Editorial

Wie Phönix aus der Asche

(24.01.2019) PhagoMed aus Wien entwickelt Antibiotika-Alternativen auf Basis von ganz speziellen Viren – den Bakterio­phagen. Ihre Geschäftsidee wurde kürzlich sogar prämiert.
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Phagentherapie – Bald auch in Europa zu haben?

Bereits zum fünften Mal vergaben die österreichischen Bundesministerien für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) sowie für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) den Gründer­preis Phönix. In der Kategorie „Start-up International“ sahnte die PhagoMed Biopharma GmbH aus Wien den begehrten Preis ab. Ihre gewinnbringende Geschäfts­idee: Die Entwicklung von Arzneimitteln für die Phagentherapie. Die Auszeichnung bekam PhagoMed von den jeweiligen Bun­desministern höchstpersönlich überreicht.

Bakteriophagen sind Viren, die ausschließlich Bakterien befallen und diese töten. Die Idee, mit Hilfe von Phagen bakterielle Krankheitserreger zu bekämpfen, ist naheliegend und wird auch seit gut 100 Jahren, vor allem in Ländern der ehemaligen Sowjetunion, therapeutisch umgesetzt. Phagen erkennen ihr Opferbakterium stammspezifisch, lysieren es und verbreiten sich dadurch selbst. Für eine erfolgreiche Therapie muss man also genau den richtigen Phagen an die richtige Stelle im Körper bringen und schon beginnt der Kampf Phage gegen Bakterium. Als in den 1940er Jahren die Breitband-Antibiotika entdeckt wurden, geriet die Phagentherapie jedoch schnell in Vergessenheit. Denn die Antibiotika töteten Bakterien stets zuverlässig, auch wenn man den Erreger gar nicht kannte.

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Keine zugelassenen Arzneimittel

Heute sieht die Situation leider ganz anders aus. Antibiotika-Resistenzen sind weit verbreitet. Allein in Europa sterben jährlich 33.000 Patienten an Antibiotika-resistenten bakteriellen Infektionen. Außerdem wirken Antibiotika nur eingeschränkt bei Biofilmen und auch die immer besser verstandenen Nebenwirkungen sind besorgniserregend und machen wirksame Alternativen zwingend notwendig. Dass die Phagentherapie eine vielversprechende Lösung für die Antibiotika-Krise darstellt, liegt eigentlich auf der Hand. Und doch gibt es bei uns derzeit keine zugelassenen Arzneimittel am Markt. „Wie ein Phönix aus der Asche“ muss sich die Phagentherapie in den westlichen Ländern erst wieder aufrappeln, um in neuem Glanz zu erstrahlen.

Genau daran arbeiten Lorenzo Corsini und Alexander Belcredi. Im November 2017 gründeten sie mit zwei deutschen Klinikern die PhagoMed Biopharma GmbH. Burkhard Wippermann, Chefarzt an der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Helios Klinikum Hildesheim und Mitgründer von PhagoMed, behandelt schon seit knapp zwanzig Jahren Patienten in ansonsten aussichtslosen Fällen mit Bakteriophagen. „Seine positiven Behandlungserfahrungen haben uns motiviert, der Frage nachzugehen, warum die Phagentherapie in der westlichen Medizin derzeit (noch) nicht breiter eingesetzt wird“, erzählen die Geschäftsführer Corsini und Belcredi. „Die Aussicht, vielen Menschen helfen zu können, bei denen verfügbare Antibiotika nicht mehr wirken, hat uns auch motiviert, unsere Jobs zu kündigen und PhagoMed zu gründen.“

Hochpräzise und gut verträglich

Die Vorteile der Phagentherapie gegenüber Antibiotika sind vielfältig. „Das Wichtigste ist natürlich die Effektivität gegen aggressive Bakterien, unabhängig von vorhandenen Anti­biotika-Resistenzen“, sagt Corsini. „Außerdem können schädliche Bakterien hochpräzise ausgeschaltet werden, ohne das restliche Mikrobiom, zum Beispiel im Darm oder auf der Haut, zu schädigen. Und es gibt kaum bis keine Nebenwirkungen, ganz anders als bei den meisten Antibiotika.“

Für PhagoMed besonders wichtig ist die Tatsache, dass Phagen auch gegen bakterielle Biofilme wirken. In dieser „Schleimschicht“ sind die meisten Bakterien hochresistent gegen Antibiotika und das körpereigene Immunsystem. Phagen jedoch „haben Enzyme, die den schützenden Biofilm-Schleim abbauen können. Dadurch gibt es starke Synergien mit dem Immunsystem und Antibiotika“, erläutert Corsini.

Aktuell testet PhagoMed mehrere Phagen-Cocktail-Kandidaten gegen Biofilm-bildende Bakterien im Tiermodell. Der PM-398 Cocktail beispielsweise richtet sich gegen Antibiotika-resistente MRSA-Bakterien. „Wenn alles gut geht, hoffen wir 2021 mit einer ersten klinischen Studie starten zu können“, erzählt Corsini stolz. Für die Zukunft plant PhagoMed die Wiedereinführung der Phagentherapie in der westlichen Medizin zu beschleunigen. „In den nächsten Jahren wollen wir den klinischen Proof-of-Concept in einer ersten Indikation schaffen – und damit das Interesse von Investoren und der Pharmaindustrie für die Entwicklung weiterer Phagen-Arzneimittel wecken“, so der Geschäftsführer.

Noch viel Arbeit

Theoretisch sollte es möglich sein, jede bakterielle Infektion mit Phagen zu behandeln. Allerdings gibt es viele Bakterien gegen die noch keine passenden Phagen isoliert wurden. Und auch Infektionen, an denen mehrere unterschiedliche Bakterien beteiligt sind, stellen eine Hürde dar, die noch viel Forschungsarbeit erfordert.

Zunächst aber freut sich das PhagoMed-Team über den überraschenden Gewinn des Gründerpreises. „Der Preis ist eine wunderbare Bestätigung für unsere Vision und die Überzeugungskraft der Phagentherapie“, schwärmt Corsini.

Eva Glink



Letzte Änderungen: 24.01.2019