Editorial

Vorbild Natur

(06.03.2018) Ein neues EU-gefördertes Projekt nimmt sich Schwimmfarne zum Vorbild um die Schifffahrt günstiger und umweltschonender zu machen.
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Salvinia minima

(06.03.2018) Von der Natur kann man einiges lernen. Kein Wunder – die Evolution sorgt ja schließlich dafür, dass biologische Strukturen ständig optimiert werden. In der Biologie entstehen so die ausgetüfteltsten Lösungen fast wie von selbst. Schon Leonardo da Vinci hatte die Idee, den Vogelflug auf eine Flugmaschine zu übertragen. Auch der Klettverschluss und der Lotuseffekt sind bekannte Beispiele für technische Lösungen, ganz nach dem genialen Vorbild der Natur. Jetzt soll auch die Schifffahrt von biologischen Vorbildern profitieren – den Schwimmfarnen.

Die schwimmenden Farne der Gattung Salvinia haben eine extrem wasserabweisende Oberfläche, die mit feinen Härchen übersät ist. Wenn Pflanzenteile unter Wasser getaucht werden, kann kein Wasser zwischen die Härchen gelangen – dafür sorgen superhydrophobe Mikro- und Nanostrukturen. Die Luft, die sich zwischen den Härchen befindet, wird festgehalten. Während die Härchen selbst immer wasserabweisend sind, ziehen die Haarspitzen mancher Farne das Wasser an. Dadurch wird die Luft unter Wasser eingeschlossen und dauerhaft an der Pflanzenoberfläche gehalten. Dieses Luftpolster dient den Pflanzen sowohl als Schwimmkörper, als auch als Schutzschicht – sie können auch unter Wasser „atmen“.

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Genialer Farn

Nun stelle man sich ein Schiff vor, mit einer Luft haltenden Oberfläche wie die der Schwimmfarne. Welchen Vorteil hätte dieses Schiff? Das Schiff würde auf einer Luftschicht durch das Wasser gleiten – mit weniger Reibung und folglich weniger Energieverbrauch und weniger Emissionen. Klingt genial! Doch wie ist es möglich, die Oberfläche der Schwimmfarne auf Schiffe zu übertragen?

Genau mit dieser Fragestellung beschäftigen sich Wissenschaftler im Forschungsprojekt „AIRCOAT“. Das internationale Team besteht aus zehn Kleinen und Mittleren Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus Belgien, Deutschland, Finnland, Malta, den Niederlanden und Zypern. Am Standort Deutschland sind neben dem Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen (CML) in Hamburg, welches das Konsortium führt, auch das Bionik-Innovations-Centrum (B-I-C) der Hochschule Bremen und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) beteiligt. Das im Rahmenprogramm „Horizon 2020 – Mobilität für Wachstum“ mit 5,5 Millionen Euro geförderte Projekt startet im Mai 2018. In den kommenden drei Jahren wird sich das Forscherteam vom Schwimmfarn inspirieren lassen.

Zum Wohle der Natur

Die Wissenschaftler werden versuchen, die Oberflächenstrukturen des Schwimmfarns Salvinia technisch herzustellen und in Beschichtungen für Großschiffe zu überführen. Hierbei muss es ihnen gelingen, das Ganze auch wirtschaftlich interessant zu halten. Antonia Kesel, Professorin und Leiterin des B-I-C, erklärt in einer Pressemitteilung: „AIRCOAT verfolgt mehrere ehrgeizige Ziele parallel, um deutliche Verbesserungen in der Ökobilanz von Großschiffen zu erreichen. Wenn es uns beispielsweise gelingt, mit neuartigen, bionisch optimierten Oberflächenstrukturen die Reibungsverluste von Schiffen merklich zu verringern, kann das Projekt einen wertvollen Beitrag zum Schutz der Meere sowie der Atmosphäre leisten.“

Weniger Reibung bedeutet jedoch nicht nur weniger Treibstoff und Emissionen, auch die Kosten sinken. Zudem soll die neuartige Außenhülle die Schiffe leiser machen, indem sie Geräusche absorbiert. Auch eine giftfreie „Antifouling-Wirkung“ soll in die neue Hülle eingebaut werden. Der unerwünschte Bewuchs von Schiffsrümpfen („Fouling“) ist ein großes Problem in der Schifffahrt. Die derzeit verwendeten „Antifouling-Beschichtungen“ geben permanent giftige Stoffe ins Wasser. Eine Luftschicht könnte Meeresorganismen ebenfalls daran hindern, sich an Schiffe anzuheften – und das deutlich umweltschonender.

Simulationen sparen Zeit

Um ihrem Ziel näher zu kommen, wollen die Wissenschaftler mit Simulationen arbeiten. „Ein wichtiges Hilfsmittel in dem komplexen Abstraktions- und Optimierungsprozess sind numerische Simulationen“, erklärt Albert Baars, Professor für Fluidmechanik an der Hochschule Bremen, der Presse. „So simulieren wir bereits Effekte, bevor Prototypen umgesetzt werden. Dadurch lässt sich enorm viel Entwicklungszeit sparen, wenn nicht mehr jeder Zwischenschritt gebaut und direkt getestet werden muss.“

Kleine Testflächen wollen die Forscher zuerst im kleinen Maßstab im Labor untersuchen. Anschließend wollen sie Freilandversuche an der Nordsee und im Mittelmeer direkt an Großschiffen durchführen. Hierbei überwachen kleine Unterwasserroboter dann die neu entwickelten Beschichtungen der Schiffe.

Eva Glink



Letzte Änderungen: 02.03.2018