Wiener Virustest – auch für zuhause
(08.07.2020) Ein verbessertes Protokoll erhöht die Sensitivität des SARS-CoV-2-Tests via isothermaler Amplifikation – schneller als die PCR ist er sowieso.
Zufälle gibt‘s, die gibt‘s gar nicht. Hätten Coronakrise und Lockdown Max Kellner (normalerweise in Cambridge, UK, arbeitend) nicht ausgerechnet in seiner Heimatstadt Wien stranden lassen, wäre am Vienna Biocenter die Forschung ganz normal weitergelaufen. So aber geriet in der Donau-Metropole statt Drosophila beziehungsweise Zebrabärbling auf einmal SARS-CoV-2 ins Visier der Forscher. Die Gruppen von Andrea Pauli und Julius Brennecke taten sich zusammen, nahmen Kellner, der sich als Mastermind der SHERLOCK-Strategie mit isothermalen Amplifikationsmethoden auskennt, mit ins Boot und entwickelten zusammen einen schnellen, einfachen und sensitiven Nachweis von SARS-CoV-2.
Der Test basiert auf der mit der Reversen Transkription gekoppelten Loop-Mediated Isothermal Amplification (RT-LAMP). Diese Technik ist schneller als die zumeist für den SARS-CoV-2-Nachweis verwendete RT-qPCR und kommt auch ohne teure und komplizierte qPCR-Cycler aus (siehe dazu auch das „COVID-19-Methoden-Special: SARS-CoV-2-Detektion“ in der Laborjournal-Ausgabe 5-2020). Um die für LAMP nötige konstante Temperatur von etwa 63 °C zu erreichen, genügt notfalls ein Küchengerät. Im Rahmen der „Vienna Covid-19 Diagnostics Initiative“ stellte das Team von Pauli und Brennecke ein optimiertes RT-LAMP-Nachweisverfahren für SARS-CoV-2 auf die Beine: Es ist nicht nur sensitiver und robuster als die bisherigen Techniken. Das verbesserte Protokoll der Wiener verhindert auch Kreuzkontaminationen und lässt sich abseits eines Labors einsetzen.
Enzyme brauchen Hilfe
Zunächst testeten die Forscher, ob die DNA-Polymerasen Bst-LF, Bst 2.0 sowie Bst 3.0 die als Ziele ausgewählten N- oder E-Gene von SARS-CoV-2 auch ohne zusätzliche Reverse Transkriptase isothermal amplifizieren. Dies war jedoch nicht der Fall: Alle drei Polymerasen benötigten hierzu die Hilfe einer zusätzlich zugegebenen Reversen Transkriptase (Rtx).
Insbesondere bei gepoolten Proben, die bei positiven Ergebnissen einzeln nachgetestet werden müssen, ist das Risiko für Kontaminationen sehr hoch. Die Wiener führten deshalb vor der eigentlichen Amplifikation eine pre-RT-LAMP mit dUTP durch. Kontaminationen aus vorangegangenen LAMP-Reaktionen wurden hierdurch in Uracil-haltige Amplifikate verwandelt, welche die Nuklease Uracil-DNA-Glycosylase (UDG) anschließend zerlegte. Die thermolabile UDG entfernte die Gruppe durch Hitze-Inaktivierung bei 50°C. Am geeignetsten für das dUTP/UDG-System erwies sich die Polymerase Bst 2.0, die dUTP bereitwillig in die LAMP-Amplikons einbaute.
Ergebnis nach 35 Minuten
Mit der neuen RT-LAMP-Technik konnte die Gruppe SARS-CoV-2 aus Nasenhöhlen-Abstrichen oder Gurgelproben nach einer RNA-Extraktion genauso spezifisch und sensitiv detektieren wie mit der RT-qPCR. Circa 30 Kopien pro Reaktion reichten aus, um nach etwa 35 Minuten ein positives Ergebnis zu liefern. Das entspricht etwa einem Cq-Wert von 35.
Das verbesserte RT-LAMP-Verfahren funktionierte aber auch mit RNA-Rohextrakten. Statt der üblichen RNA-Extraktion mit Trizol erhitzte die Gruppe die Proben aus Nasenhöhlen-Abstrichen, Gurgelproben oder verschiedenen Transportflüssigkeiten in QuickExtract-Lysepuffer fünf Minuten auf 95°C. Auch in diesem Fall konnte das Team SARS-CoV-2 mit RT-LAMP genauso zuverlässig nachweisen wie mit dem RT-PCR-Standardverfahren.
Bei den üblichen LAMP-Assays werden die Amplikons mit DNA-interkalierenden Fluoreszenz-Farbstoffen detektiert. Da die DNA-Amplifikation mit sinkendem pH-Wert und verringerter Konzentration freier Magnesium-Ionen einhergeht, kann man sie grundsätzlich auch mit pH-Indikatoren wie Phenol-Rot oder Metallionen-Indikatoren wie zum Beispiel Hydroxynaphtholblau (HNB) nachweisen. Bei Rohextrakten ist der pH-Indikator jedoch unzuverlässig. HNB zeigte positive Patientenproben hingegen korrekt und spezifisch an, solange circa hundert Kopien der SARS-CoV-2-RNA in der Reaktion vorlagen. Dies entspricht einem Cq-Wert von etwa 33.
Noch besser mit Beads
Mit einem kurzen Anreicherungsschritt lässt sich die Sensitivität des Wiener RT-LAMP-Assays zusätzlich steigern. Dazu versetzt man die lysierten Rohextrakte mit speziellen Beads, entfernt nicht-gebundene Flüssigkeit und gibt den RT-LAMP-Reaktionsmix direkt zu den Beads hinzu. Die Sensitivität erhöht sich so auf das Fünfzigfache, wodurch die Methode auch für gepoolte Tests interessant ist.
Die Economy-Variante des Wiener Verfahrens, das sich HomeDip-LAMP nennt, kommt mit einem Zellulose-Streifen anstelle der Beads aus. Sie ist zwar für Pooling-Tests ungeeignet, dafür aber umso attraktiver, wenn die gewohnte Labor-Ausstattung fehlt, etwa in Regionen mit limitierten Ressourcen oder sogar im eigenen Zuhause. Die Gurgel- oder Speichelprobe wird 1:1 mit QuickExtract-Lösung versetzt und fünf Minuten auf 95°C erhitzt. Anschließend taucht man den Zellulose-Streifen dreimal für dreißig Sekunden in die Lösung, um Nukleinsäuren aus dieser herauszufischen. Der Streifen wird danach in den vorgelegten auf 63 °C erhitzten RT-LAMP-Reaktionsmix getunkt, um die LAMP-Reaktion zu starten.
Andrea Pitzschke
Kellner M. et al. (2020): Scalable, rapid and highly sensitive isothermal detection of SARS-CoV-2 for laboratory and home testing. BioRxiv, DOI: 10.1101/2020.06.23.166397
Foto: Kellner et al.