Editorial

Preis für heiße Themen

(28.11.2019) Neue Antibiotika, ein Virus gegen Leberkrebs – mit ihren Entdeckungen und des m4 Award könnten bayrische Forscher bald zu Firmengründern werden.
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Jennifer Altomonte (2.v.r.) möchte onkolytische Viren kommerzialisieren

Seit 2011 verleiht das Biotech­nologie-Netzwerk BioM den m4 Award an akade­mische Forscher­teams aus bayrischen Hoch­schulen, Universitäts­kliniken und außer­univer­sitären Forschungs­einrich­tungen. Bis zu 500.000 Euro Preisgeld für zwei Jahre werden angehenden Gründern und Jung­unternehmern aus der Biomedizin zur Verfügung gestellt.

In diesem Jahr konnten fünf Teams den Award einheimsen. Darunter Stephan Sieber, Professor für organische Chemie an der TU München, und seine Team­mitglieder Franziska Mandl, Christian Fetzer und Mathias Hackl. Gemeinsam wollen sie neue Wege zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen gehen. Im Zentrum ihres aBACTER-Projekts steht dabei ein neues Anti­biotikum, das gram-positive, multiresistente Keime abtöten kann. „Unser Antibio­tikum hat mehr als ein Angriffsziel, wodurch Resistenz-Entwick­lungen unwahr­scheinlich sind. Durch Proteom-Analysen konnten wir zeigen, dass es den Energie-Stoff­wechsel und die Protein­sekretion der Bakterien­zelle beeinflusst“, erläutert Sieber. Das Molekül hat eine große Wirkungs­breite, wie die Forscher mithilfe von Tests mit Referenz­stämmen wie beispiels­weise MRSA oder Vancomycin-resistenten Entero­kokken zeigen konnten.

Mit einer vorhergehenden Finanzierung durch das Bundes­ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) haben sie den Wirkstoff bereits optimiert und seine Pharmako­kinetik in der Maus getestet. „Nun wollen wir mit den Geldern des m4 Awards die Toxizität des Antibio­tikums sowie seine Wirkung auf Biofilme untersuchen“, erläutert der Chemiker. In ein bis zwei Jahren hofft das aBACTER-Team, einen Partner für die klinischen Phasen der Entwick­lung gefunden zu haben.

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Hybridvirus tötet Tumorzelle

Auch Jennifer Altomonte gehört zu den diesjährigen Preisträgern. Sie entwickelt mit ihrer Arbeits­gruppe an der TU München onkolytische Viren zur Behand­lung von Leber­tumoren. Das Team hat ein modifiziertes Hybridvirus aus tierischen vesikulären Stomatitis- und Newcastle-Disease-Viren hergestellt. Diese exprimieren ein modifi­ziertes Zellfusions­protein, das die Verschmel­zung von infizierten Tumor­zellen mit benach­barten Tumor­zellen fördert, sie auf diese Weise abtötet und darüber hinaus eine Immun­reaktion gegen die Krebs­zellen stimuliert. „Im Prinzip kann die Techno­logie auf jede Krebs­erkrankung angewendet werden. Durch die Zell­fusionen breitet sich das Virus in der Tumor­masse effizient aus und vermittelt auch Effekte in Metastasen im ganzen Körper. In der Maus haben wir nach intra­venöser Verabreichung der Viren bereits einen therapeu­tischen Effekt gezeigt,“ erläutert Altomonte.

Mithilfe des m4 Awards wird Altomonte drei neue Mitarbeiter einstellen. Sie sollen gemein­sam mit ihrer akade­mischen Arbeits­gruppe die präkli­nischen Daten erarbeiten und Herstellungs­verfahren etablieren, um die klinische Translation und Kommer­zialisierung der Virus­anwendung gegen Leberkrebs zu ermöglichen. „Der m4 Award hat uns geholfen, unser Netzwerk zu erweitern und uns mit potenziellen Koope­rations- und Investitions­partnern zu vernetzen. Bis 2022 wollen wir unser Unternehmen FUSIX Biotech gründen und so schnell wie möglich eine First-in-Man-Studie initiieren“, erklärt die gebürtige Amerikanerin.

Kampf gegen Gram-Negative

„Durch den globalen Reiseverkehr breiten sich multiresistente Keime weltweit aus. Auch in den hiesigen Kliniken kommen wir schon jetzt gele­gentlich in die Situation, dass keine wirksamen Antibiotika mehr zur Verfügung stehen. Diese Situation wollen wir ändern“, so Hannelore Meyer, eine weitere m4 Award-Preisträgerin. Am Institut für Medizi­nische Mikro­biologie, Immuno­logie und Hygiene an der TU München entwickelt sie mit ihrem Team Antibiotika gegen gram-negative, multiresistente Keime.

Ihre Gruppe hat in Zusammenarbeit mit dem Helmholtz Zentrum München ein Wirkstoff-Fragment gefunden, das die beiden Enzym­klassen hemmt, die beta-Lactam-Antibiotika unwirksam machen. „Diese Antibiotika gelten als die Molekül­klasse, die die meisten Menschen­leben gerettet hat“, erklärt Meyer. Das neu entdeckte Fragment hat neben seiner hemmenden zusätzlich eine eigen­ständige antibio­tische Wirkung. „Wir versprechen uns von diesem doppelten Wirkmecha­nismus Vorteile bei der zukünftigen Anwendung im Menschen und eine verzögerte Resistenz-Entwick­lung gegen unser neues Wirkstoff­molekül“, erläutert die Biochemikerin.

Den m4 Award wollen die Forscher nutzen, um die Zielstrukturen der antibiotischen Aktivität zu identifizieren, die antibio­tische Wirkungs­weise molekular aufzu­klären, und diese Erkennt­nisse für die weitere Optimie­rung der Fragmente anzuwenden. Hierfür sollen zwei zusätz­liche Mitarbeiter eingestellt werden. „Der Preis hat uns schon jetzt eine erstaunliche Sicht­barkeit verliehen. In Fach­kreisen sind wir dadurch bekannter und können besser Kontakte knüpfen. Das ist sehr hilfreich“, so die Wissen­schaftlerin.

Seit drei Jahren auf Erfolgskurs

Alte Hasen im Gründergeschäft sind Nils A. Kulak und Garwin Pichler, Biochemiker und Gründer der PreOmics GmbH. Sie erhielten ihren m4 Award bereits 2016. Ihre in Martinsried ansässige Firma bietet komplette Kits für die Vorbe­reitung von Proben für die Massen­spektrometrie-basierte Protein­analyse an, und seit Mitte 2019 auch eine automatisierte Proben-Vorbe­reitungs­plattform. “Der m4 Award hat uns geholfen, ein kommerzielles Produkt zu entwickeln“, so Pichler. „Bei unseren Lizenz-Verhandlungen mit der Max-Planck-Gesellschaft hätten wir mehr Unter­stützung gebrauchen können. Da waren wir sehr unerfahren. Am Ende ist aber alles gut gegangen. Heute würde ich das anders angehen“, bemerkt der Biochemiker.

Seit der Gründung hat PreOmics zwei Finan­zierungs­runden abge­schlossen. Zu den Kunden der Firma zählen inzwischen unter anderem das Helmholtz Zentrum in München sowie die LMU und die Harvard Medical School. Auch die Pharmabranche gehört zum Kunden­stamm. Mit der zweiten Finan­zierungs­runde ist PreOmics international auf über 20 Mitarbeiter ange­wachsen. „Die letzten dreieinhalb Jahre waren ein ständiger Lernprozess. Wir haben ein größeres Markt- und Kunden­verständnis gewonnen, ein Netzwerk aufgebaut, die Produktion vergrößert und mit neuen Mitarbeitern neue Prozesse und Strukturen aufgebaut. Nun wollen wir Markt­führer in unserem Bereich werden – so etwas wie Qiagen für die Proteom-Analytik“, so Pichler.

Die nächste Ausschreibung des m4 Award ist bereits im nächsten Jahr.

Bettina Dupont







Letzte Änderungen: 28.11.2019