Editorial

Flotter „Erdgasfresser“ mit Potential

(18.05.2020) In der Tiefsee lebt ein Archaeon, das sich von Ethan ernährt und relativ schnell wächst. Möglicherweise kann man es sogar als Rohstoff-Lieferant nutzen.
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Der Meeresboden und seine Mikroben-Gemein­schaften spielen eine wichtige, aber oft vernach­lässigte Rolle im globalen Kohlenstoff-Kreislauf. Vor allem in Tiefsee-Sedimenten rund um Hydro­thermal­quellen und kalte Sicker­stellen entstehen durch den Zerfall organischer Materie große Mengen an Methan und kurzkettige Alkane wie Ethan, Propan und Butan.

Das Gasgemisch – als natürliches Erdgas bekannt – dient vor allem als Energieträger. Gleichzeitig ist aber beispiels­weise Ethan auch ein begehrter Rohstoff für chemische Synthesen. Der größte Teil des Erdgases wird jedoch bereits im Sediment durch Mikro­organismen wieder abgebaut.

Mikroorganismen, die Erdgas unter anoxischen Bedingungen mit Sulfat abbauen können, sind dabei besonders wichtig für den globalen Kohlenstoff-Zyklus. Den größten Anteil unter ihnen machen die Anaeroben Methan-oxidierenden Archaeen (ANME) aus. Als nahe Verwandte der Methan-bildenden Archaeen kehren die Methan-Oxidierer den Stoff­wechselweg der Methan-Synthese einfach um. Dabei aktiviert das Schlüsselenzym Methyl-Coenzym-M-Reduktase das Methan zu Methyl-Coenzym M.

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Leben nur mit Partner

Im Unterschied zu aeroben Bakterien, die ganz allein Methan mit Sauerstoff oxidieren können, fehlt den Archaeen die Möglichkeit, die bei der Oxidation frei werdenden Elektronen zu verbrauchen. Sie sind deshalb auf ein Partner­bakterium angewiesen, mit dem sie in enger Vergesell­schaftung – in einem sogenannten Konsortium – leben. Das Partner­bakterium übernimmt die Elektronen und nutzt sie für die Reduktion von Sulfat zu Sulfid. Diese strikte Abhängigkeit von einem Partner und das extrem langsame Wachstum der Methan-oxidierenden Archaeen machen die Unter­suchung ihres Stoffwechsels sehr schwierig.

Wissenschaftler um Gunter Wegener vom Bremer Max-Planck-Institut für marine Mikro­biologie haben in Sedimenten von heißen Quellen im Guaymas-Becken im Golf von Kalifornien einen neuen Ethan-Abbauer entdeckt, der schneller wächst und somit die Labor­arbeiten erleichtern könnte. Das Archaeon erhielt den Namen „Candidatus Ethano­peredens thermo­philum“, was übersetzt in etwa „wärme­liebender Ethan­fresser“ bedeutet. Der Zusatz „Candidatus“ deutet daraufhin, dass die Art noch nicht in Reinkultur beschrieben ist, was wohl auch nicht gelingen wird, denn der Organismus ist, wie seine Methan-oxidie­renden Verwandten, auf seinen Bakterien­partner (hier: „Candidatus Desulfo­fervidus auxilii“) angewiesen.

Ethane only!

Indem sie Tiefsee-Sedimente bei 50 °C mit Ethan als einziger Kohlenstoff­quelle kultivierten, konnten die Wissen­schaftler das Konsortium stark anreichern und dann anhand der Menge an gebildetem Sulfid eine Verdopp­lungsrate von nur rund sechs Tagen berechnen. Damit vermehrt es sich etwas zehnmal schneller als die bekannten anaeroben Methan-Oxidierer.

Dadurch stand dann auch genug Material für eine Genom-Sequen­zierung zur Verfügung. Mit einer Größe von unter 2 Mbp besitzt der Ethan­fresser ein nur etwa halb so großes Genom wie seine Schwester­gruppe „Candidatus Methanoperedens“, die allerdings die Methan-Oxidation ganz ohne Partner­bakterium bewerkstelligen kann. Wie erwartet fanden sich die Gene für einen vollständigen Wood-Ljungdahl-Weg zur Methan-Synthese, während Enzyme für die beta-Oxidation von länger­kettigen Fettsäuren wie Butan und Propanol fehlten. Außerdem besitzt Ca. Ethano­peredens thermo­philum eine einzige Methyl-Coenzym-M-Reduktase, deren drei Unter­einheiten in einem Operon codiert sind und sehr stark abgelesen werden.

Tatsächlich war Ca. Ethanoperedens in Wachstums­versuchen bei der Wahl der Energie­quelle erstaunlich wählerisch: Sowohl Methan, als auch Butan und Propan wurden von ihm verschmäht. Mittels Massen­spektrometrie wiesen die Wissenschaftler Ethyl-CoM nach und bestätigten damit, dass Ethan über die Methyl-Coenzym-M-Reduktase aktiviert wird.

Rätselhafte Umwandlung

In Zusammenschau mit den genetischen Daten ist der Abbau von Ethan damit in großen Zügen klar. Rätselhaft ist allerdings noch, wie Ethyl-CoM in Acetyl-CoA umgewandelt wird, bevor dieses dann in den Wood-Ljungdahl-Weg eingeschleust wird. Einen Hinweis darauf geben aor-Gene, die in der Nähe der Gene für den Methan-Abbau liegen. Sie codieren für Wolfram-haltige Aldehyd-Ferredoxin-Oxido­reduktasen, die die Ethyl­gruppe direkt am Coenzym zur Acetyl­gruppe oxidieren könnten. Zwei der drei aor-Genvarianten werden bei Ca. Ethano­peredens thermo­philum stark abgelesen. Zwischen­formen wie Ethyl-CoA konnten zwar bislang nicht massen­spektrometrisch nachgewiesen werden, doch das könnte daran liegen, dass sie zu schnell umgesetzt werden oder bei der Extraktion verloren gehen.

Ebenfalls stark abgelesen werden die elf Gene für Cytochrome und Komponenten eines Typ-IV-Pilus. Beides scheint für die Bildung von Elektronen-leitenden Kabeln („nanowires“) notwendig zu sein, wie sie von anderen anaeroben Methan-Oxidierern und ihren Partner­bakterien bekannt sind. Wie diese genau funktionieren, wisse man aber noch nicht, räumt Wegener ein: „Mit Cytochromen kann man Elektronen transportieren, jedoch nur über sehr kurze Distanzen. Für den Transport über längere Wege, zum Beispiel über eine Zelllänge, könnten die leitenden Protein­kabel des Rätsels Lösung sein.“

Manipulation in Arbeit

Durch sein schnelles Wachstum ist Ca. Ethano­peredens aber nicht nur prädestiniert für die Erforschung der anaeroben Ethan-Oxidation. Möglicher­weise ließe es sich auch einsetzen, um gezielt Ethan als Rohstoff für chemische Synthesen herzustellen. Auf diese Weise könnte man gleichzeitig die begrenzte Ressource „Erdgas“ schonen und den CO2-Ausstoß durch den Verbrauch fossiler Brennstoffe begrenzen. Immerhin läuft auch die Methan-Synthese in beide Richtungen ab, warum sollte das nicht auch für die Ethan-Oxidation gelten.

Erste Hinweise dafür konnten die Forscher tatsächlich schon finden, indem sie statt Sulfat Wasser­stoffgas als Elektronen-Donor zum Kultivie­rungsansatz gaben. „Bisher produziert die Kultur nur sehr wenig Ethan, und das ist eher ungerichteten Enzym-Reaktionen zu verdanken, als dass der Organismus wirklich davon leben kann“, zieht Wegener ein erstes Fazit. „Wir müssen deshalb entweder neue Organismen – also wirkliche Ethan-Erzeuger – finden, oder aber den Stoffwechsel in Methan-bildenden Orga­nismen manipulieren. Arbeiten dazu laufen bereits.“

Larissa Tetsch

Foto: Pixabay/GabrieleLeonardy

Hahn C. J. et al. (2020): Candidatus Ethanoperedens”, a thermophilic genus of Archaea mediating the anaerobic oxidation of ethane. mBio, DOI: 10.1128/mBio.00600-20




Letzte Änderungen: 18.05.2020