Editorial

Dem Knochenschwund auf der Spur

(14.03.2019) Beim GEOMAR-Spin-off osteolabs in Kiel dreht sich (fast) alles um Kalzium, Kno­chen und Kapital. Wir sprachen mit Ge­schäftsführer Stefan Kloth.
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Das osteolabs-Team (v.l.): Stefan Kloth, Michael Müller und Anton Eisenhauer.

Die Osteoporose, auch als Knochenschwund bezeichnet, ist eine häufige Alterserkrankung des Knochens, die ihn anfällig für Brüche macht. In der Regel wird die Krankheit erst dann diagnostiziert, wenn die Knochendichte bereits erheblich abgenommen hat. osteo­labs ist ein junges Spin-off, das im letzten Jahr aus GEOMAR, dem Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, ausge­gründet wurde, und eine neue Diagnostik-Methode zur Früherkennung der Osteoporose ver­treibt. Laborjournal sprach mit Geschäfts­führer Stefan Kloth.

Laborjournal: Was hat Meeresforschung mit Knochenschwund zu tun?

Kloth: Die Meeresforschung beschäftigt sich auch mit dem Element Kalzium, welches z.B. in Korallen eingelagert wird. Die Einlagerung von Kalzium in Korallen hat den Mitgründer Anton Eisenhauer auf die Idee gebracht, sich einmal analog mit der Einlagerung von Kalzium im menschlichen Skelett zu beschäftigen.

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Was ist der Kern Ihrer Diagnosemethode und ist diese patentrechtlich geschützt?

Kloth: Unsere Diagnosemethode ist empfindlicher, kann also Osteoporose früher erkennen und ist zudem nicht-invasiv, d.h. kommt ohne Röntgen-Strahlung aus. Daher kann unsere neue Methode auch beliebig oft angewendet werden und ist somit für eine Therapiekontrolle – auch aufgrund der hohen Empfindlichkeit – bestens geeignet. Das Verfahren selbst ist nicht patentierbar, aber einzelne Algorithmen und Rechenmodelle sowie die jeweiligen Schwellenwerte sind zum Patent angemeldet.

Bereits vor knapp 10 Jahren wurde durch Herrn Eisenhauer eine erste Machbarkeitsstudie (Bone, 46:889-96) zum neuen Diagnoseverfahren publiziert. Was waren die großen Hürden bis zur Ausgründung beziehungsweise bis zum marktfähigen Produkt?

Kloth: Zum Nachweis der Funktionsfähigkeit unseres Tests wurden mehrere klinische Studien durchgeführt – OSTEOGEO mit 100 Probandinnen sowie PEAK BONE mit 30 Probandinnen. Eine weitere Studie läuft aktuell. Für diese Studien benötigen Sie Kapital. Ferner war es notwendig, unser Produkt mit dem CE-Zeichen gemäß der In-Vitro-Diagnostik-Richtlinie zu zertifizieren. Auch dieser Prozess erfordert Zeit, Know-How und ebenfalls Kapital. Die CE-Zertifizierung ist zwischenzeitlich abgeschlossen. Da ich mich als Unternehmer bei der CE-Zertifizierung und Unternehmensgründung bereits auskannte, konnte osteolabs sowohl bei der GmbH-Gründung als auch bei der Zertifizierung auf meine Erfahrung und die unserer Berater zurückgreifen. Eine weitere Herausforderung bei der Gründung war das Vertragswerk mit dem GEOMAR, z.B. der Lizenzvertrag. Hier gab es auf beiden Seiten wenig Erfahrung, so dass sich der Prozess über Monate hingezogen hat. Im öffentlichen Bereich weitgehend unbekannt ist die Erstellung von Businessplänen. Auch hier konnte osteolabs auf mir bekannte Berater zurückgreifen, die uns einen professionellen Businessplan nebst Finanzplanung erstellt haben. Darüber hinaus konnten wir eine weitere wichtige Veröffentlichung mit dem Titel „Calcium isotope ratios in blood and urine: a new biomarker for the diagnosis of osteoporosis“ zur wissenschaftlichen Unterstützung unserer Methode auf den Weg bringen. Sie wird in kurzer Zeit im Journal Bone Reports veröffentlicht werden.

Der Diagnosekit wird in zwei Varianten angeboten: „Home“, ein Testkit für Privatpersonen, und „Pro“ für Ärzte. Beide kosten knapp 300 Euro. Welche Information erhält der Anwender?

Kloth: Der Anwender erhält die Information, ob er unter Osteoporose leidet oder nicht. Ferner erhält er die Information – falls er eine Therapie macht – über den Verlauf der Therapie. Natürlich gibt es einen Grenzbereich, den es auch beim klassischen DXA-(Röntgen-)Verfahren gibt und dort als Osteopenie bezeichnet wird. Wir liefern beim „Home“-Test als Ergebnis für den Endverbraucher neben einigen Parametern eine verständliche Ampel (grün, rot und ggf. Vorstufe gelb). Das „Pro“-Kit liefert dem Arzt zudem weitergehende Informationen wie Kreatinin, eGFR, Cystatin C sowie Vitamin D.

Momentan ist die Frühdiagnose durch ihre Methode keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Wie hoch ist die Aussagekraft ihres Verfahrens? Was muss getan werden, damit ihr Verfahren von den Krankenkassen anerkannt wird?

Kloth: Die Aussagekraft unseres Verfahrens ist sehr hoch und statistisch nachgewiesen. Für die Aufnahme in den Katalog der gesetzlichen Krankenkassen bedarf es aber eines Beschlusses im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), dem Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen Deutschlands. Das Verfahren ist zeitaufwendig, so dass wir uns derzeit auf Selbstzahler und Privatversicherte konzentrieren. Wenn der Preis unseres Tests in den kommenden Jahren sinken wird, dann werden wir beim G-BA vorstellig.

Mit dem Programm Helmholtz Enterprise unterstützt die Helmholtz-Gemeinschaft interne Ausgründungen. Wie haben Sie von diesem Programm profitiert? Gab es durch Helmholtz weitere Unterstützung auf dem Weg zu Ihrer Ausgründung?

Kloth: Die Helmholtz-Gemeinschaft Berlin und das GEOMAR Kiel haben uns auf dem Weg in die Selbständigkeit finanziell unterstützt. Mein Honorar als Berater/Geschäftsführer wird z.B. bis Juni 2019 noch durch Helmholtz Enterprise Plus bezahlt. Ohne solche Unterstützung wäre eine Kommerzialisierung für Hochtechnologie schwierig umsetzbar, da private Investoren erst einmal die Funktionsfähigkeit des Verfahrens abwarten. Ohne Förderung hätten wir die Funktionsfähigkeit gegebenenfalls nicht darstellen können. Nur durch diesen Proof-of-Concept sind wir auf dem Radar von privaten Investoren.

Seit kurzem laufen auch Werbespots auf Radio Schleswig-Holstein. Wie wird Ihr Produkt zwischenzeitlich angenommen?

Kloth: Gut. Die Spots dienen aber mehr dem allgemeinen Bekanntmachen und sind nicht darauf angelegt, in den ersten Wochen schon Umsatz zu bringen. Die Ärzte sollen neben dem DXA-Verfahren schon einmal von uns gehört haben, damit sie empfänglicher für unser Verfahren sind.

Was sind die nächsten Schritte für osteolabs? Welche Erweiterungen des Produktportfolios sind geplant?

Kloth: Die nächsten Schritte sind Aufbau des Geschäfts in Deutschland (dort sind wir derzeit nur im Norden) sowie in Österreich und in der deutschsprachigen Schweiz.

Ihr Tipp für Ausgründer?

Kloth: Durchhaltevermögen, Macher-Mentalität und Marketing (wird häufig unterschätzt).

Die Fragen stellte Ralf Schreck

Übrigens: Im aktuellen Laborjournal-Heft beschäftigt sich Ralf Schreck ausführlicher mit der Helmholtz-Gemeinschaft und vor allem mit deren Nachwuchsförderung.



Letzte Änderungen: 14.03.2019