Editorial

Gentech in der Warteschleife

Kürzlich stimmten die Schweizer für ein Gentech-Moratorium. Damit ist es den schweizer Bauern in den nächsten fünf Jahren nicht erlaubt, Pflanzen anzubauen oder Tiere zu halten, die gentechnisch verändert wurden.

(09.12.2005) Die grüne Gentechnik ist in ganz Europa immer noch sehr umstrittenen. Das Misstrauen ist groß, denn "was der Bauer nicht kennt, dass frisst er nicht". Der jüngste Volksentscheid der Schweizer zugunsten eines fünfjährigen Gentech-Moratoriums zeigt einmal mehr, dass an diesem Sprichwort etwas dran sein könnte.

Offiziell gehören die Schweizer ja immer noch nicht zu Europa. Und diese Eigenheit machte den Aufruhr der letzten Wochen um den Bann der Gentechnik aus deren Landwirtschaft überhaupt erst möglich. In den EU-Mitgliedsstaaten wäre so etwas mittlerweile nicht mehr realisierbar.

Aber fangen wir von vorne an: Im Januar 2004 ist in der Schweiz eines der strengsten Gentechnikgesetze der Welt in Kraft getreten. So weit, so gut. Nun könnten sich die Eidgenossen eigentlich ausreichend geschützt fühlen, denkt man. Doch halt - das ist uns alles noch nicht genug, meinten einige besonders besorgte Schweizer. Gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere passen nicht in unser Heidi-Idyll - zumindest vorerst nicht.

Und so gründeten einige Umweltschützer, Bauernorganisationen und Konsumentenschützer die Volksinitiative "für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft". Sie sind - zumindest offiziell - der Meinung, dass die Risiken der grünen Gentechnik erst einmal besser erforscht werden müssen und schlugen deshalb ein Moratorium vor. Es soll die Anwendung gentechnisch veränderter Pflanzen und Tiere in der Landwirtschaft in den nächsten fünf Jahren verbieten. "Böse Zungen" unterstellen ihnen jedoch, dass sie eigentlich einen dauerhaften Bann im Auge haben.

Langweilig wurde es im Vorfeld der Abstimmung nicht. Es wurde heftig debattiert und um die Gunst der Bürger gerungen. Letztlich trugen die Befürworter des Moratoriums den Sieg davon - und zwar haushoch. In allen Kantonen wurde es angenommen, insgesamt mit einer Mehrheit von 55,7 Prozent.

Woran könnte das gelegen haben? Der Bundesrat und die bürgerliche Parlamentsmehrheit waren größtenteils gegen das Moratorium. Dies schien das Volk allerdings nicht wirklich beeinflusst zu haben.

Vielleicht hat letztlich sogar die Forschergemeinde selbst stärker auf die Bildung der öffentlichen Meinung gewirkt. Denn die bildete wider Erwarten alles andere als eine geschlossene Front gegen das Moratorium. Tatsächlich waren sich die Wissenschaftler sehr uneinig - und manche unter ihnen äußerten sich durchaus angetan von einer Auszeit bei der Anwendung der grünen Gentechnik.

Diese Uneinigkeit, gepaart mit der Entschlossenheit der Befürworter-Lobby, tat vermutlich ihr Übriges, die Meinung des Volkes in Richtung "gentechfrei" kippen zu lassen.

Wie auch immer sie zustande gekommen ist, an der Entscheidung gibt es jedenfalls nichts mehr zu rütteln. Allerdings wird es jetzt spannend, welche Auswirkungen sie tatsächlich nach sich zieht. Viele Szenarien werden in den Diskussionen gehandelt.

Die einen freuen sich nun auf eine Denkpause. Die Frage ist nur, ob eine Pause zum Denken oder eine Pause vom Denken, wie Skeptiker befürchten.

Andere meinen, dass die Schweiz sich nun noch mehr in Europa isoliert. Viele Wissenschaftler fürchten beispielsweise, dass der "Inselstaat" damit seine Gentech-Forschung ins Aus befördert. Sie bleibt zwar weiterhin erlaubt - übrigens auch Freilandversuche. Ob aber nach diesem negativen Signal gute Forscher in die Schweiz kommen oder dort bleiben wollen, scheint fraglich. Denn ist die Entscheidung nicht als wissenschaftsfeindliches Signal zu werten, und folglich die Motivation vielleicht gering in eine Forschung zu investieren, deren Anwendung abgelehnt wird?

Die Schweizer Regierung tritt diesem Verdacht jedenfalls sofort entgegen. Schon knapp eine Woche nach der Abstimmung bewilligte der Bundesrat Pascal Couchepin ein neues, 12 Millionen Schweizer Franken schweres Forschungsprogramm direkt zum Thema. Die Forscher sollen die Wechselwirkung von gentechnisch veränderten Pflanzen mit der Umwelt unter die Lupe nehmen, zudem politische, gesellschaftliche und ökonomische Aspekte untersuchen sowie Risiken, Risikomanagement und Entscheidungsprozesse bewerten. Anträge für entsprechende Projekte können interessierte Arbeitsgruppen vermutlich ab Frühjahr 2006 einreichen.

Schließlich gibt es aber auch die Meinung, dass sich mit dem Moratorium überhaupt gar nichts geändert hat. Es gäbe keinerlei Auswirkungen für die Forschung, die ja weiter so wie vorher geführt werden könnte. Auch für den Konsumenten bleibe letztlich alles beim Alten, denn da der Import gentechnisch veränderter Nahrungsmittel ebenfalls erlaubt bleibt, wird er sie weiterhin in den Regalen der Supermärkte finden können. Und das Prüfverfahren, das dank des strengen Gentechnikgesetzes vor der Aussaat gentechnologisch veränderter Pflanzen durchlaufen werden muss, dauert sowieso mehrere Jahre.

Ist die Aufregung um das schweizer Gentech-Moratorium letztlich "viel Lärm um Nichts"?

Annette Hupfer



Letzte Änderungen: 09.12.2005