Editorial

Schöne digitale Welt

(26.03.2018) Gute Wissenschaftliche Praxis beinhaltet auch einen verantwortungsvollen Umgang mit Forschungssoftware. Eine Arbeitsgruppe hat sich zu dem Thema Gedanken gemacht.
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(26.03.2018) Was wäre ein moderner Lebenswissenschaftler ohne Softwarelösungen wie Matlab, Figshare, ImageJ, FlowJo, Clustal oder digitale Anwendungen des täglichen Bedarfs: LibreOffice, Dropbox, Excel etc.? Ziemlich verzweifelt. Während sich die Politik (Stichwort: „Flugtaxi statt Breitbandausbau“) derzeit noch schwer tut, gibt es in Wissenschaftskreisen ernsthafte Bemühungen, sich intensiv mit der Thematik Digitalisierung auseinanderzusetzen.

Genau zu diesem Zwecke gründete sich die Arbeitsgruppe „Wissenschaftliche Software“ der Allianz-Initiative Digitale Information vor zwei Jahren. Der AG gehören unter anderem Neurowissenschaftler Björn Brembs (Universität Regensburg) und Bioinformatiker Konrad Förster (Universität Würzburg) an. Unter Leitung von Matthias Katerbow (Deutsche Forschungsgemeinschaft) und Georg Feulner (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) veröffentlichten sie kürzlich eine 20-seitige „Handreichung zum Umgang mit Forschungssoftware“.

Editorial
Neue Herausforderungen

„Im Zuge des digitalen Wandels ist Forschungssoftware zu einem zentralen Element des wissenschaftlichen Arbeitens geworden. (…) Aufgrund dieser wesentlichen Bedeutung von Forschungssoftware ergeben sich neue Herausforderungen für die Gute Wissenschaftliche Praxis mit Blick auf die Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit von Forschungsergebnissen“, heißt es in der Einleitung.

So sei zwar der Umgang mit Forschungsdaten genau reglementiert (wie lange muss ich sie aufbewahren, wer hat Zugriff?), bei Forschungssoftware sieht es aber ganz anders aus – hier gibt es kaum Vorschriften oder Leitlinien. Die Handreichung ist nun ein erster Schritt leitenden Wissenschaftlern, Infrastruktureinrichtungen wie Bibliotheken und Software-Entwicklern Problematiken aufzuzeigen und ihnen konkrete Empfehlungen an die Hand zu geben.

Insgesamt erkannte die Arbeitsgruppe drei Problemzonen: die Entwicklung von Forschungssoftware, die Nutzung von Forschungssoftware und das Anbieten von Forschungssoftware als Community-Dienstleistung. Immer wieder wird jedoch hervorgehoben: Ganz egal, ob man Software entwickelt, nutzt oder anbietet, im Idealfall sollte Forschungssoftware quelloffen und frei verfügbar sein. Was gibt es also zu beachten, wenn man Software zum Beispiel selbst entwickelt?

Wenig Leute, wenig Zeit

„Akademische Software-Entwicklung findet derzeit überwiegend in einem Umfeld statt, in dem befristete Arbeitsverträge, fehlendes Fachpersonal und Zeitdruck eine professionelle Software-Entwicklung erschweren“, konstatieren die Autoren. Hinzu kommt, dass es bis jetzt keine allgemeinen Standards für die Veröffentlichung der Quellcodes und die Software-Dokumentation gibt und, dass reine Software-Entwicklung in den seltensten Fällen als wissenschaftliche Leistung anerkannt wird.

Die Autoren schlagen vor, dass durch gezieltes Anwerben von qualifiziertem Personal und durch „Schaffung und Anerkennung von ausreichend zeitlichem Spielraum in Forschungsprojekten“ für die Software-Entwicklung diesem Trend entgegen gewirkt werden könnte.

In den meisten Fällen entwickeln Forscher Software nicht selbst, sie nutzen sie: sei es von kommerziellen Anbietern oder akademische Software. Nachbesserungsbedarf besteht hier vor allem was Veröffentlichungen angeht. Denn bis jetzt gibt es keine Vorgaben, wie die Nutzung von Software im Methodenteil anzugeben ist. Welche Version wurde beispielsweise benutzt, wie waren die Konfigurationen, in welcher Soft- und Hardware-Umgebung wurde das Programm eingesetzt. Unklarheit darüber trägt nicht gerade dazu bei, die Reproduzierbarkeit von Forschungsergebnissen zu gewährleisten.

Dringend Regeln aufstellen

Was weiterhin fehlt, sind Repositorien, die das Finden von bereits bestehenden Softwarelösungen vereinfachen und so „unnötige Entwicklungsarbeit“ vermeiden. Klare Handlungsempfehlung der Arbeitsgruppe Forschungssoftware: Regeln zur Beschreibung der Anwendung von Forschungssoftware müssen schnellstens aufgestellt werden. Wissenschaftler könnten zum Beispiel in ihrer Funktion als Gutachter auf die Einhaltung achten.

„Kurzfristig ist es vor allem wichtig, bei allen Akteuren das Bewusstsein für die Problematik und für bestehende Lösungsansätze zu schärfen. Mittel- und langfristig sollten gemeinsame Standards entwickelt werden. Aufgrund der wachsenden Relevanz von Forschungssoftware ist vor allem eine stärkere Vernetzung der verschiedenen Akteure notwendig, insbesondere auch über Fächergrenzen hinweg“, fassen die Autoren zusammen. „Die Vernetzung sollte aber auch innerhalb von Einrichtungen verstärkt werden, gerade auch die Weitergabe von Wissen und Erfahrung an Nachwuchswissenschaftler.“

Wer sich näher mit dem Thema „Forschungssoftware“ beschäftigen möchte, dem empfiehlt Matthias Katerbow einen Blick in die folgenden Ressourcen:

Research Software Sustainability (Report from Knowledge Exchange)

The Software Sustainability Institute

Research Software Engineers (RSEs)

Working towards Sustainable Software for Science

Helmholtz: Wissenschaftliche Software

Nachhaltigkeit von Forschungssoftware

Openness and Collaboration in Modern Scholarship Based on Digital Information Infrastructures

Kathleen Gransalke



Letzte Änderungen: 26.03.2018