Vier ist besser als eins
(27.05.2020) Einem einzelnen neutralisierenden Antikörper könnte SARS-CoV-2 auf Dauer entkommen. Gegen ein ganzes Antikörper-Team dürfte ihm das deutlich schwerer fallen.
Antikörper gegen das SARS-2-Virus zielen meist auf das Oberflächenprotein Spike (S) des Virus. Dieses besteht aus der Untereinheit S1, die auch die Rezeptorbindedomäne (RBD) beherbergt, sowie der für die Fusion mit den Wirtszellen verantwortlichen Untereinheit S2. Auch der zur Bekämpfung des Vorgänger-Virus SARS-1 eingesetzte monoklonale humane-Antikörper CR3022 zielte auf ein Epitop in der RBD. Trotz einer relativ hohen Sequenzhomologie zwischen den Spike-Proteinen der beiden Viren richtet er beim SARS-2-Virus jedoch wenig aus.
Eine Gruppe um Ohad Mazor und Ronit Rosenfeld vom Israel Institute for Biological Research in Ness-Ziona suchte deshalb in Lymphozyten von COVID-19-Rekonvaleszenten sowie schwer an COVID-19 erkrankten Patienten nach wirksameren Antikörpern. Das Serum von zwei Patienten war nach den Ergebnissen von RBD-Binde- und Neutralisationstests vielversprechend. Aus dem Blut gewannen die Forscher mittels Dichtegradienten-Zentrifugation mononukleäre Zellen für die RNA-Extraktion.
Domänen verbunden
Die umgeschriebene cDNA diente dann als PCR-Template zur Amplifikation von Fragmenten, die für die variable Region in Antikörpern codieren. Leichte und schwere variable Domänen (VL, VH) amplifizierte die Gruppe ebenfalls mit entsprechenden Primern. Damit hatte sie alle Bausteine beisammen, um mithilfe der Overlap-Extension-PCR sogenannte Single Chain Variable Fragment (scFv)-Antikörperfragmente herzustellen, bei denen die Antigen-erkennenden, variablen Domänen der leichten und der schweren Kette eines klassischen Antikörpers kovalent verbunden sind.
Jetzt mussten die Israelis das scFv-Repertoire noch in einen Phagemid-Vektor klonieren, um Phagen zu gewinnen, welche die Antikörper an ihrer Oberfläche präsentieren und gleichzeitig deren Bauanleitung bereithalten. Ob sich unter den erhaltenen knapp zehn Millionen Klonen ein brauchbarer versteckte, überprüfte die Gruppe mit einem Phagendisplay. Mit Strepatividin-bemantelten Magnetkügelchen, an denen sowohl die RBD als auch die gesamte S1-Untereinheit über einen Biotin-Tag immobilisiert war, reicherte sie mit dem Phagendisplay sukzessive stark bindende Klone an.
In Hamsterzellen exprimiert
Die Forscher isolierten danach die Phagemid-Vektoren dieser Klone und exprimierten die scFv-Fragmente in CHO-Zellen. Bei der Umklonierung statteten sie die scFv-Fragmente mit den konstanten CH2-CH3-Fc-Fragmenten eines humanen IgG1 aus. Die hieraus erhaltenen scFv-Fc-Antikörper exprimierten sie schließlich in CHO-Zellen und isolierten sie mithilfe von Protein-A-Säulen.
Auf diese Weise erhielt das israelische Team acht Antikörper, die spezifisch an die S1-Untereinheit sowie die RBD banden. Nach einem ELISA mit S1 und RBD als Antigen wählten sie sechs Antikörper aus, die besonders niedrige Dissoziationskonstanten aufwiesen.
Diese Antikörper charakterisierte die Gruppe mit der sogenannten Biolayer-Interferometrie (BLI) genauer. Mit dieser kann man die Wechselwirkungen zwischen einem immobilisierten Protein und einem Analyten, etwa einem Antikörper, analysieren und zum Beispiel Dissoziationskonstanten oder Affinitätsparameter bestimmen. Die Analysen ergaben, dass die Antikörper an unterschiedliche RBD-Epitope binden und sich entsprechend in vier Gruppen einteilen lassen.
Virus neutralisiert
Wie gut die Antikörper das SARS-2-Virus neutralisieren, testeten die Forscher mithilfe von Vero-E6-Zellen, die sie mit dem Virus infizierten. Dazu inkubierten sie eine definierte Menge Viren mit den einzelnen Antikörpern und brachten eine dünne Schicht auf der Zellkultur aus. Nach zwei Tagen zählte die Gruppe schließlich die entstandenen Plaques. Beim schlagkräftigsten Antikörper (MD65) lag die Neutralisationsdosis (NT50), welche die Hälfte der Plaques verhindert, bei 0,9 µg/ml. Ähnlich effektiv blockierten auch die Antikörper MD45 und MD67 (NT50 4µg/ml) sowie MD62 (NT50 7,5 µg/ml) die Vermehrung von SARS-2.
Die Israelis schlagen deshalb vor, diese an verschiedene Epitope bindenden Antikörper als „Team“ gegen das SARS-2-Virus einzusetzen. Dies würde auch die Wahrscheinlichkeit verringern, dass das SARS-2-Virus durch Mutation dem Zugriff eines Antikörpers entkommt.
Andrea Pitzschke
Bild: Pixabay/succo (bearbeitet)
Noy-Porat T. et al. (2020): Tiger team: a panel of human neutralizing mAbs targeting SARS-CoV-2 spike at multiple epitopes. BioRxiv, DOI: 10.1101/2020.05.20.106609