Editorial

Das echte Klimapaket

(13.02.2020) Auch in der Laborausrüster-Branche macht man sich Gedanken zum Umweltschutz. Weniger Plastik, mehr Recycling oder Versandboxen mit Stroh statt Styropor.
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Bestellt man Antikörper, Enzyme oder andere „Kühlreagenzien“ kommen diese oft in einer Styroporbox ins Labor. Nach dem Auspacken der wertvollen Fracht landet der quietschige Versandbehälter dann meist in irgendeiner dunklen Ecke – bei all den anderen Styroporboxen, die sich im Laufe der Jahre dort angesammelt haben. Oder wird, im besten Fall, als Eisbehälter oder übereinander gestapelt als kreatives Standregal zweitgenutzt.

Wer in letzter Zeit gekühlte Reagenzien bei New England Biolabs (NEB) bestellt hat, hat sich nach der Auslieferung vielleicht verwundert die Augen gerieben. Statt der vertrauten Kunststoffbox bekam man einen Pappkarton überreicht. Hatte man doch die falschen Sachen bestellt? Nach dem Öffnen des Pakets – noch mehr Verwunderung – neben der korrekt bestellten Ware befinden sich im Inneren das Kartons auch noch Polster mit Stroh. Die Reagenzien jedenfalls sind schön kühl.

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Öko-Alternativen

„Wir hatten bereits seit vielen Jahren vor den NEB Eco-Boxen eine Wieder­verwendung bzw. Rück­führung der Stryroporboxen und ein entsprechendes Styropor-Recyclingprogamm mit unserem deutschen Hersteller. Allerdings war uns das nie wirklich ‚öko‘ genug“, schreibt uns New England Biolabs‘ Marketing & Sales Manager Carsten Lanwert auf Nachfrage in einer E-Mail. „Daher haben wir aktiv nach Alternativen gesucht und sind auf eine kleine bayrische Firma gestoßen, die Stroh als Isoliermaterial anbietet.“ Allerdings, so fügt er hinzu, „gab es bei unserem Partner noch keine Erfahrung mit verderblichen Laborreagenzien. Also haben wir mit der Partnerfirma zusammen quasi eine Machbarkeitsstudie durchgeführt und getestet, gemessen, ausprobiert, optimiert und wieder gemessen etc.“

Herausgekommen sind die wohl weltweit ersten Kühlversandboxen, die komplett kompostierbar und ressourcenschonend sind. So ist der Karton aus Altpapier gefertigt und kann einfach über die Papiertonne entsorgt werden; das Stroh fällt als Nebenprodukt bei der Getreideernte ab und kann direkt kompostiert oder in die Biotonne geworfen werden. „Das Feedback der Kunden ist einfach umwerfend“, freut sich Lanwert. „Wir haben so viel positive Rückmeldung erhalten. Einige Kunden nutzen das Stroh der Isolierung für ihre Haustiere, andere für den Garten, die meisten geben es – wie von uns empfohlen – in den Biomüll bzw. in die Kompostierung.“ Wenn es vor Ort keine Biotonne geben sollte, nimmt NEB die Ökoboxen auch zurück. „Das Material wird lebensmittelgerecht verarbeitet und wir haben nur wenige Fälle, die hoch sensitive PCR-Studien durchführen und für die das biologische Material Stroh eine potenzielle, zusätzliche Kontaminationsquelle für pflanzliche Fremd-DNA darstellen könnte. Für diese Kunden versenden wir auf Wunsch weiterhin mit Styropor“.

Stroh schlägt Styropor

Lanwert versichert, dass die Isolierleistung der Ökoboxen über eine Versanddauer von 24 Stunden vergleichbar ist mit der von Styropor, „sogar leicht besser“. Allerdings, und das ist die Kehrseite der Medaille, erhöht die Strohlösung leider die Kosten für den Versand. „Wir sind aber dennoch der Meinung, dass sich diese Mehrkosten im Sinne des Umweltschutzes lohnen.“

Die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit spielen schon seit Firmengründung in den 1970er Jahren eine wichtige Rolle bei NEB. So wird das Firmen-Hauptquartier in Massachusetts (USA) mit Solarstrom betrieben, Kataloge und Werbematerialien druckt das Unternehmen auf recyceltes Papier und verwendet zum Versand 100 % recyclingfähiges Bio-Polyethylen (PE) aus nachwachsenden Rohstoffen wie Zuckerrüben. Was in der Vergangenheit sicherlich einen Mehraufwand bedeutete, ist heutzutage vielleicht sogar ein Wettbewerbsvorteil? „Wir haben uns diese Frage ehrlich gesagt gar nicht gestellt“, sagt Lanwert. „Wir haben all unsere Umweltschutz­entscheidungen – früher wie heute – nicht aus strategischen oder werbenden Gedanken, sondern aus der Überzeugung getroffen, das Richtige zu tun“.

Auch wenn es eine Weile gedauert hat, inzwischen ist die Nachfrage nach Produkten mit besserer Umweltverträglichkeit fast überall groß. „Wir bekommen in den letzten 1-2 Jahren vermehrt Rückfragen, z. B. auch was unsere PE-Folie für den Katalog- oder Broschürenversand angeht“, bestätigt Lanwert. Der Marketing & Sales Manager verrät auch, dass Kunden mit in den Produkt­entwicklungs­prozess einbezogen werden, denn „das beste Produkt taugt nichts, wenn die Kunden nicht gleicher Meinung sind“.

Umweltfreundliche Sojatinte

Für das Monarch Nukleinsäure-Aufreinigungskit hat man beispielsweise sehr früh in der Entwicklungsphase Kunden befragt, was man denn in ihren Augen besser machen könnte. Die Antworten kamen prompt: den Materialverbrauch reduzieren, Recycling ermöglichen und die Ressourcen schonen. NEB setzte die Vorgaben dann unter anderem mit dünneren Säulchenwänden (reduzierter Plastikverbrauch), robustem Boxendesign (wiederverwendbar), kurzen Anleitungskarten statt gedruckter Handbücher und umweltfreundlicher Druckertinte auf Soja- und Wasserbasis um.

Wo sieht Lanwert denn noch weitere Optimierungsmöglichkeiten? „Bei den Kühlakkus für den Versand sind wir bereits seit Jahren mit ‚zuckerartigem‘ und völlig ungiftigem Kühlmittel nach dem besten Stand der derzeitigen Technik versorgt. Aber hier wäre z. B. eine kompostierbare Lösung wünschenswert. Nach unseren intensiven Recherchen gibt es so etwas allerdings leider noch nicht.“

Ohnehin ist die Labor-Branche gerade gefordert, an neuen umweltfreundlichen Materialien zu arbeiten. Zum einen weil die Nachfrage steigt und zum anderen, weil manche Universitäten Ernst machen in Sachen Umweltschutz und beispielsweise komplett auf Plastik verzichten wollen (LJ berichtete).

Lanwert ist optimistisch, dass es z. B. sehr bald nachhaltigere Kunststoff­varianten gibt. „Eine Sache darf man dabei niemals vergessen“, gibt er jedoch zu bedenken, „wenn das Produkt beim Transport oder Lagerung Schaden nimmt, reklamiert wird und nochmal gesendet werden muss, wenn das Experiment deswegen misslingt und wiederholt werden muss, oder wenn die Haltbarkeit des Produktes in einer vermeintlich umweltfreundlichen Verpackung auch nur noch halb so lange ist wie zuvor, dann ist diese Verpackung wahrscheinlich nicht mehr ökologisch. Denn den Energie-/CO2-Abdruck von Transport und Herstellung oder eines vermurksten Experiments darf man bei der plastikfreien Ökoidee natürlich nicht vergessen.“

Kathleen Gransalke

Foto: Pixabay/wnk1029







Letzte Änderungen: 13.02.2020