Editorial

„Man lernt, für eine ganze Gruppe zu denken“

(11.09.2018) Dank des Emmy-Noether-Programms der DFG konnte Zellbiologe Krishnaraj Rajalingam vor 11 Jahren ganz in Ruhe seine Gruppe aufbauen. Ein Luxus, wie er heute weiß.
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Der gebürtige Inder Krishnaraj Rajalingam ist seit 2014 Heisenberg-Professor für Zellbio­logie und Leiter der Cell Biology Unit an der Universitätsmedizin Mainz. Zuvor leitete er u.a. eine Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe zum Thema Zelltod an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

Laborjournal: Was waren maßgebliche Meilensteine Ihrer wissenschaftlichen Karriere?

Krishnaraj Rajalingam: Nach Masterstudium der Life Sciences in Indien wechselte ich im Jahr 2000 zur Promotion an das Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie nach Berlin. Nachfolgend war ich dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter als auch an der Universität Würzburg als Gruppenleiter tätig. Im Jahr 2007 wurde ich in das Emmy-Noether-Programm der DFG aufgenommen. Das hat sich sehr positiv auf meinen beruflichen Werdegang ausgewirkt. So erhielt ich weitere Förderungen wie z.B. als Plus 3 Fellow der Boehringer Ingelheim Stiftung und war auch erster Heisenberg-Professor an der Uni Mainz, an der ich aktuell auch Fellow am Gutenberg Forschungskolleg bin. In den letzten beiden Jahren waren unsere Anträge bei DFG, Deutscher Krebshilfe, der Else Kröner-Fresenius Stiftung und weiteren Mittelgebern erfolgreich und wir konnten mehr als drei Millionen Euro Drittmittel einwerben.

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Woran forschen Sie heute?

Rajalingam: Unsere Arbeiten adressieren die Signalwege fundamentaler zellulärer Prozesse. Insbesondere versuchen wir zu verstehen, wie krankheitsverursachende Gene auf diese Signalwege einwirken. Nur wenn diese Mechanismen im Detail bekannt sind, werden wir auch in der Lage sein, wissensbasiert Inhibitoren für therapeutische Anwendungen zu entwickeln.

Sie waren und sind in zahlreichen Förderprogrammen erfolgreich. Was sind da die Erfolgsfaktoren?

Rajalingam: Zunächst möchte ich dazu sagen, dass es auch eine lange Liste mit nicht erfolgreichen Anträgen gibt – das dringt ja meistens nicht nach außen durch. Aber ich denke, dass gute Arbeit gekoppelt mit Qualität und Originalität immer anerkannt werden wird. Trotz des hohen Wettbewerbs hatten wir das große Glück, einige interessante Aspekte zellulärer Signalwege zu entschlüsseln und konnten das recht gut publizieren. Hierbei möchte ich mich auch bei all meinen Kollegen und Mitarbeitern bedanken, ohne deren harte Arbeit und Einsatz dies nicht möglich gewesen wäre. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, gute Mentoren auf jeder Karrierestufe zu haben, die kritisch und zeitnah Unterstützung leisten. Manchmal macht man ja vielleicht schon alles richtig, ist sich aber noch etwas unsicher. Da hilft dann das Schulterklopfen eines erfahrenen Kollegen, der einem Mut zuspricht und sagt: „Alles gut, mach weiter so.“

Sie erhielten oft mehrere Förderungen gleichzeitig. War es immer einfach, diese unter einen Hut zu bringen?

Rajalingam: Das war dank einer effizienten Unterstützung durch die Verwaltung nicht so kompliziert. Durch häufige Updates unseres „kaufmännischen Koordinators“ wissen wir immer, wo wir stehen. Ebenso erlauben manche Förderer auch eine relativ flexible Nutzung der Drittmittel, was immens hilfreich ist. Eine gewisse Flexibilität wird auch durch die Landesmittel (Grundfinanzierung) ermöglicht, deren Hebelwirkung trotz relativ geringem Anteil sehr hoch ist.

Wie erfuhren Sie vom Emmy-Noether-Programm (ENP) der DFG?

Rajalingam: Als ich eine Nachwuchsgruppen­leiterstelle in Würzburg angeboten bekam, hatte mich der damalige Institutsleiter Ulf Rapp auf das ENP hingewiesen und mich darin bestärkt, mich zu bewerben. Das ist jetzt schon ziemlich lange her – 13 Jahre – und wahrscheinlich hat es seit dieser Zeit einige Änderungen im ENP gegeben. Es war jedenfalls damals sehr interessant, die Postdoc-Phase gedanklich hinter sich zu lassen und zu lernen, für eine ganze Gruppe zu denken. Man musste im Antrag unabhängige Denkweise und eine neue Forschungsrichtung darlegen, sowie auch noch das Komitee davon überzeugen, dass man das alles wirklich umsetzen kann. Das Interview und die persönliche Projektvorstellung waren für mich der beste Teil der Bewerbung.

Was waren die konkreten Vorteile des ENP?

Rajalingam: Das ENP ist sowohl eine Anerkennung der persönlichen Leistung als auch ein Qualitätssiegel. In Verbindung mit den großzügigen ENP-Mitteln wurden mir zahlreiche Türen geöffnet. Ohne ENP wäre es wahrscheinlich auch sehr schwierig gewesen, meine jetzige Professur zu bekommen. Mit dem EMMY konnte ich in Ruhe und fokussiert eine eigene Gruppe etablieren – heutzutage ein gewisser Luxus in der Wissenschaft. Ich konnte zusätzliche Ressourcen aufbauen, die mir auch enorm dabei geholfen haben, Publika­tionen in Journalen mit hohem Impact-Faktor durchzubekommen. Gerade für Nachwuchs­gruppenleiter ist dies heute sehr wichtig, da jede Publikation für das nächste Förderprojekt oder die nächste Position mehr oder weniger Voraussetzung sind. Ich hoffe jedoch, dass sich da zukünftig im Begutachtungssystem grundsätzlich etwas ändern wird und nicht weiterhin die gesamte wissenschaftliche Karriere durch Impact-Faktoren bestimmt wird. Es gibt bereits aussichtsreiche Initiativen wie die „Declaration on Research Assessment“, aber es immer noch ein weiter Weg.

Wie sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Rajalingam: Momentan gefällt mir mein jetziger Job ausgezeichnet. Wir möchten uns mehr auf das weniger erforschte Reich der Kinasen sowie das Therapie-relevante Genom im Immunsystem fokussieren und Beiträge zur Hochpräzisionsmedizin leisten. Zusätzlich möchte ich hier in Mainz ein Referenzzentrum für Mikroskopie aufbauen und verfolge mehrere öffentlich-private Kooperationen, um neue therapeutische Herausforderungen angehen zu können. Ich möchte auch dazu beitragen, eine globale High-Content-Krebsdatenbank aufzubauen, die hochqualitatives Patientenmaterial mit entsprechenden klinischen Daten aller ethnischen Populationen enthält.

Was ist Ihr Rat für Nachwuchswissenschaftler?

Rajalingam: Da fällt mir nichts wirklich Neues ein: Glaube an Dich, verfolge deine Träume und habe den Mut, etablierte Denkweisen zu durchbrechen! Bleibe kritisch, lerne ständig weiter und vermeide, trotz Erfolgen, Arroganz zu entwickeln. Mach Dich bereit zu kämpfen, sei geduldig und unnachgiebig und verfolge einen hohen Qualitätsanspruch. Wichtig auch, nie den Fokus auf das Big Picture zu verlieren. Die Wahrheit setzt sich immer durch, auch wenn es manchmal länger dauert. Oder nach Mahatma Gandhi: „First they ignore you, then they laugh at you, then they fight you, then you win.”

Die Fragen stellte Ralf Schreck

Im Laborjournal-Heft 9-2018 stellt Ralf Schreck das Emmy-Noether-Programm der DFG ausführlich vor.



Letzte Änderungen: 11.09.2018