Editorial

Halbe Haftung erleichtert Transfektion

(16.10.2019) Transfiziert man einen dicht gewachsenen adhärenten Zellrasen, ist das Ergebnis meist nicht berauschend. Besser wird‘s mit der Semi-Attachment-Technik.
editorial_bild

Für die Transfektion von Säugerzellen mit fremder DNA nutzt man meist kationische Liposomen wie zum Beispiel Lipofectamin als DNA-Fähren. Die Liposomen bilden mit der DNA Nano­partikel, die mit der Zell­membran verschmelzen und durch Endocytose ins Zellinnere gelangen, wo die DNA freigesetzt wird.

Die Transfektion lässt sich auf zwei verschie­dene Weisen bewerk­stelligen: durch Vor­wärts- oder Rückwärts-Transfektion. Bei der Vorwärts-Transfektion werden die Zellen in Kultur­schalen mit einer Dichte von etwa 40 Prozent ausgesät und am nächsten Tag, wenn sie eine Konfluenz von etwa 80 bis 90 Prozent erreicht haben, transfiziert. Um die Zellen „rückwärts“ zu transfi­zieren, sät man sie dünner aus (20 bis 30 Prozent Dichte), passagiert sie am nächsten Tag bei etwa 40 bis 60 Prozent Konfluenz und transfiziert sie direkt, indem man sie in einen vorgelegten Trans­fektions­mix überführt.

Editorial

Kompromiss aus rückwärts und vorwärts

So richtig perfekt läuft die Transfektion aber bei keinem der beiden Verfahren: Bei der Vorwärts-Transf­ektion lässt die Effizienz zu wünschen übrig und bei der Rückwärts-Trans­fektion sterben viele der frisch trans­formierten Zellen durch die grobe Behand­lung. Eine Gruppe um Rong Jia von der chine­sischen Wuhan University entwickelte einen Kompromiss aus beiden Trans­fektions­verfahren, das sie Semi-Attachment-Technik nennt: Die Zellen haften während der Trans­fektion nur mit einem Bruchteil ihrer Ober­fläche am Platten­boden. Quasi ein frischer Pferde­haufen auf der Straße – und nicht die überrollte platt­gewalzte Variante.

Bekannt ist, dass die Endocytose leicht vonstatten­geht, wenn die Zellmembran nur wenig gespannt und ziemlich schlaff ist. Bei einer halb-anhaftenden Zelle ist genau dies der Fall. Also, so die Hypothese der chine­sischen Forscher, müsste eine frisch anhaftende Zelle für die Trans­fektion besonders empfäng­lich sein.

Ihre Vermutung überprüfte die Gruppe an einer Krebs­zell­linie (orales Platten­epithelzell-Karzinom) sowie einer primären Krebs­zell­kultur. Als Reporter für die Transfektion diente ein eGFP-codierendes Plasmid, die DNA-Aufnahme beziehungs­weise die Expression der DNA quantifizierten die Chinesen mithilfe qPCR, anti-GFP-Immunoblot sowie Cytometrie (Anteil GFP-positiver Zellen). Für die parallel durch­geführten Trans­fektionen mit dem eGFP-Plasmid via Semi-Attachment-, Vorwärts- sowie Rückwärts-Methode, verwendete die Gruppe Lipofectamin 3000 als Trans­fektions­reagenz.

Wichtiger Zeitpunkt

Tatsächlich verbuchte Jias Team mit der Semi-Attachment-Methode den größten Trans­fektions­erfolg. Im Vergleich mit den beiden anderen Techniken nahmen die Zellen mehr Plasmide auf und exprimierten eGFP stärker. Der Knack­punkt für eine möglichst effiziente Semi-Attachment-Trans­fektion ist der richtige Zeitpunkt. Die Zellen sollten sich schon auf dem Boden abgesetzt, aber noch nicht weiter aus­gebreitet haben. Je nach Zelltyp variiert der perfekte Zeitpunkt zwischen einer und wenigen Stunden. Die Zellen sind dann besonders empfänglich für die Transfektion und tolerieren sie viel besser als bei der Rückwärts-Transfektion. Die Vitalitäts­rate von 90 Prozent ist ähnlich hoch wie bei der Vorwärts-Transfektion, die Expression der trans­fizierten DNA (eGFP) ist aber vier- bis zehnmal stärker.

Andrea Pitzschke

Guo J. et al. (2019): Enhanced transfection efficiency by using a novel semi-attachment method in cell line and primary cells. Analytical Biochemistry, 587:113465





Letzte Änderungen: 16.10.2019