Editorial

Variation in Grün

(18.07.2018) Ein fluoreszierender Dopamin-Sensor misst schnell und zuverlässig Verän­derungen der Neurotransmitter-Konzentration im Nerven­system von Fisch, Fliege und Maus.
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Der Neurotransmitter Dopamin mischt bei vielen wichtigen Prozessen im Gehirn mit. Probleme bei der Produktion von Dopamin oder der Weiterleitung des Signals führen zu Entwicklungs­störungen und verschiedenen pathologischen Komplikationen. Im zentralen Nervensystem von Vertebraten steuert Dopamin zum Beispiel das Belohnungs­system, die Aufmerksamkeit sowie die motorische Kontrolle. Läuft dabei etwas schief, sind häufig Schizophrenie, Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADHD) oder Parkinsonsche Krankheit die Folge.

Methoden, mit denen man die Synthese, Menge und Verteilung von Dopamin verlässlich in Modell-Organismen verfolgen kann, sind nicht nur in der Grundlagen­forschung, sondern auch in Medizin und Pharma-Industrie heiß begehrt. Nicht zuletzt deshalb, weil die bisherigen Verfahren erhebliche Schwächen aufweisen: Die Messung über intrazerebrale Mikrodialyse gilt zwar als Goldstandard, ist aber mit Proben-Entnahmezeiten von zehn Minuten sehr zeitaufwändig. Die Fast-Scan-Cyclische-Voltammetrie (FSCV) als Alternative ist zwar wesentlich flotter, benötigt aber einen Oxidations­schritt und kann deshalb zwischen Dopamin und strukturell ähnlichen Neuro­transmittern nicht zuverlässig unterscheiden. Bei beiden Verfahren steht zudem ein ziemlich dicker Elektroden-“Brocken“ im Weg, der für die Messung ins Hirngewebe implantiert werden muss.

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Naiver Beginn

Ein US-amerikanisch-chinesisches Forscherteam um den Synapsen-Spezialisten Yulong Li von der Pekinger University School of Life Sciences entwickelte ein wesentlich einfacheres und schnelleres Verfahren für die Dopamin-Detektion. Am Anfang stand eine zunächst naiv anmutende Vision, die aber letztlich aufging: Das Team hatte einen spezifisch auf Dopamin (DA) reagierenden Sensor mit einem Fluoreszenz-Reporter vor Augen, der sich nach Andocken von Dopamin umfaltet und erst dann fluoresziert.

Der erste Baustein für die Umsetzung war der humane Dopamin-Rezeptor (G-Protein-gekoppelter Rezeptor, GPCR) D 2R, in dessen intrazelluläre Loop-Region das Team den Fluoreszenz-Reporter cpEGFP integrierte. cpEGFP enthält absichtlich falsch angeordnete (circular permutated, cp) Domänen, die dazu führen, dass es erst nach einer Konfor­mations­änderung leuchtet. Schnappt sich der so konstruierte GRAB-DA (GPCR-Activation-Based-DopAmine)-Sensor seinen Liganden Dopamin, so „verrenkt“ sich auch die cpEGFP-Domäne, wodurch GRAB-DA fluoresziert.

Zur weiteren Optimierung unterzog die Forscher­gruppe GRAB-DA einer Zufalls­mutagenese und fischte im anschließenden Screening die zwei Top-Kandidaten GRAB-DA1m und GRAB-DA1h heraus. Beide fluoreszierten annähernd so stark (90 Prozent) wie normales GFP, waren photostabil und reagierten spezifisch auf Dopamin. Einzig ihre EC50-Werte, als Maß für die Affinität zu Dopamin, unterschieden sich: 130 nM für DA1m und 10 nM für DA1h – beides jedoch physiologisch relevante Größen­ordnungen. Im selben Mutagenese-Aufwasch konstruierte das Team eine DA-insensitive Kontroll­variante, deren Dopamin-Bindetasche blockiert war.

Negativer Cocktail

Die drei DA-Sensoren exprimierte die Gruppe zunächst in HEK293T-Zellen sowie Neuronen-Zellkulturen. In diesen verstärkte sich das Fluores­zenz-Signal als Reaktion auf die Behandlung mit Dopamin massiv, vor allem in der Plasmamembran beziehungsweise in subzellulären Komparti­menten von Neuronen. Verabreichten die Forscher DA im Cocktail mit dem DA-Antagonisten Haloperidol, blieb diese Antwort aus. Bei der DA-insensitiven Kontroll­variante kam das Signal auch nach der DA-Behandlung nicht über die schwache basale Fluoreszenz hinaus.

Dass GRAB-DA1m und DA1h nicht nur bezüglich Affinität sondern auch Reaktions­geschwindigkeit variieren, macht sie für unterschiedliche Anwendungen umso interessanter. Applizierten die Forscher Dopamin (lokales Perfusions­system oder Bad-Perfusion), so folgte die Fluoreszenz-Antwort von Da1m binnen 60 Millisekunden, die von DA1h erst nach 140 Millisekunden. Die anschließende Behandlung mit einem Antagonisten löschte das Signal innerhalb von 0,1 beziehungsweise 2,5 Sekunden wieder aus. Beide Sensoren sind spezifisch für DA und reagieren nicht auf andere Neurotransmitter – mit einer Ausnahme. Norepinephrin (Noradrenalin) löste qualitativ die gleiche Fluoreszenz-Antwort wie DA aus, die Affinität zu den GRAB-DA-Sensoren ist aber nur ein Zehntel so stark wie die von Dopamin selbst.

Nach 10 Minuten verschwunden

Arbeiten die zurecht­gebastelten Sensoren wie normale DA-Rezeptoren und geben nach der Bindung des Liganden das Signal ans Zellinnere weiter? Diese Frage beantwortet das Team mit einem klaren: „Nein“. Normalerweise vermittelt das Protein beta-Arrestin die Internalisierung von GCPRs, indem es an deren intrazelluläre Domäne bindet und so eine Dauer­reizung der Zelle verhindert. Entsprechend verschwanden die Fluoreszenz-Signale einer D 2R-Wildtyp-Version, die mit der GFP-Variante pHluorin fusioniert war, nach der Behandlung mit DA innerhalb von zehn Minuten im Zellinneren. Die Fluoreszenz von DA1m und DA1h war dagegen auch nach zweistündiger Exposition mit Dopamin auf der Membran-Oberfläche sichtbar.

Experimente der US-amerikanisch-chinesischen Gruppe mit transgenen DA1m/DA1H-Mäusen belegen, dass die DA-Sensoren nicht nur auf exogenes Dopamin reagieren, sondern auch auf endogenes. Ein elektrischer Reiz setzte bei den Mäusen Dopamin frei, was sich in Form fluoreszierender DA-Sensoren äußerte.

Einsatzmöglich­keiten der neuen DA-Sensoren gibt es viele, etwa bei Tests zur Geruchs­wahrnehmung von Fliegen oder dem Schärfe-Empfinden von Zebra­bärblingen. So exprimierte das Team zum Beispiel DA1m in Dopaminergen Neuronen (DANs) von Drosophila und ließ die Fliegen an Isoamylacetat schnüffeln, um die geruchsbedingte DA-Produktion zu beobachten.

In Zebrabärb­lingen führte die exogene Dopamin-Behandlung von Neuronen, die DA1m exprimierten, zu einem Anstieg der Fluoreszenz, die sich mit einem Antagonisten blockieren ließ. Exprimierten die Forscher zusätzlich zu DA1m einen Capsaicin-Rezeptor in den DANs der Fischlarven, mussten sie nur etwas Capsaicin zugeben, um ein deutliches Fluoreszenz-Signal auszulösen.

Andrea Pitzschke

Sun F. et al. (2018): A Genetically Encoded Fluorescent Sensor Enables Rapid and Specific Detection of Dopamine in Flies, Fish, and Mice. Cell, 174(2):481-96



Letzte Änderungen: 18.07.2018