Editorial

Auf nichts ist Verlass

(20.06.2018) Die Silica-Oberflächen kleiner Spin-Säulchen für die RNA-Extraktion ziehen RNA magisch an. Manchmal so stark, dass sie schon vor der Extraktion im Labor mit RNA verunreinigt sind.
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DNA-Kontaminationen sind im Laboralltag recht häufig, insbesondere wenn man mit kleinen Probenvolumina arbeitet. Kontaminations-Quellen können zum Beispiel verunreinigte Extraktions-Kits und Reagenzien sein. Aber auch durch das Proben-Handling selbst kann man sich DNA-Kontaminationen einhandeln. In der Literatur finden sich zahlreiche Publikationen, die sich mit DNA-Kontaminationen beschäftigen. Dagegen ging man bisher davon aus, dass Verunreinigungen durch RNA kaum auftreten, da RNA-Moleküle sehr instabil und RNAsen allgegenwärtig sind.

Dass man aber auch bei der RNA-Extraktion gut aufpassen sollte, zeigt der Fall von Paul Wilmes‘ Gruppe vom Luxemburger Zentrum für Systembiomedizin. Das Team um Wilmes versucht, kleine RNAs (sRNAs) im Blut von Patienten als Biomarker in der Diagnostik zu etablieren. Dazu isolierte das Team die sRNA mit den Silica-basierten Extraktions-Säulen des RNeasy-Kits von Qiagen. Merkwürdigerweise fanden Wilmes‘ Mitarbeiter dabei immer wieder exogene sRNAs, die sie dem humanen Genom nicht zuordnen konnten. Um den Verdacht auszuräumen, dass sie die exogenen sRNAS selbst durch schlampige Arbeitsweise eingeschleppt hatten, ging die Gruppe der Ursache für die fremden sRNAs auf den Grund.

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Nicht-menschliche Sequenzen

Wilmes‘ Mitarbeiter extrahierten sRNA aus 100 µl Blutplasma-Proben von zehn gesunden Individuen und sequenzierten diese anschließend. Unter den RNA-Sequenzen fanden sie 19 nicht-humane, die mit mehr als 1000 cpm (counts per million) in allen analysierten Proben nachweisbar waren.

Die RNA-Sequenzen überprüfte die Gruppe mit der qPCR. Dazu stellte sie zunächst synthetische sRNAs her, deren Sequenzen mit den gefundenen nicht humanen sRNA-Sequenzen übereinstimmten. Nach Polyadenylierung und anschließender reverser Transkription in cDNA optimierte die Gruppe die Primer sowie die PCR-Bedingungen. Mit der optimierten qPCR wiesen die Forscher schließlich die exogenen RNA-Sequenzen in der aus dem Blutplasma extrahierten RNA nach.

Dies gelang jedoch nur, wenn vor der qPCR eine Polyadenylierung und reverse Transkription erfolgte. Damit war ausgeschlossen, dass es sich bei den Verunreinigungen um DNA handelte. Bei einer Kontroll-PCR, welche die Gruppe nur mit Wasser durchführte, fanden die Forscher keine PCR-Produkte. Das verwendete Wasser kam damit als Quelle für die fremde RNA nicht in Frage.

Kontaminierte Säulchen

Extrahierte die Gruppe jedoch RNA aus RNA-freiem Wasser statt aus Blutplasma mit dem RNeasy-Kit, konnte sie mit der anschließenden PCR alle nicht-humanen RNA-Sequenzen amplifizieren. Es war also naheliegend, dass eine Komponente des Kits mit den sRNAs verunreinigt war. Bei einem gezielten Test fanden die Luxemburger schließlich die sechs häufigsten nicht-humanen RNAs aus den Blutproben im Eluat der Extraktions-Säulchen. Offensichtlich waren also die Silica-Säulchen mit den sRNAs kontaminiert.

Dass dies kein Einzelfall ist, verriet ein Blick der Gruppe in die veröffentlichten Sequenz-Daten aus Experimenten mit geringen Probenmengen. Unabhängig von der RNA-Extraktions­prozedur fanden sich in allen Fällen unerwünschte RNA-Sequenzen mit einem Gesamtanteil von bis zu 99 Prozent. Die sechs Sequenzen aus ihrem eigenem Experiment tauchten in allen Proben mit kleinem Volumen auf, die mit miRNeasy-Kits extrahiert worden waren. Die Literatur-Daten zeigen allerdings auch, dass der Anteil der unerwünschten RNA negativ mit der Probenmenge korreliert - je größer die Probenmenge, desto kleiner der Anteil nicht erwünschter RNA.

Alternative: Ultra-sauberes Kit

Die Gruppe testete verschiedene Methoden, um die Kontaminationen zu minimieren. So lässt sich die Konzentration der RNA-Verunreinigungen durch Reinigung der Säulen mit dem Oxidans Natriumhypochlorid verringern. Die Gruppe erzielte damit eine bis zu hundertfache Reduktion der Amplifi­kationsrate. Alternativ kann man „ultra-saubere“ Extraktions-Kits verwenden, die eine signifikant geringere Verunreini­gungsrate aufweisen. Kombiniert mit einem passenden Probenvolumen sind hierdurch noch bessere Ergebnisse möglich. Die Forscher führten ein Titrations­experiment mit verschiedenen Volumina derselben humanen Plasmaprobe durch und fanden, dass die Rate der RNA-Verunreinigungen bei einer 100 µl Probe mit einem ultra-sauberen Extraktions-Kit von 7000 cpm auf unter 100 cpm sank.

Die Ergebnisse zeigen, dass RNA-Kontaminationen nicht zu unterschätzen sind und unabhängig vom verwendeten Extraktions-Kit auftreten. RNA-Kontaminationen führen nicht nur zu überhöhten miRNA-Ausbeuten, sondern auch zu verwirrenden Ergebnissen bei Organismen mit sRNAs, die den RNA-Kontaminationen ähneln. Insbesondere bei kleinen Probenmengen sollte man vorsichtig sein. Ein möglichst hohes Probenvolumen von mehr als 100 Mikrolitern verringert die Konzentration der RNA-Verunreinigungen. Zudem sind Kontroll-Analysen wichtig, um Artefakte durch Kontaminationen zu erkennen.

Man kann sRNAs, die als Biomarker in der Diagnostik eingesetzt werden sollen, aber auch ohne Kits isolieren. Eine iranische Gruppe zeigt zum Beispiel sehr schön, wie man sRNAs mit Kaliumacetat und Lithium-Chlorid aus Blutplasma extrahiert.

Miriam Colindres

Vahed et al. (2016): A microRNA isolation method from clinical samples. Bioimpacts, 2016; 6(1): 25–31


Letzte Änderungen: 20.06.2018