Editorial

„Wir wollen eine Pille kreieren, die Diabetes ausknipst“

(17.01.2019) Die Idee: Das „Langlebigkeitsgen“ INDY blockieren. Das Berliner Unternehmen Eternygen arbeitet daran – virtuell, hand­fest und mit hellen Köpfen.
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Laborjournal fragt: Warum heißt Ihre Firma Eternygen? Mitgründer Marco Janezic, Physiker und Finanzstratege, antwortet.

Herr Janezic, Sie haben in Oxford theore­tische Physik und Philosophie studiert. Jetzt sind Sie Geschäftsführer eines Biotech-Unternehmens. Das müssen Sie mir erklären.

Marco Janezic: Nach meinem Studium bin ich zunächst ins Investment Banking gegangen und habe später meine eigene Investment-Beratung aufgebaut. Wir haben in Medien- und Technologiefirmen investiert, von denen einige zum Beispiel an ProSieben, Burda oder Yahoo verkauft wurden. Irgendwann habe ich die Lust an digitalen Medien verloren, weil ich dachte: Die Welt wird nicht dadurch besser, dass man Frau März noch präzisere Werbebotschaften auf ihr Handy schicken kann. So bin ich auf meine jetzigen Wirkbereiche Sozialunter­nehmertum und Life Sciences gekommen. Hier war Eternygen die erste Firma, die ich gegründet habe.

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Aber nicht allein. Wer war und ist noch mit dabei?

Janezic: Ja, da ist einerseits Andreas Birkenfeld. Er ist Professor für Metabolische- und Gefäßmedizin an der TU Dresden. Als Postdoc in Yale hat er mit dem Entdecker des INDY-Gens zusammengearbeitet. INDY ist ein Akronym für I‘m not dead yet, denn man hat festgestellt, wenn man dieses Gen in Fruchtfliegen ausknipst, dass sie bis zu 80% länger leben. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland hat Andreas Birkenfeld überlegt, wie sich dieses Potential kapitalisieren lässt. Der zweite wissenschaftliche Gründer ist Jens Jordan, der früher Andreas Birkenfelds Doktorvater war.

Gemeinsam haben Sie dann vor fast sieben Jahren Eternygen gegründet. Wie groß ist Ihre Firma inzwischen?

Janezic: Wir sind ein virtuelles Unternehmen, weshalb wir streng genommen nur zwei Mitarbeiter auf der Payroll haben: unsere Forschungsleiterin, die promovierte Bioche­mikern Grit Zahn, und mich. Allerdings haben wir etwa 30 verschiedene Forscher in diversen CROs [Auftrags­forschungs­instituten] und Kliniken, die die Forschung betreiben. Beispielsweise nutzen wir gegen eine Dienstleistungsgebühr Labore und Angestellte der Firma Evotec, unserem Haupt-CRO. Gleichzeitig ist Evotec als Investor an Eternygen beteiligt, genauso wie Epidarex und die Berliner IBB-Beteiligungs GmbH. Unser Geschäftsbüro wiederum ist auf dem Werksgelände der Bayer AG in Berlin, im Inkubator Bayer CoLaborator. Ich selbst sitze in München.


Mitgründer Marco Janezic. Credit: Eternygen

Das heißt, Sie haben keine eigenen Labore und technischen Angestellten, kein eigenes Gebäude? Im Grunde geben die Wissenschaftler Grundlagen und Ideen vor, welche dann als Dienstleistung umgesetzt werden?

Janezic: Es war klar, dass die Professoren Birkenfeld und Jordan die Firmenleitung nicht fulltime machen können und aufgrund des Hochschulrechts auch nicht dürfen. Sonst hätten sie ihre Professuren aufgeben müssen. Wenn man so will, habe ich also die Firma um die wissenschaftlichen Gründer herum gebaut und bald darauf eine Forschungsleitung rekrutiert. Ich kümmere mich um Finanzen und Strategien, während Frau Zahn als wissen­schaftliche Forschungsmanagerin die Entwicklung vorantreibt.

Apropos Entwicklung: Sie forschen an einem Wirkstoff, der den Natrium-gekoppelten Zitrattransporter NaCT inhibieren soll, welcher wiederum eine Rolle im Fettmetabolismus spielt. Wie hängt das mit Langlebigkeit zusammen?

Janezic: Es wurde festgestellt, dass die Effekte von INDY wesentlich umfangreicher sind als die reine Lebensverlängerung. Entfernt man beispielsweise das Maus-INDY-Homolog, den besagten Zitrattransporter, so werden einerseits Mäuse bei hochkalorischer Kost nicht fett und insulinresistent und andererseits vor altersbedingter Diabetes geschützt, die sich auch bei normaler Ernährung entwickeln kann. Wir sehen also Effekte auf den Fett- und Zucker-Stoffwechsel und somit auf Indikationen wie Fettleibigkeit, Diabetes oder Fettleber.

Sie arbeiten also an einem Wirkstoff zur Behandlung von Diabetes?

Janezic: Naja, ein Produkt haben wir bisher noch nicht. Diabetes ist eine sehr wett­bewerbs­intensive Indikation, das musste ich als Kaufmann auch erst lernen. Früher dachte ich: Ein großer Markt ist gut. In den Life Sciences heißt ‚großer Markt‘ aber erst einmal unendlich teure klinische Studien. Deshalb beschränken wir uns momentan auf eine etwas kleinere Anwendung, für die es bisher keine medikamentöse Therapie gibt, und zwar NASH, also die nicht-alkoholische Fettleberentzündung. Aber – ja – unser Ziel ist es, eine Pille zu kreieren, mit der wir Diabetes ausknipsen können.

Der Name Eternygen klingt nicht nach Diabetes. Kommt da doch wieder das ewige Leben zum Vorschein?

Janezic: Das ist eine lustige Geschichte, denn wir haben lange nach einem Namen gesucht und keinen gefunden. Irgendwann saßen wir zufällig mit dem ehemaligen Intendanten der bayrischen Staatsoper zusammen. Der sagte: ‚Mensch, ihr kommt doch aus der Langlebig­keitsforschung, da passt doch Eternity. Und es geht um ein Gen. Macht doch Eternygen.‘ Wir haben am gleichen Abend gegoogelt, und tatsächlich war der Name noch nicht geschützt. Zunächst haben wir ihn als Arbeitstitel genutzt. Irgendwann hat uns der Name so gut gefallen, dass wir ihn behalten haben.

Die Fragen stellte Sigrid März

    Steckbrief Eternygen

  • Gründung: 2012
  • Sitz: Berlin
  • Mitarbeiter: 2 feste und etliche assoziierte
  • Produkt: kleine inhibitorische Moleküle zur Regulation des Fettstoffwechsels


Letzte Änderungen: 17.01.2019