Weg mit dem Plastik!
(25.11.2019) An Englands Unis soll es zum Wohle der Umwelt in ein paar Jahren Plastik-freie Labore geben. Geht das überhaupt? Und wie sieht es an deutschen Universitäten aus?
Man höre und staune: Selbst die Formel 1, die ja nun nicht gerade für ihre umweltschonenden Aktivitäten bekannt ist, hat ihr grünes Gewissen entdeckt. Bis 2030, so verkündete man kürzlich offiziell, will man sich einen Netto-Null-Kohlenstoff-Fußabdruck zulegen. Erreicht werden soll das durch Hybridmotoren, die weniger Sprit verbrauchen, außerdem sollen Büros mit erneuerbaren Energien versorgt werden und auf Veranstaltungen will man komplett auf Einmal-Plastik verzichten sowie jeglichen Abfall recyclen oder kompostieren.
Wenn sich der Umweltschutzgedanke also schon bis in die Formel 1 ausgebreitet hat, dann können auch Universitäten die Augen davor nicht verschließen. Denn besonders in Forschungslaboren fällt tagtäglich massenweise Müll an, vor allem Einmal-Plastik-Artikel wie Pipettenspitzen, Petrischalen oder Multiwell-Platten. Hinzu kommen Unmengen an Verpackungsmaterialien, Latex-Handschuhe etc.
Müllfotos auf Twitter
Um zu überblicken, was an einem normalen Arbeitstag alles an Labormüll zusammenkommt, gab‘s im September einen Aktionstag auf Twitter. Initiiert von Nachwuchswissenschaftlern aus dem eLIFE-Community-Ambassador-Programm waren Forscherkollegen aufgerufen, am Ende ihres Arbeitstages den entstandenen Müll zu wiegen, auf das Jahr hochzurechnen, das Ergebnis schließlich auf einem Foto festzuhalten – und dieses unter dem Hashtag #Labwasteday zu posten.
„Today in the lab I generated 250 g of plastic waste. This means that in one year I would produce 65 kg of plastic waste!“ twitterte etwa Francesco Baschieri, Zellbiologe aus dem Institut de Cancérologie Gustave Roussy in Paris. Eine T-Zell-Forscherin von der Uni Birmingham konnte Baschieri sogar noch überbieten. Sie „schaffte“ an einem Tag 3,4 kg an Plastikmüll. Das ergibt 800 kg pro Jahr. Und dabei war es, wie sie schreibt, noch nicht mal ein besonders arbeitsreicher Tag. „The sheer amount when scaled up is incredible“, ist ihr Fazit.
Zeit zum Umdenken also. Genau das machen nun einige Universitäten in England. Bis 2023 will die Uni Leeds plastikfrei sein – nicht nur in der Mensa oder auf dem Campus, sondern auch im Labor. Das University College London, Großbritanniens größte Uni, will bis 2024 nachziehen. “As climate change, resource depletion and biodiversity loss becomes critical, the world faces an uncertain future. Universities have a responsibility to lead change for environmental and social sustainability. By being proactive, we can mobilise our staff and students and inspire the next generation of young adults to change the world,” sagt UCL-Präsident Michael Arthur in einer kürzlich veröffentlichten Pressemitteilung.
Glas nicht perfekt
Aber wie soll das gehen? Auf Glas umstellen ist eine Möglichkeit, Plastik dekontaminieren und recyclen eine andere. Was in der Theorie einfach klingt, hat in der Praxis jedoch seine Tücken. Geht man zurück zu Glas, benötigt man Reinigungs- und Waschabteilungen mit Personal, die an vielen Unis stark zurückgefahren wurden. Glas ist auch in vielen Fällen für Experimente nicht sonderlich gut geeignet. Zellen wachsen auf Glas anders, sie haften einfach besser auf Plastik-Untergrund. Auch die Kulturmedien sind speziell für Plastikgefäße und -schalen entwickelt worden. Und besonders bei molekularbiologischen Experimenten, für die oft sensible Messmethoden eingesetzt werden, ist man auf absolute Sterilität und kontaminationsfreie Materialien angewiesen. Klar, für manche Experimente gibt es aktuell keine Alternative zu Plastik.
Neben der Glas-Renaissance kann auch das Recycling und Wiederverwenden eine Option sein. Ein findiger US-Bio-Ingenieur entwickelte beispielsweise einen Waschautomaten für Pipettenspitzen. Bis zu 40 Mal soll man nach der Spülprozedur die Spitzen wiederverwenden können. Insgesamt hat man so schon mehr als 93 Millionen Spitzen mehrfach benutzt – besagt die Webseite.
Bis jetzt landet auch ein weiteres "beliebtes" Labor-Wegwerf-Produkt, Latex- oder Nitril-Handschuhe, fast ausschließlich auf der Deponie. Die US-Firma Terracycle hat sich jedoch was Besseres ausgedacht: sie sammelt Handschuhe einer bestimmten Marke und verarbeitet sie im Extruder zu einem Kunststoff-Granulat, aus dem neue Plastikprodukte wie Parkbänke, Mülleimer oder Gießkannen hergestellt werden. Einschicken muss man die Handschuhe jedoch selber.
Plastik-frei in Deutschland?
Es gibt also schon jetzt einige Möglichkeiten, auch Bio-Labore umweltverträglicher auszurichten. Aber sehen sich auch deutsche Unis in der Verantwortung, wie die beiden englischen Unis, beim Thema Nachhaltigkeit eine führende Rolle einzunehmen? Wir haben bei einigen nachgefragt und erhielten recht unterschiedliche Antworten.
So schreibt uns die Uni Freiburg, dass sie „Produkte aus Einwegplastik so weit wie möglich vermeiden will – vorausgesetzt, es gibt eine ökologisch bessere und nachhaltigere Alternative“. Seit mehr als zehn Jahren setzt die Uni zum Beispiel bei ihrer gesamten Gefahrstoff-Entsorgung auf Mehrweg-Plastikbehälter und wurde 2009 für diese Initiative mit dem 3. Platz des Umweltpreises der Stadt Freiburg belohnt. „In den Laboren kommen, wenn möglich, Behälter und Zubehör aus Glas zum Einsatz. Alle Labore sind daher grundsätzlich mit leistungsfähigen Laborspülmaschinen ausgestattet.“ Jedoch, ergänzt der Pressereferent: „Bei der Abwägung zwischen Einweg-, Mehrwegplastik oder Glas ist (...) zu berücksichtigen, dass die Reinigung von Mehrwegplastik- oder Glasprodukten je nach den eingesetzten Stoffen unter Umständen deutliche ökologische Nachteile hat, weil sehr viel Energie (z.B. Autoklavieren, Reinigung mit Säuren und Laugen) eingesetzt werden muss. Oberstes Ziel ist daher eine umfassende Prüfung aller Alternativen.“
An der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat man plastikfreie Labore hingegen noch nicht im Blick. Aber es gibt andere Initiativen, wie das „Green Lab“ des Biomedizinischen Centrums. „Die beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffen sich dort einmal im Monat und diskutieren Möglichkeiten, den Laboralltag nachhaltiger zu gestalten. Die Vermeidung von Müll, insbesondere Plastikmüll, spielt dort eine große Rolle – sowie verschiedene Themen der Nachhaltigkeit wie der sortenreinen Trennung von Plastik, dem Recycling von Kühlakkus, der Wiederverwendung von Kanistern usw“, teilt uns die LMU-Pressestelle mit.
Von der Uni Leipzig gab es eine recht kurze, eindeutige Antwort: „Derartige Initiativen sind uns nicht bekannt“. Auch am Max-Delbrück-Centrum in Berlin gibt es laut Aussage der Pressesprecherin derzeit „keine konkreten Pläne“.
Sehr wahrscheinlich werden sich jedoch in naher Zukunft alle Unis (noch) intensiver mit dem Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit beschäftigen müssen. Bis dahin gibt‘s vielleicht schon die eine oder andere Plastik-Alternative mehr.
Kathleen Gransalke