologische Gewebefixierungen verwendet.

Eine kompatible Universallösung

Im Gegensatz zu den bisherigen Konservierungsstrategien, die meist nur in einzelnen Systemen oder bei bestimmten Zelltypen funktionieren, ist die reversible Konservierung mit DSP eine Universallösung, die zudem mit gängigen Färbemethoden kompatibel ist. Darüber hinaus zeigten die Forscher anhand von Experimenten mit K562-Zellen, dass die DSP-Fixierung auch die technische Variabilität der Analyseergebnisse senkt.

Die Herstellung der DSP-Lösung ist überraschend tricky, wird aber in dem Paper der Gruppe detailliert beschrieben und in einem eigens gedrehten Video zusätzlich vorgeführt. Für die Fixierung werden die Zellen in PBS gewaschen und dreißig Minuten in der DSP-Lösung (1mg/ml in PBS) inkubiert. Die Vernetzungsreaktion stoppt man anschließend mit einigen Mikrolitern 1M TRIS-HCl. Will man die Quervernetzung wieder aufheben, gibt man DTT bis zu einer Endkonzentration von 50mM zu. Folgt auf die Zellvereinzelung eine RNA-Sequenzierung, pipettiert man DTT einfach in den Lysepuffer.

So gut wie frisch

Um zu sehen, welche Auswirkung die Fixierung auf die Zellen hat, untersuchten Bowdens Mitarbeiter sie zunächst unter dem Mikroskop. Die DSP-fixierten Zellen sahen unauffällig und fidel aus und unterschieden sich nicht von ihren frischen Kompagnons. Vor der eigentlichen Analyse kitzelte Bowdens Gruppe einige zusätzliche Informationen aus den DSP-fixierten Zellen heraus. Die Forscher färbten sie zum Beispiel mit Hoechst 33342 (DNA/Zellkern) oder dem Zelltod-Marker Propidium-Iodid (PI). Bei diesen Experimenten bestätigte sich, dass die fixierten Zellen nicht an Vitalität einbüßten. Zudem konnte die Gruppe während der Vereinzelung tote Zellen (PI+) erkennen, die sie in den anschließenden RNA-Seq-Experimenten mit fixierten Zellen nicht berücksichtigte.

Bei RNA-Sequenzierungen, die das Team mit frischen sowie für zwei, drei oder sieben Tage fixierten Zellen durchführte, fanden die Forscher kaum Unterschiede in den erhaltenen cDNA-Profilen. Tatsächlich variierten die Transkriptom-Daten zwischen unterschiedlichen Proben der verwendeten K562-Zellen stärker, als zwischen frischen und fixierten Zellen.

Zwei kleine Wermutstropfen hat die DSP-Fixierung dennoch. Die cDNA-Ausbeuten sind etwas geringer; erfreulicherweise zeigen sie aber eine geringere Schwankungsbreite. Zudem sind die Transkripte fixierter Zellen etwas 3´-lastig. Dieser Effekt, der sich mit zunehmender Lagerzeit verstärkt, gilt jedoch für fixierte Einzelzellen und Zellpopulationen gleichermaßen.

Andrea Pitzschke



Letzte Änderungen: 07.02.2018