Editorial

Anzügliche Suche

(09.04.2019) Das erfolgreiche Auffinden von Chemika­lien im Labor scheitert oft bereits am Namen der gesuchten Substanz, wie unsere (andere) TA feststellen musste.
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Eine Suche im Privatbereich unterscheidet sich von einer Suche im Labor. Und das kommt nicht alleine daher, dass ich zuhause selten Dinge wie Kaliumchlorid oder Sper­midin suche.

Wenn ich eine ungefähre Ahnung habe, wie der gesuchte Gegenstand aussieht und ob er überhaupt noch oder je existiert hat, geht die Suche schnell. Also wenn ich zum Bei­spiel weiß, dass wir:

  • a) Laktose haben, und dass wir sie
  • b) von einer rosa Firma gekauft haben und dass wir
  • c) ein 1kg Gebinde gekauft haben,

reduziert das die Zeit für die Suche im Chemikalienschrank auf ca. 10 Sekunden. Ein bei Raumtemperatur gelagertes 1kg Gebinde mit rosa Deckel lässt sich relativ leicht auf­spüren. Diese Dreier-Regel greift allerdings nur, wenn die Chemikalie vorrätig ist und sich tatsächlich dort befindet, wo sie hingehört.

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Ist die Suche nicht allzu eilig, hilft es oft, die Sucherei einfach abzubrechen und etwas völlig anderes zu suchen. Nie finde ich öfter gesuchte Dinge als bei der Suche nach anderen Dingen.

Es ist faszinierend, welche Fakten mitunter in die Dauer der Suche mit hinein spielen. Gehen Findungsprobleme beispielsweise auf den Namen einer Chemikalie zurück, lässt sich die Suche meist im Sitzen vom Schreibtisch aus mit schierer Logik zu einem glück­lichen Ende führen.

„Unter K steht kein Kaliumchlorid mehr. Bestellst du neues?“

„Such mal unter P!“

„Hä?“

„Wir sind ein internationales Labor.“

Man sieht die Gehirnwindungen rattern, dann rastet die Erkenntnis ein, der Fragende zieht ab und kommt nicht wieder.

Wobei Kaliumchlorid und Laktose noch unverfängliche Namen sind. Sollten Sie demnächst in einem Labor voller Bachelor- und Master-Studenten eine Chemikalie aufspüren müssen, wünsche ich Ihnen von Herzen, dass dieselbe keinen schlüpfrigen Namen trägt. Sonst ergeht es Ihnen vielleicht wie mir neulich, als ich nach Spermidin suchte.

Vorrätig war es auf jeden Fall, da ich es vor drei Wochen erst bestellt hatte. Dieses Wissen half mir aber auch nicht recht weiter. Das Spermidin war nicht da, wo es sein sollte.

Hier offenbart sich eine bemerkenswerte Parallele zwischen dem menschlichen Gehirn und der Funktionsweise eines Computer-Suchprogramms. Das findet auch nur genau das, was man ihm sagt, wonach es suchen soll. Wenn ich nach einem braunen Fläschchen mit rotem Deckel suche, übersehe ich folglich eine weiße Plastikdose, in welcher das braune Fläschchen versteckt wurde. Auf dieser Dose kann noch so deutlich Spermidin drauf­stehen, man sieht es nicht.

Also von Unterlabor zu Unterlabor laufen und fragen. Das klang dann ungefähr so:

„Habt ihr in den letzten drei Wochen Spermidin benutzt?“

„Ob wir WAS benutzt haben?“

„Spermidin!“

„Was ist denn DAS?“

Erklärt habe ich das nur im ersten Labor. Dann hatte ich das Gekicher sowie die aus meiner Frage resultierenden Fragen satt. Sollen die das doch selbst recherchieren.

Hoffentlich muss ich niemals das Restriktionsenzym SexA1 suchen. Die darauffolgende Reaktion mag ich mir gar nicht vorstellen. Und auf den Witz: „Hast du denn die DNA vorher auch mit Ehe1 geschnitten, wie sich das gehört?“, kann ich gut verzichten.

Maike Ruprecht



Letzte Änderungen: 09.04.2019